Let’s talk about: Social Freezing

Jedes Jahr entscheiden sich in Deutschland tausende Frauen dafür, ihre Eizellen einfrosten zu lassen. Im Fachjargon nennt man das „Kryokonservierung“. Zunächst wurde das Verfahren vor allem von krebskranken Frauen genutzt, die vor ihrer Therapie ihre Eizellen entnehmen und einfrieren lassen. Denn die aggressive Chemo- und Strahlentherapie kann zu Unfruchtbarkeit führen.

„Medical Freezing“ nennt man das; seit 2012 ist es etabliert und wird weltweit genutzt. Etwa um die gleiche Zeit entwickelte sich „Social Freezing“: Hier lassen sich gesunde Frauen Eizellen entnehmen, diese kommen dann ebenfalls in ein Kühlfach. Ihre Gründe sind mannigfaltig. Viele sind Singles und haben noch nicht den passenden Vater zum Kind gefunden, einige wollen erstmal ihre beruflichen Wünsche erfüllen, ehe sie eine Familie gründen möchten und wieder andere wollen einfach nur vorsorgen.

Seit es „Social Freezing“ gibt, steht es auch in der Kritik. Vor allem kirchliche Verbände üben diese. In der Bevölkerung ist “Social Freezing” jedoch weitgehend akzeptiert. Zuletzt konnte man lesen, dass 46% der Frauen in Deutschland Social Freezing für eine gute Lösung hielten. Bezahlen müssen sie diesen Eingriff jedoch bislang selbst. Nur in Ausnahmefällen übernimmt die Kasse die Kosten, etwa vor keimzellschädigenden, medizinischen Behandlungen.

Barbara ist eine der Frauen, die sich dazu entschieden hat, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Im Interview erzählt sie uns ihre Beweggründe, wie das Verfahren ablief und was es sie gekostet hat.

Liebe Barbara, hab vielen Dank für deine Geschichte und deine Offenheit! Bevor wir aber zum eigentlichen Thema kommen, erzähl doch erst mal kurz etwas über dich!
Ich bin kürzlich 40 geworden und arbeite in der Kulturbranche. Ich lebe allein, habe keine Kinder – bin aber in einer Fernbeziehung. Mein Freund ist Engländer und wir sehen uns alle paar Wochen für ein paar Tage. Es ist nicht geplant, dass zeitnah einer von uns zum anderen zieht. Kinder werde ich mit ihm nicht haben. Er hat bereits ein Kind und hat vor Jahren eine Vasektomie durchführen lassen. Der Nachwuchsgedanke ist also bei uns kein Thema.

Aber du hast vor ein paar Jahren deine Eizellen einfrieren lassen?  
Ja. Ich war 33, als ich das habe machen lassen. Das Ganze zog sich dann über zwei Jahre. Ich war zu der Zeit in einer anderen Partnerschaft, aber auch da war mir von Anfang an klar: Das ist kein Mann, mit dem ich Kinder bekommen werde. Auch weil er deutlich älter als ich war. Daher war ziemlich sicher, dass wir nicht ewig zusammenbleiben würden. Und ich wusste einfach nicht, ob ich nicht mit Ende 30, Mitte 40 vielleicht doch den Wunsch nach einem Kind entwickle, weil ich den passenden Partner dafür gefunden habe… Ich habe schon oft in meinem Leben gedacht: Das ist nichts für mich – und zwei, drei Jahre später sah alles ganz anders aus. Deshalb habe ich mich zu diesem Schritt entschlossen. Mich hat der Gedanke, eine kleine „Absicherung“ für den „Notfall“ zu haben, total beruhigt und entspannt. Denn wenn eine Frau mit 40 jemand Neues kennenlernt, ist das Zeitfenster, ein Baby zu bekommen, sehr klein und der Körper funktioniert bekanntlich nicht mehr so verlässlich, wie der einer 20-Jährigen.

Nun ist das Ganze nicht wirklich günstig…
Das stimmt. Ich habe etwa in Summe 5000 Euro bezahlt – für zwei Entnahmen nach zwei Zyklen. Die Krankenkassen beteiligen sich nicht daran. Ein paar Jahre zuvor hätte ich mir das nicht leisten können. Aber ich hatte zuletzt gut verdient und konnte mir einiges ansparen. Einen Kredit hätte ich dafür niemals aufgenommen. Ich hätte auch nie jemanden dafür angepumpt. Es war mein eigener kleiner Luxus für den inneren Seelenfrieden.

