„Irgendwann war klar, dass ich Partnerschaft und Kinderwunsch trennen muss.“

Sich dafür zu entscheiden, alleine ein Kind zu bekommen, erfordert viel Mut und Stärke – denn wir alle wachsen von Klein auf mit einer bestimmten Vorstellung von “Familie” auf. Gesellschaftliche Strukturen machen es Alleinerziehenden zudem nicht gerade leicht, selbst eine Samen- oder Embryospende ist nicht überall möglich für alleinstehende Frauen. Aber was, wenn ein Kinderwunsch da ist – aber kein Partner? Alexandra* hatte lange den Wunsch, ein Kind in einer romantischen Beziehung zu bekommen. In ihren letzten Partnerschaften bestand jedoch kein Kinderwunsch auf  beiden Seiten, was immer wieder zu Konflikten und letztlich zur Trennung führte. Heute lebt Alexandra als Solomama by choice mit ihrem dreijährigen Sohn zusammen und ist sehr froh, diesen Weg gegangen zu sein. Für sie war es erleichternd, den  Kinderwunsch nicht mehr von einer stabilen Partnerschaft abhängig zu machen!

Liebe Alexandra, war es für Dich immer klar, dass du einmal Kinder haben möchtest?

Ja, ich habe mir immer Kinder gewünscht, auch wenn ich keinen festgelegten Zeitpunkt im Kopf hatte. Um es anders zu sagen: Ich habe mein Leben nicht vorrangig danach ausgerichtet,  den richtigen Mann zu finden, um ein Kind zu bekommen. Es ist dann häufig so gekommen, dass meine jeweiligen Partner diesen Wunsch nicht oder nicht gleichermaßen geteilt haben. Ich habe lange daran festgehalten, dass ein Kind aus einer partnerschaftlichen Liebe entsteht und somit hat sich das Kinderthema immer weiter nach hinten verschoben. Als ich mich zuletzt getrennt habe, war ich schon 42 Jahre und ich wusste, das ist die letzte Chance: Das war der Moment, an dem ich Partnerschaft und Kinderwunsch trennen musste.  

Diese Entscheidung war ja sicher ein Prozess, wie war der Weg dorthin emotional für Dich?

In meinen letzten beiden Beziehungen war es auf jeden Fall immer ein Konfliktthema und mit meinem Exfreund, mit dem ich über fünf Jahre zusammen war, hat dieses Thema letztlich auch zur Trennung geführt. Das war natürlich sehr traurig. Rückblickend kann ich aber auch absolut verstehen, dass es keinen Sinn macht, ein Kind Partner oder der Partnerin zuliebe zu bekommen. Ich hätte mir auch vorstellen können, trotzdem zusammen zu bleiben, aber das wollte er nicht. Als ich mich dann dazu entschlossen hatte, den Kinderwunsch nicht mehr von einer stabilen Partnerschaft abhängig zu machen, hat mir das tatsächlich ein Gefühl von Selbstbestimmtheit gegeben. Ab dem Moment konnte ich mich nur noch auf den Kinderwunsch konzentrieren, war nicht mehr auf der Suche nach dem passenden Partner. Das hat sehr viel Erleichterung mit sich gebracht.

Welche Möglichkeiten, Mutter zu werden kamen für dich in Frage?

Ich habe meines Wissens wirklich über ALLE Möglichkeiten nachgedacht. Mein erster Gedanke war, ein Kind zu adoptieren oder ein Pflegekind aufzunehmen. Da Adoption in Deutschland aber als alleinstehende Frau nicht einfach ist und ab 40 Jahren erst recht nicht, kam diese Option für mich nicht mehr in Frage. Über ein Pflegekind habe ich auch nachgedacht, aber Pflegekinder bringen ja oft eine besondere Geschichte mit und brauchen mehr Unterstützung, wovor ich als Alleinerziehende sehr viel Respekt hatte. Letztlich habe ich mich dann, auch aufgrund meines Alters, für eine Embryonenspende in Spanien entschieden, da diese in Deutschland für alleinstehende Frauen nicht möglich ist.

