Mein Körper. Eineinhalb Jahre nach der Geburt.
Es war neulich Abend in einer Bar. Ein gemütlicher Abend mit einer Freundin, dazu die geliebte Weinschorle und schöne Gespräche. Nach einer Weile kommen wir mit unseren Tischnachbarn ins Gespräch, direkt ist es lustig und obwohl ich froh bin, das Thema „Mutter sein“ auszublenden, quatsche ich nach ein paar Minuten mit einem der Jungs doch über genau das Thema. Er selber hat einen einjährigen Sohn und wir zeigen uns stolz die Kinderfotos auf dem Handy des Anderen. „15 Monate!?“, fragt er noch mal erstaunt nach. Ich nicke. „Und dann bist du schon wieder so schön schlank, wow!“ Was zwar ein oberflächliches, aber eigentlich nur nett gemeintes Kompliment von einem symphatischen Fremden ist, stößt mir irgendwie komisch auf. Warum? Weil ein schlanker „Mutterkörper“ nicht automatisch auch ein gesunder oder glücklicher Körper sein muss. Unter meinen Klamotten versteckt sich einiges Neues und an manchen Tagen sogar so was wie Scham. Danke fürs Kompliment, aber ich fühl’s nicht.
Bin ich schon wieder die „Alte“?
Früher habe ich immer gedacht dass ich aufgehen werde wie eine Tonne, wenn ich jemals schwanger werden würde. Ich war nie dick, aber konnte spätestens nach Ablauf der Pubertät auch nicht einfach essen soviel ich wollte, wenn ich schlank bleiben wollte. Eine Schilddrüsenunterfunktion zum 25. Geburtstag macht das Ganze nicht einfacher. Zu meiner großen Überraschung nahm ich schlussendlich jedoch in der Schwangerschaft nur 10 Kilo zu. Sport, nicht „Essen für zwei“ und außerdem eine Körpergröße von 1,56cm machten das Ganze dann doch irgendwie recht einfach. Wenige Wochen nach der Geburt war das alte Gewicht wieder erreicht und somit auch für jedermann sichtbar, dass ich offensichtlich wohl wieder „die Alte“ bin. Puh, Glück gehabt, oder? Hatte ich doch früher immer gedacht, dass ungeliebte Kilos die einzige Veränderung und somit auch Sorge nach der Geburt sein kann, zumindest was den eigenen Körper angeht. Was soll mir denn jetzt noch schlechte Laune machen? Ohhh, ich hatte ja keine Ahnung!
Ciao Brüste, hello komische Narbe!
Durch das viele abpumpen in den ersten Monaten (Monsieur wollte partout nicht aus der Brust trinken) und einer Schilddrüse, die sich nun plötzlich von lahmarschig in hyperaktiv verwandelt hatte, purzelten die Kilos schneller als ich oben wieder nachfüllen konnte. Was dazu führte, dass der doch immer sehr runde Po nun nicht mehr besonders rund ist, sondern mich an an den einer alten Frau erinnert. Ihr wisst schon, die die man am Strand oder im Schwimmbad sieht. Ok, vielleicht übertreibe ich an der Stelle ein bisschen – aber ich bin noch viele, viele Squats vom alten Booty entfernt. Und was habe ich während der „Still“-Monate doch über meine viel zu großen Brüste geschimpft. Scheinen sie mitbekommen zu haben. Und sie haben mir ohne mit der Wimper zu zucken, so richtig den Mittelfinger gezeigt. Und zwar direkt nach dem „Abstillen“. Von 100 auf null, sozusagen. Trauriger geht’s kaum. Stört mich an den meisten Tagen nicht. Wenn ich mir aber wirklich mal die Zeit nehme und nackt vor dem Spiegel stehe, dann löst das doch ein sehr wehmütiges Gefühl in mir aus. Klar, sind nur Brüste und ja, ich bin froh, dass ich das Abpumpen so lange durchgezogen habe, obwohl es so unangenehm war. Aber ohne stützenden BH machen die hängenden Mini-Tittis absolut nichts mehr her. Und das Unangenehmste befindet sich noch eine Etage tiefer – meine Kaiserschnittnarbe. Ich versuche, ihr nach wie vor noch etwas Zeit zu geben, zeige Geduld und versuche nicht allzu streng mit ihr zu sein. Aber jetzt mal ehrlich; „Ist das dein Ernst? Warum denn so knubbelig und wulstig? Nimm dir doch bitte ein Beispiel an anderen Narben und zwar die hellen, glatten, weichen. Kriegen wir das bitte so noch hin?“
Ja na klar, sie gehört jetzt zu mir und ich bin mehr als happy, dass es heute Möglichkeiten gibt, bei komplizierten Geburten eingreifen zu können. Und es ist ja auch nicht so, als wäre der Schambereich einer, den man täglich öffentlich präsentiert, aber dennoch stören mich der Anblick und die Haptik schon sehr. Gerade probiere ich Narbenpflaster aus, die sehr wahrscheinlich rausgeschmissenes Geld waren und liebäugle stattdessen mit einer Laserbehandlung. Die wurde mir von meiner Hautärztin bei meinem letzten Hautkrebs-Screening liebevoll ans Herz gelegt, als sie mich nackt sah und meine Narbe auch eher für unschön notierte. Ungefragt. Danke für nix.
Fragt gerne ab und zu mal, wie es uns wirklich geht!
Ich höre bereits die Stimmen beim Lesen; „Sie soll sich mal nicht so anstellen: kleine Brüste, unschöne Narbe, alles halb so wild, dafür hat sie ein gesundes Kind!“ Und wie recht ihr habt! Natürlich würde ich noch zehn weitere Narben in Kauf nehmen, um so ein tolles Kind meins nennen zu dürfen. Aber trotzdem darf ich mich ab und zu unwohl fühlen und die Veränderungen wahrnehmen. Besonders neulich, als ich endlich mit einer Freundin den Hamam-Gutschein eingelöst habe und wir uns einen entspannten, nackten Tag unter Frauen gemacht haben. War es früher die Rolle am Bauch die mich gestört hat, sind es eben jetzt die hängenden Brüste und das Gemetzel im Schambereich. Daran muss ich auch die ganze Zeit denken, während ich dort nackt liege und massiert werde. Ich wünsche mir einen Bikini herbei. Richtig Entspannung ist leider nicht.
Die „Mängelliste“ ist bestimmt bei jeder Mutter anders: Schwangerschaftsstreifen, schwaches Bindegewebe, ungewünschte Warzen, dünne Haare, schlechte Haut – und und und. Mal abgesehen von den ständigen Rückenschmerzen und einem Körper, dem es anfänglich an einer starken Mitte fehlt. Ich nähere mich wieder meinem alten Ich, mit dem Bewusstsein dass so manches anders bleiben wird.
Und oft macht mich das stark und selbstbewusster – zumindest angezogen. Schaff ich nackt bestimmt auch noch. Aber fragt doch ruhig ab und zu mal, wie es uns wirklich geht.