Ich habe gelesen, dass schon eine Entnahme 3000 bis 4000 Euro kostet!
Eigentlich wäre das Ganze auch teurer gewesen. Ich hatte aber von meiner Ärztin den Tipp bekommen, mir die Medikamente, also die Hormone, im Ausland zu kaufen. Dort sind sie teilweise erheblich billiger als hier. So habe ich sicher ca. 1000 bis 1500 Euro gespart. Für den ersten Zyklus hab ich mir die Medikamente aus meinem Portugal-Urlaub mitgebracht. Das war etwas kompliziert, weil man die ja die ganze Zeit kühl halten muss. Für den zweiten Zyklus habe ich sie mir dann in den Niederlanden online bestellt.

Diese Medikamente sind absolut notwendig?
Ja, das sind sie. Man regt damit das Eizellenwachstum an. Ohne hormonelle Stimulation würde der Körper zu wenige Eizellen produzieren. Da würde eine Entnahme nicht lohnen. Frauen, die eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen, machen im Grunde das Gleiche – nur, dass meine Hormonzufuhr deutlich geringer war. Man spritzt sich lediglich 10 bis 12 Tage lang.

Hat dich die Hormoneinnahme körperlich beeinträchtigt?
Eigentlich nicht – außer, dass mein Unterleib sich am Ende riesig angefühlt und gedrückt hat. Das war aber alles aushaltbar und vergleichsweise harmlos.

Wie viele Eizellen konnten dir entnommen werden?
Es waren am Ende in Summe 36 Eizellen. Das war ein ganz guter Schnitt, meinte zumindest meine Ärztin.

Und wo hast du das Ganze machen lassen?
Ich bin dafür in eine Kinderwunschklinik. Was etwas absurd ist – weil ich dort mit Frauen im Wartezimmer saß, die keine Kinder bekommen können. Da kam ich mir schon etwas fehl am Platz vor. Ich hatte mir zuvor zwei andere Praxen angeschaut – aber da habe ich mich nicht wohl gefühlt. Die erste Ärztin hat mir klar zu verstehen gegeben, wie unmoralisch sie meinen Wunsch findet. Der zweite Arzt war mir zu halbseiden. Der wirkte so, als würde er mir alles spritzen, Hauptsache, er verdient dran. In der dritten Praxis hab ich mich dann aber gut aufgehoben gefühlt.

Wie läuft die Entnahme der Eier ab?
Man bekommt eine leichte, etwa zwanzigminütige Vollnarkose. Die Eier werden dann mit einer dünnen Nadel durch die Vagina abgesaugt. Das dauert ca. zehn Minuten. Im Grunde ist das kein großer Eingriff. Aber da ich zu einem niedrigen Blutdruck tendiere, hab ich doch zwei, drei Tage gebraucht, um mich von dem Eingriff und vor allem von der Narkose wieder zu erholen.

Ich hab gelesen, dass die Rate der erfolgreichen Schwangerschaften nach künstlicher Befruchtung gar nicht so hoch ist. War dir das damals bei deiner Entscheidung bewusst?
Ich kannte keine genauen Zahlen, aber die Ärzte haben mir schon erklärt, dass das eine zusätzliche Möglichkeit ist, jedoch kein Garant. Bei mir hat der psychologische Aspekt eine größere Rolle gespielt: Ich hatte danach das Gefühl, so gut vorgesorgt zu haben wie möglich. Und das hat total den Druck aus meinem Leben genommen. Ich hatte mich bis dahin so gehetzt gefühlt – nach dem Motto: Wenn ich Kinder will, muss ich JETZT nach dem passenden Mann suchen, denn das dauert ja dann auch seine Zeit. Und je älter man wird, umso länger… Diesen Kopfstress hatte ich dann urplötzlich nicht mehr.

Mit dem Einfrieren der Eier hab ich diese Entscheidung – Kinder ja oder nein – einfach um ein paar Jahre vertagt. Und das hat mich extrem entspannt.

Das heißt, du bereust es auch heute nicht, dieses Geld investiert zu haben?
Nein, absolut nicht. Andere kaufen sich einen Gebrauchtwagen oder fahren in den Urlaub – ich habe mein Geld so angelegt. Und es fühlt sich noch immer richtig an. Mir ist vollkommen bewusst, dass das nicht jeder versteht oder gutheißt. Aber das ist okay.