Es wird alleinstehenden Frauen mit Kinderwunsch vor allem ab 40 Jahren nicht leicht gemacht. Wie hat dein Umfeld auf deine Entscheidung reagiert?

Meine besten Freundinnen und meine Mutter haben mich emotional sehr unterstützt, was unheimlich wichtig für mich war. Meine Mutter hat gesehen, wie dringlich mein Wunsch ist und fand die Vorstellung natürlich auch schön, ein Enkelkind zu haben. Klar kamen in Gesprächen auch Fragen auf, die ich mir selbst gestellt habe: Wie erkläre ich das meinem Kind? Ist es zu verantworten, dass das Kind ohne Vaterperson aufwächst? Und so weiter. Generell kann ich aber sagen, dass mein Umfeld wirklich sehr unterstützend und positiv reagiert hat. Meine Freundinnen haben zum Beispiel ein kleines Fest für mich ausgerichtet, bevor ich die Embryonenspende in Spanien erhalten habe. All das hat mich total bestärkt.

Wie lief das in Spanien ab? Hast Du das alleine gemacht oder hat dich jemand begleitet?

Für den sogenannten Transfer hat mich eine meiner besten Freundinnen begleitet. Der Embryo wurde mir in einer Fertilitätsklink in Barcelona eingesetzt. Es ist eine anonyme Spende, sie war von einem anderen Fertilitätsverfahren übrig geblieben, deshalb ist es für mich in gewisser Weise auch eine Adoption. In der Klink in Spanien kam ich mir tatsächlich etwas vor, wie in einem Almodovar Film! Umgeben von lauter Frauen, die diese Art des Kinderbekommens befürworten – das hat sich total gut angefühlt. Zugleich war es irgendwie surreal und ich habe mich danach sehr fragil gefühlt und die ganze Zeit gedacht: „Jetzt darf ich bloß nichts falsch machen.“ Das Arbeiten und der Alltag in Berlin haben mich zum Glück etwas abgelenkt. Meine Frauenärztin hier wusste auch davon und hat mich wie jede andere Schwangere betreut.

Dein Sohn ist inzwischen drei und die Frage nach seinem Papa kam sicher schon auf, oder?

Ja, er hat schon nach seinem Papa gefragt und ich bin eigentlich sehr froh darüber, wenn das Thema aufkommt, denn es soll kein Tabuthema sein. Es ermöglicht mir, ihm seine Geschichte zu erzählen.  Ich bin auch in Kontakt mit einer Familientherapeutin, um diesen Prozess zu begleiten. Sie hat sich auf diese Thematik spezialisiert und auch ein Kinderbuch zum Thema Embryonenspende herausgegeben. Das hilft uns sehr, denn in den gängigen Büchern und Geschichten gibt es natürlich immer Mama, Papa, Kind. Wenn er deshalb traurig ist, hat sie mir geraten,  klar zu sagen: „Einen Papa kann ich dir nicht geben, aber was können wir sonst machen, damit es Dir besser geht?“  Ich versuche außerdem, immer den Blick auf die Vielzahl der Personen zu lenken, die es in unserem Umfeld gibt und ihm nicht das Gefühl zu geben, dass etwas fehlt.

Ich finde es toll, wie offen Du damit umgehst und glaube am Ende ist das, was Kinder brauchen vor allem Bezugspersonen, die für sie da sind und sie lieben.

