Let’s talk about: ist Kinderhaben “einfach”?
Die übliche Frage, die übliche Antwort
Meine Freundin tat aber genau das, sie sagte: “Ach, eigentlich ist es ganz easy”. “Bei uns auch”, sagte der Vater mit Blick auf seine dreijährige Tochter. “Es war immer ziemlich einfach mit ihr. Fast zu einfach!” Lächeln. Ich saß stumm daneben und lächelte auch höflich. Ich wusste dazu natürlich nichts zu sagen, denn bei uns ist es nicht immer einfach. Quinn ist zwar mittlerweile auch ein “easy Baby”, aber letzte Woche war sie zum Beispiel krank, da war es wirklich intensiv mit ihr. Außerdem zahnt sie und sie schläft nicht mehr so gut. Und außerdem habe ich ja noch ein großes Kind, einen fast Vierjährigen und mit dem war es eigentlich das ganze letzte Jahr überhaupt nicht leicht.
Ich frage mich seitdem, ob das wirklich sein kann, dass manche Eltern das Kinderhaben als “einfach” empfinden. Und woran das liegen könnte. Ich weiß, es gibt wirklich unkompliziertere und anspruchsvollere Kinder und ich behaupte mal, Xaver ist und war schon immer eines von der zweiten Sorte. Er ist eben ein Charakterkind und ich finde das zwar oft anstrengend aber eigentlich auch sehr positiv. Er fällt aus der Reihe! So war das schon immer. Manche Babies sind meistens ruhig und liegen da, Xaver wollte bereits als Baby Action. Manche Babies schlafen schnell durch, andere nie oder selten. Manche schreien den ganzen Tag und bei jedem Pieps, andere nicht. Manche werden zu weinerlichen Kleinkindern, die wegen jeder Sache an die Decke gehen, andere sind besonnen und lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. An manchen Kindern gehen die Trotzphasen einfach vorbei, andere haben sie heftig und zwei Jahre lang. Ähnlich ist es in der Pubertät – manche rebellieren jahrelang ganz heftig, andere tangiert das kaum. Es gibt also wohl wirklich Kinder, die es ihren Eltern leichter machen, andere nicht so. Und ich glaube fest, dass das wenig mit dem Verhalten der Eltern zu tun hat. Sicher auch. Aber ganz sicher nicht nur. Und “einfach”? Ich würde meine Kinder nie als einfach bezeichnen, das würde ihnen nicht gerecht werden. Auch Quinn nicht, die wirklich sehr genügsam ist… Meine Mutter sagt, ich sei “sehr gut zu haben” gewesen. Kann das wirklich sein?
Wie kann es sein, dass das so unterschiedlich empfunden wird?
Und zudem hat die Tatsache, wie leicht oder schwer man sein Leben mit Kindern findet, sicherlich auch mit dem eigenen Charakter zu tun. Wie belastbar ist man? Ist man eher Optimist oder eher Pessimist? Die Herangehensweise ist oft die halbe Miete. Die eine frischgebackene Mutter sagt: “Die Nächte sind total in Ordnung, ich muss nur zwei bis drei Mal stillen”, die andere stöhnt: “Ich schlafe nie mehr als drei Stunden am Stück!” – in genau der gleichen Situation.
Ich würde mich eigentlich als recht belastbar beschreiben. Und bei mir war auch nicht immer alles leicht im Leben, mich haben die Kinder also nicht völlig aus der Bahn geworfen, ich musste schon vorher viele Hürden meistern. Und auch wenn ich immer sehr ehrlich bin, würde ich mich definitiv nicht zu den ewig Jammernden zählen, über die Katharina mal geschrieben hat. Im Gegenteil, ich versuche immer das Schöne am Familienleben zu sehen. Den Zusammenhalt, die Liebe, die Erfüllung. Wenn man mich fragt, wie es uns so geht, sage ich eigentlich immer: “Mittlerweile kommen wir sehr gut klar”. Ich finde es auch angenehmer, wenn Eltern im Small Talk behaupten, alles sei easy. Angenehmer, als wenn immer nur gemeckert wird, oder wenn sofort private Details ausgeplaudert werden. Dennoch:
Vieles, aber einfach nicht.
Kinder haben war und ist vieles für mich: bereichernd, erfüllend, anstrengend, kräftezehrend. Ich wusste wenig über mich, bevor ich Kinder hatte. Erst jetzt merke ich, was ich alles aushalten kann und was eben nicht. Ich lerne jeden Tag dazu. Über mich, über Erziehung, über die Eigenheiten meiner Kinder, über die Dynamik in der Beziehung mit meinem Mann. Jede Krankheit, jeder kleine Unfall, jede Extremsituation schockt mich erstmal, schubst mich raus aus der Comfort Zone, aber immer wieder wachse ich daran. Letzte Woche bin ich zum Beispiel die Treppe runtergefallen mit Quinn in der Trage, um Gottes Willen, war das ein Schock. Die Freundin, die dabei war, nannte es einen “Mama-Herzinfarkt”, und von denen haben wir alle ja wohl schon einige gehabt, oder? Aber auch der Alltag schafft mich, ich finde es so anstrengend, alles unter einen Hut zu bekommen und dabei den Humor zu behalten! Und damit meine ich nicht, die Super Karriere und die perfekt geputzte Wohnung, damit meine ich lediglich, es zu schaffen, dass alle satt, einigermaßen sauber und einigermaßen zufrieden sind und nicht völlig im Chaos versinken.
Die Kinder bringen mich immer wieder in Extremsituationen. Es ist nie langweilig und das wird es wohl eine ganze Weile nicht mehr sein. Es ist aufregend, lustig, traurig, besorgniserregend. Es ist schlaflos und permanent, voller schlechtem Gewissen und dann auch mal wieder gefüllt mit positiven Gefühlen. Es ist voller Liebe und voller Sorgen. Manchmal flutscht es auch, alle sind glücklich und das Kind oder die Kinder laufen so nebenher, ganz organisch. Bis dann wieder eines krank wird, eine Wachstusmsphase hat, bis der nächste Job kommt, der mich zusätzlich zu den Kindern fordert, oder der nächste Zahn oder der nächste Konflikt mit dem Mann. Also: Es ist fast immer schön und das wird es hoffentlich auch bleiben. Aber es gab und gibt immer Höhen und Tiefen. Es war und ist eine Herausforderung.
Und “einfach” war es eigentlich fast nie!
Wie geht es euch da? ist Kinderhaben “einfach” für euch? Sagt ihr, dass alles easy ist, wenn ihr gefragt werdet?
PS: Foto aus Formentera. Zwei Babies erschienen uns jetzt tatsächlich ziemlich easy ;)