Platz ist in der kleinsten Hütte!

Viele von euch kennen sicher das Problem: Ihr wohnt in einer schönen, bezahlbaren Wohnung, in einem lieb gewonnenen Kiez – doch dann kündigt sich Kind Nr. 1 an. Kurz darauf ist Kind Nr. 2 da. Und eure Wohnung, die ihr eben noch, als ihr nur zu zweit wart, großzügig und luftig fandet, ist plötzlich viel zu klein und viel zu eng. Was also tun? Nach einer neuen, größeren Mietwohnung schauen? Doch die sind in der Regel deutlich teurer und würden komplett euer Budget sprengen. Zumindest, wenn ihr in eurem Kiez oder in der Nähe bleiben wollt. Davon abgesehen ist das Angebot an Wohnraum in begehrten Vierteln sowieso eher mau. Eine Wohnung oder ein Haus kaufen? Nicht nur, dass der Immobilienmarkt gerade vielerorts komplett abgegrast ist – das, was es gibt, ist in der Regel unerschwinglich. Es sei denn, ihr zieht gaaaaaanz weit raus. Es gäbe aber auch noch eine dritten Weg. Und genau den ist Sima aus Köln gegangen...

Die 39-jährige Designerin hat ihre 80-Quadratmeter-Wohnung, die gefühlt 100 Dachschrägen besitzt, einfach clever umgebaut und so ganz viel neuen Platz für ihre vierköpfige Familie geschaffen. Und weil sie so viel Spaß daran hatte, hat sie daraus eine Geschäftsidee entwickelt und 2019 ihr Unternehmen Habitiny gegründet. Gemeinsam mit einem erfahrenen Team liefert die „Expertin für kleinen Wohnraum“ Ideen für jedes Zuhause und maßgeschneiderte Optimierungskonzepte an. Wir haben mit Sima gesprochen und sie hat uns ganz viele Tipps verraten, wie man aus Klein, Groß machen kann.

Liebe Sima, mit der Idee deines Unternehmens Habitiny sprichst du gerade vielen Familien aus der Seele: Aufgrund der Geburt eines Kindes brauchen sie plötzlich mehr Zimmer – finden aber keinen bezahlbaren Wohnraum oder sie wollen ihren Kiez und ihre lieb gewonnene Wohnung gar nicht verlassen. Wie bist du auf die Idee gekommen, Hilfe dieser Art anzubieten? Aus eigener Erfahrung?
Ganz genau. Ich wohne mit meinem Partner und zwei Kindern in einer 80-Quadratmeter- Dachgeschosswohnung. Auch wir haben vor der Geburt unseres zweiten Sohns überlegt, in eine etwas größere Wohnung zu ziehen. Aber die Angebote, die es gab, waren einfach viel zu teuer – wir hätten doppelt so viel zahlen sollen wie bisher, um einen Raum mehr zu haben. Das wäre für uns verbranntes Geld gewesen. Also haben wir uns eher darüber Gedanken gemacht, wie wir unsere Wohnung clever umbauen können, um noch möglichst lange hier wohnen zu bleiben. So kam ich mit dem Thema Raumoptimierung erstmals in Kontakt. Ehe ich Habitiny aber tatsächlich gegründet habe, brauchte es noch eine Kündigung, eine weitere Schwangerschaft und die Beobachtung über meine Gedanken währenddessen. Der Zündungsmoment war dann die Tasse Kaffee mit einer Mama aus dem Kindergarten, die heute eine sehr gute Freundin ist. Dann war mir klar: Genau das möchte ich machen.

Wie bzw. mit welchen Mitteln hast du eure Wohnung damals optimiert?
Unsere erste Amtshandlung bestand darin, ein Einbaubett, das gleichzeitig Stauraum ist, zu planen und dann auch bauen zu lassen. Also eines, in dessen Schubkästen wir ganz viele Dinge packen können, die wir nicht täglich benötigen – wie z.B. Flohmarktsachen oder Gäste-Bettdecken.
Als nächstes haben wir für unser 15 qm großes Kinderzimmer eine umfassende Hochebene geplant, auf der unsere zwei Jungs nun eine Spiel- und Schlaffläche haben. Dafür einen Schreiner zu finden, der mutig genug ist, das umzusetzen, war extrem schwer. Aber die Mühe hat sich gelohnt und wir sind alle happy mit dem Ergebnis.