Mir ist es wichtig, authentisch zu sein und zu sagen: „Das ist der Weg, den ich gegangen bin und ich stehe dazu.“ Ich bin mir aber auch sicher, dass es irgendwann ruckeln wird, aber ich möchte von Anfang an transparent sein, damit es nicht zum Vertrauensbruch kommt.  Deshalb erzähle ich zum Beispiel auch anderen Eltern in seiner Gegenwart davon und vernetze mich mit anderen Solomüttern. Wichtig für mich ist, unser Modell gleichwertig zu den anderen Modellen zu präsentieren, denn am Ende ist ja die Wertigkeit das Problem. Es gibt das Idealbild der heteronormativen Kleinfamilie – aber ist es wirklich besser, Mama und Papa zu haben, wenn sie sich zum Beispiel nicht verstehen?  

Welchen Klischees und Vorurteile begegnest Du?

Worüber ich viel nachdenke ist das Bild der Alleinerziehenden, weil man dann immer gleich an eine überforderte, verlassene Frau denkt. Ich wehre mich gegen dieses Klischee. Ich höre sehr oft den Satz: „Toll, wie Du das alles schaffst!“, der gut gemeint ist, aber mir oft zu viel ist, denn ich habe mir das ja selbst so ausgesucht. Zugleich muss ich lernen, es mir selbst zuzugestehen, mich auch mal beschweren zu dürfen. Generell denke ich natürlich, dass gesellschaftliche Strukturen familienfreundlicher werden müssen, nicht nur für Alleinerziehende. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ja ein Paradox. Klar, bin ich oft krank, weil mein Sohn krank ist und kann keine Führungsrolle erfüllen, auch wenn ich es vielleicht gerne würde. Aber vom Arbeitgeber sind dafür permanenter Einsatz und Anwesenheit vorgesehen.

Ein Kind zu bekommen ist ja immer etwas, das man sich vorher absolut nicht vorstellen kann. Aber kannst du dennoch sagen, ob das alleine für ihn da sein sehr anders ist, als Du es Dir vorgestellt hast?

Das ist eine schwierige Frage, weil ich keine Vergleichsmöglichkeit habe. Ich habe aber auch viel Unterstützung gehabt, z.B. durch meine Mutter oder eine Haushaltshilfe von der Krankenkasse, die nach der Geburt für drei Monate da war.  Aber ja, natürlich ist es oft anstrengend und wir unternehmen sicher auch weniger als andere, weil mir dafür oft die Energie fehlt, aber ich denke am Ende ist das für ihn nicht das Entscheidende, ob wir jetzt auf diesem oder jenen Spielplatz sind. Was mich eher bedrückt ist manchmal der Gedanke, dass ich sehr auf mich aufpassen muss, weil er nur mich hat. Zugleich merke ich, dass Vieles leichter wird und ich bin ich sehr dankbar für unser Umfeld hier, unser Kita-Netzwerk, Freund_innen, den Friseurladen unten im Haus: Wenn ich mit vollen Einkaufstaschen nach Hause komme, kann mein Sohn dort unten auf dem Sofa sitzen und auf mich warten, das macht einen großen Unterschied!

In meinem Umfeld gibt es Frauen, die Mitte 30 sind und gerne ein Kind hätten, aber nicht den passenden Partner.  Was würdest Du ihnen raten?

Ganz ehrlich, wenn ich nochmal Mitte 30 wäre und Wahl hätte, würde ich mich dafür entschieden, meine Eizellen einfrieren zu lassen – aber das ist rückblickend meine persönliche Einschätzung. Generell kann ich es total verstehen, dass die meisten Frauen den Wunsch haben, ein Kind in einer Partnerschaft zu bekommen. Falls sich aber abzeichnet, dass dies nicht realisierbar ist, gibt es Wege und Möglichkeiten. Ein Tipp, den ich auf jeden Fall geben kann, ist sich zu vernetzen – es tut immer sehr gut, sich mit likeminded people zu umgeben. Sich nicht alleine zu fühlen und zu sehen, dass andere sich ebenfalls für diesen Weg entscheiden, hilft sehr.

Vielen Dank und alles Gute für euch!

*Name von der Redaktion geändert

Photo: Sai De Silva