Wo sind deine Eizellen jetzt?
Sie liegen in einem Kühlfach in der Praxis, die diese Eingriffe durchgeführt hat. Ich zahle dafür jährlich eine Art Miete. Pro Halbjahr kostet mich das Gefrierfach 166 Euro. Das ist schon ordentlich.

Hühnereier verfallen irgendwann. Wie ist das mit deinen Eizellen?
Die halten schon länger – zumindest deutlich länger, als ich bereit und in der Lage wäre, sie zu nutzen. Sie sind ja eingefroren und können so eine ziemlich lange Zeit überdauern. Mein Plan war aber nie, sie dort 20 Jahre lang einzulagern und dann mit 55 zu entscheiden: So, nun lass ich sie mir einsetzen. Mir ging’s eher um einen Zeitraum von 10 Jahren.

Du bist nun 40. Was machst du in drei, vier Jahren mit den Eiern?
Sollte ich sie nicht doch noch selbst verwenden – wonach es augenblicklich nicht aussieht – muss ich sie vermutlich entsorgen. Denn leider erlaubt Deutschland keine Eizellenspende. Dabei wäre mir das eigentlich das Liebste: Sie einer Frau zu überlassen, die sich damit ihren Kinderwunsch erfüllen kann.

Was müsste passieren, damit du sie doch noch selbst verwendest?
Schwer zu sagen… In meiner aktuellen Situation kann ich mir nicht vorstellen, ein Kind zu bekommen. Zum einen, weil es mit meinem Beruf wirklich schwer vereinbar ist. Ich arbeite vor allem abends und nachts und am Wochenende. Ich müsste mir also einen anderen Job suchen, was mir sehr schwer fallen würde, da ich hart gekämpft habe, um dort hinzukommen. Und weil mich mein Beruf sehr erfüllt. Zum anderen fehlt mir der passende Partner: Wenn ich einen Mann hätte, der einen Großteil der Care-Arbeit übernehmen würde, während ich arbeite – dann würde es vielleicht gehen. Ich denke, wenn ich so einen Mann getroffen hätte, wäre mein Leben anders verlaufen. Dass das in den nächsten zwei, drei, vier Jahren noch passiert, ist eher unwahrscheinlich… Als alleinerziehende Mutter habe ich mich nie gesehen. Das Kinderprojekt solo anzugehen, kam und kommt für mich nicht infrage. Und auch kein so genanntes Co-Parenting, wie es heute immer mehr praktiziert wird. Was nicht bedeutet, dass ich diese Modelle kritisiere – aber ich sehe mich darin nicht.

Verstehst du die gesellschaftliche Kritik an „Social Freezing“. Nach dem Motto: Mütter, die das tun, nutzen ihr Geld, um ihre biologische Uhr zu manipulieren und lieber erst mal ihrer Karriere nachzugehen…
Teilweise. Ich verstehe den Ansatz der Kritik, dass man die Natur nicht immer der Karriere unterordnen kann. Und auch den Gedanken, dass man nicht alles haben kann. In den vergangenen Jahren habe ich es aber mehr und mehr als mein legitimes Recht auf Selbstbestimmung begriffen. Auch die Pille, jede Form der Verhütung, ist legitime Familienplanung. Sehr wenige Menschen, höchstens strenggläubige Katholiken, überlassen den Zeitpunkt für ein Kind komplett dem Zufall. Ich würde sagen: Die allermeisten Frauen, die Eizellen einfrieren lassen, haben sehr verständliche persönliche Beweggründe. Als ich das damals gemacht habe, habe ich mich ein bisschen geschämt – heute betrachte ich das viel feministischer und sehe es als körperliche Selbstbestimmung, die mir dank des medizinischen Fortschritts ermöglicht wurde.
Und außerdem: Wären die Arbeitsmodelle heute deutlich familienfreundlicher, würden viel weniger Frauen den Weg des „Social Freezing“ gehen. Nämlich dann, wenn sie trotz Kind Karriere machen könnten – so wie es für Männer völlig selbstverständlich ist. Aber davon sind wir, trotz aller Fortschritte, immer noch weit entfernt. Apple und Facebook bieten ihren Mitarbeiterinnen finanzielle Unterstützung an, sollten sie sich für eine Kryokonservierung entscheiden. Nach dem Motto: Widmet euch lieber der Karriere und vertagt euren Kinderwunsch. Diesen Ansatz finde ich total falsch. Besser wäre es doch, Mütter viel flexibler und mit mehr Unterstützung arbeiten zu lassen. Aber keine Ahnung, ob wir da jemals hinkommen…

Danke!

Titelfoto: Amr Serag