Kommst du aus der Interior-Design-Ecke – oder woher hast du das ganze Umbau-Know-How?
Ich habe Kommunikationsdesign studiert und lange in der Marken- und Produktentwicklung gearbeitet. Probleme anzugehen und zu lösen liegt mir also. Auch wenn mein Fokus früher eher auf der Gestaltung digitaler Produkte lag, ging es doch immer darum, ein gut funktionierendes Design zu entwickeln. Bevor ich auf Habitiny kam oder Habitiny zu mir, habe ich sehr viel im Interior-Bereich analysiert, selbst ausprobiert und zuhause ausgetestet. Damals war das keine bewusste Handlung. Heute wundere ich mich aber schon, warum ich nicht viel eher auf die Idee gekommen bin, ein Unternehmen wie Habitiny zu gründen.

Lieferst du nur die Inspirationen und Pläne zum Umbau bzw. zur Umgestaltung. Oder setzen du und dein Team diese Ideen dann auch um?
Beides. Wenn Kunden mit mir gemeinsam in die Projektplanung gehen, wird zu Beginn entschieden, wer später den Umbau machen soll. Das ist natürlich auch eine Kostenfrage. DIY ist immer günstiger als alles andere. Meine Entwürfe entwickle ich auf dem Niveau des jeweiligen handwerklichen Levels des Kunden bzw. der Kundin.
Zudem biete ich noch den Heimwerker-Support an, um restliche Unsicherheiten aus dem Weg zu schaffen und um meine Kunden, gemeinsam mit einem meiner Tischlermeister, perfekt auf ihr Projekt vorzubereiten. Mein Netzwerk an Handwerkern und anderen Fachleuten wächst bundesweit stetig weiter. Das sind alles tolle Leute, die das Habitiny-Prinzip verstehen, umsetzen und gerne mit mir arbeiten.
Möglich ist auch, dass der Kunde oder die Kundin seine bzw. ihre Handwerker selbst mitbringt. Wichtig ist immer, dass diese frühzeitig mit in die Kommunikation involviert werden. Nur so bleiben wir effizient und können ein gutes Ergebnis des Umbaus bzw. der Umgestaltung erzielen.

Wie gehst du bei deiner Wohnungsanalyse vor? Und wie findest du dann eine Lösung für das jeweilige Wohnungsproblem?
Der klassische Habitiny-Work-Flow ist in vier Phasen geteilt, die aufeinander aufbauen:
Phase 1 – Das Kennenlernen: Ich starte immer mit dem kostenloses Kennenlernen. In dem Gespräch erzählt der Kunde von der augenblicklichen Situation. Hier versuche ich sensibel herauszukitzeln, welches Hauptproblem in welchem Ausmaß vorliegt. Zudem bitte ich den Kunden / die Kundin mir, neben dem Grundriss, auch Fotos und ein Video von der Wohnung zu schicken.
Phase 2 – Die Wohnraumberatung: Die Unterlagen von meinen Kunden geben mir die perfekte Vorbereitung für die Wohnraumberatung, in der ich anhand des Grundrisses ein paar Szenarien durchspielen kann. Meine Lösungsansätze zeichne ich in den Grundriss ein untermauere meine Ideen mit passenden Bildbeispielen .
Es folgen Phase 3 – die Projektplanung.
Und dann Phase 4 – der Umbau.

Der Klassiker ist ja: Ich habe zwei Kinder, aber nur ein Kinderzimmer. Beide Kids haben aber ganz unterschiedliche Interessen. Wie gehe ich da vor?
Das kommt immer auf die Bedürfnisse der Kinder an. Oftmals werde ich gebeten, den perfekten Raum für eine Raumtrennung aufzuspüren und diesen dann clever zu teilen. Aber es gibt ja auch Familien, die finden es wichtig, dass die Kinder möglichst lange zusammenbleiben. Ist das der Fall, konzentrieren wir uns mehr auf das Schaffen von Rückzugsmöglichkeiten. Und das muss nicht immer ein ganzes Zimmer sein.

Wir alle wissen, dass sich die Bedürfnisse von Kindern im Laufe der Jahre ändern. Eben war die Lego-Ecke noch angesagt – nun ist sie es nicht mehr. Ich kann aber nicht alle paar Jahre Wände in meiner Wohnung einziehen und wieder abreißen…
Tatsächlich ist flexible Planung das A und O in der Raum-Gestaltung für Familien. In jedem Fall versuche ich in der Wohnraumberatung, gemeinsam mit den Eltern, mal ein paar Jahre vorzuspulen und verschiedene Wohn-Szenarien durchzuspielen, damit wir an Ende eine Variante finden, welche die ganze Familie ein paar Jahre glücklich macht – und die nicht ein Jahr später schon wieder umgeplant werden muss.

