Der beste Grund, nicht zu schimpfen
Dann gibt es noch Mama, nicht schreien! Darin sind auch viele Übungen und Notfallhilfen enthalten, ehrlicherweise stört mich nur der Titel – als ob Mütter alleine erziehen würden bzw.Väter nicht schreien würden… Und natürlich Die Schimpf-Diät von unserer geschätzten Kollegin Daniela Gaigg aka Die kleine Botin.
Ich finde das eine gute Sache, denn es ist ja selten so, dass man ein Kind schimpft oder anmeckert und es direkt danach sagt: “Ah, okay, dann mache ich das jetzt so” und alle fühlen sich gut. Meistens kommt man schimpfend überhaupt nicht an die Kinder ran und alle fühlen sich schlecht, weil es so schlechte Energie verbreitet. Plus: Manche Kinder nimmt “geschimpft werden” auch richtig mit, sie zweifeln dann an sich selbst und an allem UND: meistens, ganz oft, ist Schimpfen und Meckern ja einfach ein Ausdruck von genereller Überforderung und die sollte man versuchen, nicht an den Kindern auszulassen.
Aber für mich gibt es noch einen anderen, ganz wichtigen Grund, der mich oft dazu verleitet, nicht zu schimpfen: Mein großes Kind ist jetzt sechs Jahre alt und ich denke, ich kann guten Gewissens behaupten, dass wir ein sehr gutes Verhältnis haben. Das merke ich nicht täglich und andauernd, nicht wenn er “doofe Mama” sagt oder das Essen, das ich ihm liebevoll gekocht habe, verweigert. Aber ich merke es zum Beispiel daran, dass er mir ALLES erzählt. Er erzählt mir von Ängsten und Freuden, von Streichen und Geheimnissen. Von Spielwelten, von Wünschen. Er teilt wirklich viel mit mir und ich bin jedes Mal, wenn er so offen mit mir spricht, SO dankbar und voller Liebe.
Ich vermute, er macht das, weil wir uns schon immer sehr nah waren; weil er generell eher ein offener Typ ist, der über die Dinge spricht und nichts in sich reinfrisst (manche Kinder machen das ja schon früh und ich denke, es ist wirklich Charaktersache!), aber auch weil er mir vertraut und weil ich eben meist nicht schimpfe, auch wenn er Mist gemacht hat. Er vertraut mir Geheimnisse an und auch Dinge, die er gemacht hat, die eigentlich nicht okay sind. Das weiß er dann auch und ich sage dann auch: Na, na, na! Aber ich lache dabei und er dann auch. Jedes Kind macht ja mal Mist, das wird auch so weiter gehen – und es ist mir aber wirklich lieber, wenn mein Kind mir das dann erzählt, als wenn es das heimlich macht.
Eine Beispiel-Situation: ich sitze mit ein paar Freunden bei uns in der Küche, die Kinder spielen friedlich und der Sohnemann kommt lausbubisch zu mir und sagt: “Mama! Ich hab deine ganze Schokolade aufgegessen, die hattest du auf dem Sofatisch vergessen, hihi!” Ich: “Aber, das war doch Bitterschokolade!”. Er: “Ja, aber ich hab sie trotzdem gegessen, hihi!”: Ich: “Und wo hast du das Papier hingetan?” Er: “Unter mein Bett!” Ich: “Räum das bitte in den Müll, okay?” Hat er gemacht.
Meine Freunde sagten: Du hast ja gar nicht geschimpft! Und ich denke in solchen Situationen dann auch manchmal: hätte ich jetzt schimpfen sollen? Aber, come on! Er ist ein Kind, ich hätte die Schokolade auch gegessen in seiner Situation. Er hat es mir erzählt und wenn ich immer schimpfe, dann erzählt er mir irgendwann solche Sachen vielleicht nicht mehr und das wiegt für mich viel schwerer, als dass er ab und zu kindliche Sachen macht, die nicht okay, aber auch nicht so wild sind.
Also: ich schimpfe selten – NIE wäre jetzt echt übertrieben, auch die oben genannten Bücher liegen bei mir rum, ich kann da durchaus noch an mir arbeiten – obwohl ich mir ein Familienleben ohne Emotionen auch gruselig vorstelle, manchmal wird man eben laut… Aber Dauergemeckere macht schlechte Laune und vor allem würde ich, wenn ich wirklich konstant streng wäre, fürchten, dass mein Kind mir dann nicht mehr vertraut oder Angst hat, zu mir zu kommen. Mir ist eine gute Beziehung viel wichtiger, als in allen Situationen meine erwachsene Position auszuspielen, um meinem Kind zu erklären, was richtig und was falsch ist. Das weiß er ja eigentlich eh schon – ganz ohne Schimpfen, einfach weil man das im Laufe der Zeit lernt…
Was meint ihr? Könnt ihr das nachvollziehen?