Geht das auch in grün? Nachhaltiger leben als Familie
Janine, Dein Buch ist gerade erschienen, jetzt liest Du daraus auf Instagram vor anstatt das “in echt” zu tun, als Moderatorin trifft dich das Corona-Virus wirtschaftlich natürlich auch. Trotzdem schaffst Du es, positiv zu bleiben. Was, glaubst Du, können wir von dieser Krise lernen?
“Ich glaube wirklich, dass diese Krise dazu führen kann, dass wir uns alle mehr auf uns besinnen und unseren Konsum genauer überdenken. Durch den Stillstand des öffentlichen Lebens nimmt man die kleinen Dinge mehr wahr. Wir brauchen alle mehr Weniger. Der überbordende Lebensstil, den so viele haben, geht zu Lasten der Umwelt. Dass viele jetzt merken: Es geht auch mit deutlich weniger, das finde ich toll. Persönlich versuche ich, mich auf mein Projekt Futurewoman zu konzentrieren, wo ich grüne Heldinnen vorstelle. Anfang Mai ist ein digitaler Talk geplant.”
Erzähl’ doch mal, wie sich deine Wandlung von der RTL-Explosiv-Moderatorin hin zu „Green Janine” vollzogen hat.
“Genau, in meinem früheren Leben habe ich mir gar keine Gedanken über die Verschwendung von Ressourcen gemacht, obwohl ich ländlich aufgewachsen bin. Selbst die Gründung der Grünen habe ich eher belächelt. Dann wurde ich mit 34 Jahren schwanger und sah die Berichte über die Nuklearkatastrophe von Fukushima. Für mich war das der Erweckungsmoment, durch die Schwangerschaftshormone war ich natürlich emotionaler, aber die Bilder hatten für mich etwas von einem Science-Fiction-Film und ich fragte mich zum ersten Mal: Was machen wir mit unserem Planeten?”.
Wie ging es dann weiter?
“Ich wurde dann Mutter und beschloss, mein eigenes Leben nachhaltiger zu gestalten. Ich habe mich bei allem gefragt: Geht das auch in grün? Ich habe unsere Kaffeemaschine ausgetauscht, statt Kapseln gab es Bohnen. Aber ich ging auch ans Eingemachte, irgendwann habe ich unser Auto abgeschafft. Der finale Schritt war meine Kündigung. Ich hatte in Nachhaltigkeit und Umweltschutz meinen Sinn gefunden und das passte einfach nicht zu meinem Job. So berichteten wir bei RTL über den Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesh – dort wurden auch Jeans gefertigt, die sich im Fundus des Senders befanden. Um ein Haar hätte ich bei der Sendung, in der ein Beitrag über die Katastrophe lief, eine solche Jeans getragen. Meine letzte Explosiv-Sendung moderierte ich dann im März 2015.”
Viele stellen sich die Frage: Womit fange ich an? Hast Du da Tipps?
“Ich finde es immer schwer, da etwas zu raten. Viel wichtiger ist es, sich die Frage zu stellen: Bin ich bereit, etwas zu ändern? Finde ich es sinnvoll? Viele scheitern nämlich schon daran und denken, es bringt nichts, im Kleinen etwas zu ändern. Deswegen finde ich das viel wichtiger, als zu sagen: Schafft die Kapseln ab, nehmt einen Beutel zum Einkaufen mit. Der Mut, wohlwollend über Nachhaltigkeit nachzudenken, ist entscheidender. Ich möchte keine Anleitung geben, die man abarbeitet. Wer offen ist, kann sein Leben betrachten und sich als ersten Schritt etwas suchen, das eine kleine Hürde ist. Der Einkaufsbeutel ist tatsächlich ein guter erster Schritt. Wer einmal Blut geleckt hat, bekommt von ganz alleine Lust darauf, auch größere Schritte zu machen. So erspart man sich auch Frust.”
Wo liegen die Herausforderungen, wenn man seine Familie zu einem nachhaltigeren Lebensstil bringen möchte?
“In der Familie lag für mich die Herausforderung darin, dass ich dachte, denen kann ich richtig auf die Nerven gehen und sie müssen da mitziehen. Insbesondere meinem Mann sagte ich am Anfang oft: Warum nimmst du denn nicht dieses Produkt, jene Jeans, etc. Das funktioniert aber überhaupt nicht, auch in der Familie ist Druck kein guter Weg. Besser ist es, den grünen Lifestyle vorzuleben und Angebote zu machen. Die größte Herausforderung ist für mich, zu verstehen, dass der Partner und das eigene Kind negativ auf Ansagen reagieren und auch mal sagen: Geh’ weg mit deinem Scheiß, wenn man versucht, für sie das Leben mit zu ändern. Darauf zu vertrauen, dass sie selber darauf kommen.”
Was macht eine so krasse innere Transformation mit einer Beziehung?