Was ist, wenn mir mein Vermieter nicht erlaubt, eine Trockenbauwand einzuziehen? Gäbe es da Alternativen?
Die Regeln sind eigentlich recht einfach. Du darfst alles machen, so lange es reversibel ist. Auch Rigipswände können wieder entfernt werden – solange man sie nicht im Boden verankert. Alternativ könnte aber auch ein Einbauschrank zum Raumtrenner werden. Da gewinnt man gleichzeitig Stauraum.

Seit der Pandemie haben viele Familien plötzlich ein zusätzliches Arbeitszimmer benötigt, das sie bis dahin nicht brauchten. Was war hier dein Tipp?
Auch hier könnte ein Einbauschrank die Lösung sein, der gleichzeitig den Raum teilt und über einen klappbaren Schreibtisch verfügt. So eine Art Modularlösung. Aber: Wichtig ist, sich seiner Bedürfnisse im Klaren zu sein und seine Räumlichkeiten auf diese Anforderung zu prüfen. Jede Wohnung ist anders und jeder Bewohner ist anders. Was hier praktikabel ist, ist dort unpraktisch. Umso wichtiger ist, dass ich jede Wohnung und die Bedürfnisse ihrer Bewohner vor der Planung genau kennenlerne.

Was war für dich bislang die größte Herausforderung in Sachen Wohnraumoptimierung?
Da ging es um ein kleines, sehr verwinkeltes Haus aus den 50er Jahren, das über einen sehr komplizierten Grundriss verfügt. Damals hatten einige Architekten bereits verschiedene Umbau-Entwürfe und Angebote erstellt. Doch der Kundin hatten all die Angebote nicht zugesagt und sie waren ihr auch viel zu teuer, sodass sie für die aufgerufene Summe hätte neu bauen können. Da ich Probleme liebe, hab ich nach ihrer Anfrage gesagt: „Herausforderung angenommen“. Aber plötzlich hab ich gemerkt, was da für ein Druck auf mir lastet: Besser und günstiger zu sein als Architekten?! … Zum Glück haben wir im Team eine wundervolle und viel preisgünstigere Lösung für die Planung ausgearbeitet, die wir derzeit mit der Kundin und ihrer Familie umsetzen.

Wer dir auf Instagram folgt, sieht: du schaffst gern Raum in der Höhe. Ist das auch dein ultimativer Tipp: Leute schaut hoch und schafft Platz unter der Decke…
Absolut. Denn es geht ja darum, Fläche für die freie Bewegung zu schaffen. Horizontal ist der aber oft begrenzt. Daher müssen wir in die Höhe denken. Und das ist nicht nur in Berliner Altbau-Buden, die über 3,80 m höhe Wände verfügen, möglich. Das kriegt man auch schon bei 2,40 m Deckenhöhe hin.

Wie wichtig ist die Wandgestaltung (Farbe,Tapete) für die Raumoptimierung?
Auch wenn ich sehr ich auf die kosmetische Gestaltung von Räumen abfahre, muss erst die Pflicht erledigt werden. Wenn wir also die Räume strukturell gut geplant haben, können wir uns guten Gewissens auf die kosmetische Gestaltung stürzen. Und da kann man tatsächlich tolle Effekte erarbeiten. So lass ich gerne große Trümmerschränke in Wandfarbe lackiert verschwinden. Oder ich streiche Flächen dunkel, um dem Raum an der Stelle optische Tiefe zu verleihen. Man kann schöne Einbaumöbel auch mit umlaufenden Farbakzenten mehr in Szene setzen. Das Feld ist groß und wird demnächst bestimmt noch weiter von mir bespielt werden.

Gab es Wohnungen, wo einfach kein Platz mehr rauszuholen war? Oder ist kein Zuhause ein hoffnungsloser Fall? Nicht mal eine Dachgeschosswohnung mit hundert Schrägen?
In solch einer Wohnung mit hundert Schrägen wohne ich ja selbst. Mich erschüttert also nichts so leicht. Und auch wenn ich mal Schnappatmung beim Anblick mancher Wohnungen bekomme, so sage ich mir doch immer: Bisher hab ich jeden Fall gelöst! Das klappt auch diesmal.

Liebe Sima, hab vielen Dank für deine Zeit und die großartigen Tipps!

Mehr über Sima und Habitiny erfahrt ihr hier!

Fotos: Sabrina Weniger, Antonia Schmitz, Christoph Jansen