“Es war schon eine ziemliche Belastung für uns und ich bin meinem Mann sehr dankbar dafür, dass er das mitgemacht hat. Das ist ja schon eine Hausnummer: Da war ich auf der Karriereleiter endlich angekommen und hatte mir einen Traum erfüllt, und dann beschloss ich, wieder alles auf Anfang zu stellen. Dass wir dieses Thema immer beackern mussten, war natürlich auch nicht ganz leicht. Es war eine Beziehungsprobe und das hätte auch schiefgehen können. Mein Mann hat jetzt eine andere Frau an seiner Seite als die, die er kennengelernt hat. Ich bin froh, dass wir da so gut durchgekommen sind.”
Du sagst es ja selbst: Es gibt so viele Baustellen, in Deinem Buch schilderst Du diese ja auch einzeln: Mode, Mobilität, Ernährung. Wo fiel es Dir am schwersten, Änderungen vorzunehmen?
“Mobilität war für mich die größte Hürde. Mir war es immer total wichtig, ein Auto zu haben und lange Zeit fand ich öffentliche Verkehrsmittel einfach doof. Ich habe immer davon geträumt, einen Volvo V70 als Familienkutsche zu haben und irgendwann hat es dann für den V50 gereicht. Ich sah uns damit nach Skandinavien in den Familienurlaub fahren. Ich habe diesen schwarzen Volvo geliebt! So geschmeidig das klingt, das Auto abzuschaffen, den Schlüssel und die Papiere hinzulegen und zu wissen, wir können uns jetzt auch kein Auto leisten, wenn wir es uns anders überlegen, das war für mich ein krasser Schritt, der mir viel Mut abverlangt hat.”
Du sagst, man muss nicht perfekt sein – welche Inseln gestehst du Dir zu und wieso ist unperfekt immer noch besser als gar nicht?
“Ach, ich bin an keiner Stelle perfekt. Ich gehe nicht in Unverpacktläden, auch wenn ich sie super finde, aber ich sehe da auch die Hersteller in der Pflicht, in Sachen Verpackung etwas anzustoßen und als berufstätige Mutter ist es mir zu aufwändig, alle verpackten Lebensmittel zu vermeiden. Wenn ich unterwegs bin und ich meinen Mehrwegbecher vergessen habe, dann kommt es auch mal vor, dass ich einen To-Go-Kaffee kaufe und ich nutze auch manchmal Carsharing-Angebote, wo es eine Busverbindung gegeben hätte. Ich bin auch nicht Vegetarierin. Man muss nicht perfekt sein, auch kleine Veränderungen können einen großen Effekt haben. Oft wird die eigene Vorbildfunktion unterschätzt. Anfangen ist immer besser, als sich selber zu geißeln, nur weil alles nicht gleich hundertprozentig klappt.”
Wie viel Klimaschutz darf man einem Kind zumuten?
“Man kann mit Kindern nicht so diskutieren wie mit Erwachsenen. Wenn mein Sohn sich total für Autos interessiert, dann muss ich ihm das auch zugestehen und kann darauf hoffen, dass es eine Phase ist. Natürlich gibt es Momente, wo er mich fragt, warum Fliegen denn nicht gut ist – denn er findet es natürlich total aufregend, im Flugzeug zu sein – und dann erkläre ich ihm das kindgerecht. Vorgestern sagte er, er würde so gerne einmal nach Afrika und ich habe ihm gesagt, dass ich das total gut verstehe und wir das sicher auch einmal machen werden. Aber wir fliegen eben nicht, wenn er Freunde in Salzburg besuchen möchte, denn dorthin gibt es eine gute Zugverbindung. Ich gestehe ihm aber Freiräume zu und er darf mein Verhalten auch doof finden.”
Bereichert es das Familienleben denn auch?
“Klar – wenn wir mit dem Zug und Rädern in den Urlaub fahren, dann erleben wir Mikroabenteuer. Das Empfinden, dass ich mich auf neue Pfade begebe, ist immer eine Bereicherung, für uns alle. Unser erster Urlaub ohne Auto und Flieger war ganz schön chaotisch, aber wir werden unser Leben lang davon erzählen können und wir waren alle gemeinsam stolz, als wir angekommen waren und es gut gemeistert hatten. Davon zehren wir dann auch für die nächste Reise und steigern uns. Im Herbst wollen wir mit der Bahn nach Portugal reisen, wenn das alles noch gut geht trotz Corona. Jedes Mal, wenn es mit dem ÖPNV gut läuft, ist es für mich ein Triumph, ein Erfolgserlebnis.”
Vermisst Du dein altes Leben?
“Nein, wirklich an keiner Stelle. Was ich manchmal vermisse ist tolle Mode, das fällt mir schwer, da nicht aus dem Vollen schöpfen zu können und einfach ohne Nachdenken in eine Boutique zu gehen und mir auszusuchen, was mich anspringt. Aber ich bin heute viel fitter, viel ruhiger, viel gelassener als früher. Sogar jetzt, wo Corona meine Geduld noch einmal auf eine ganz andere Probe stellt, bin ich noch relativ entspannt. Mein Leben ist glücklicher und ich bin achtsamer. Durch das Weniger habe ich ganz viel Lebenslust dazugewonnen.”
Foto von Janine Steeger: Copyright Nadine Dilly