50/50 Paare: Natacha und Alex
Erzähl uns doch mal ein bisschen was über eure Jobs!
Mein Mann Alex und ich haben vor knapp 10 Jahren das Unternehmen erdbär mit der Marke Freche Freunde gegründet und arbeiten seitdem mit einem stetig wachsenden Team von mittlerweile über 80 Mitarbeitenden als Geschäftsführende. Anfangs haben wir beide alles gemacht und auch unsere paar Mitarbeitenden waren Allrounder. Aus meiner Hand stammten das Design und die Marketing-Ideen, Alex hat sich mehr auf Sales fokussiert. Unsere Rollen bei erdbär haben sich aber mit der Zeit aufgrund des Wachstums und steigender Mitarbeiterzahlen immer wieder verändert und wir haben mittlerweile gelernt, das Meiste zu delegieren. Unser Firmensystem ist auch kein klassisches Hierarchiemodell, denn wir haben unsere ganz eigene und spezielle Art von System erschaffen, angelehnt an Holokratie, die alle im Unternehmen befähigt, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu arbeiten und das macht es für uns leichter, wenn alle in den eigenen Rollen Verantwortung übernehmen.
Und wie alt sind eure Kids?
Unser Sohn Dylan ist 8 Jahre alt und unsere Zwillinge Maya und Amélie sind 5 Jahre alt. Wow! Schon 5….. ich erinnere mich noch wie heute daran, wie ich die beiden Tandem-gestillt habe…
Wie sehen eure Arbeitszeiten aus?
Alex und ich arbeiten mittlerweile beide relativ regelmäßig von 8/9 Uhr bis 16/17Uhr und müssen wirklich nur noch ab und zu zeitlich andere Termine für erdbär wahrnehmen. Wie alle im Unternehmen können auch wir flexibel und mobil arbeiten und haben somit auch einfach mal unsere Laptops und Telefone dabei. Es ist auch schon vorgekommen, dass wir unsere Familie im Ausland besucht haben, die Mäuse gerade von der Family betreut waren – und wir einfach von dort aus gearbeitet haben.
Ihr seid also ein familienfreundlicher Arbeitgeber, oder?
Würde ich schon sagen! Wir haben viele Eltern im Team, viele arbeiten in Teilzeit – und auch ein paar kinderlose Mitarbeitende sind in Teilzeit angestellt. Für alle im Unternehmen gilt das Gleiche. Und jetzt, während Corona ist ja sowieso alles ein bisschen anders… Solange die Arbeit gut gemacht wird, ist es uns egal von wo. Zeitlich können alle für sich auch flexibel arbeiten, solange gewährleistet ist, dass sie zu wichtigen Terminen erreichbar sind. Fürs Teamgefühl ist es aber auch einfach schön, mal im Büro zu sein und die Kolleginnen und Kollegen live und in Farbe zu sehen. Generell haben wir gerade die Regelung 60/40 eingeführt: 60 Prozent der Woche im Büro und 40 Prozent im mobilen Arbeiten ist voll ok. Das sind aber Richtwerte und läuft alles auf Vertrauensbasis. Wenn mal die Kita geschlossen ist, können Kids auch mit ins Büro gebracht werden. Diese Situationen kennen wir ja selbst nur zu gut! Wir haben ein Spielzimmer im Büro und natürlich viiiiiiele Snacks. Alles, was das Leben für berufstätige Eltern eben leichter macht!
Wie habt ihr eure Woche aufgeteilt?
Wir haben keinen festen Wochenplan, aber wir planen Sonntagabend immer die kommende Woche. Wer bringt und holt an welchem Tag die Kids, wer hat Abendveranstaltungen oder ist verabredet… all das entscheiden wir jede Woche neu und sind da sehr flexibel. Aber mindestens ein paar Tage im Voraus geplant ist unser Alltag immer! Die Nächte müssen wir zum Glück nicht mehr aufteilen, die Zeiten sind vorbei. Wir legen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, keine Termine auf unsere Essenszeiten, denn das gemeinsame Frühstück und Abendessen ist uns heilig.
Wie habt ihr es in der Corona Zeit gemacht? Gab es da vielleicht auch irgendwelche Learnings?
Definitiv, denn zuhause voll zu arbeiten und nebenbei drei Kinder zu betreuen funktioniert eben nur so làlà… In so einer Ausnahmesituation den Anspruch runterschrauben und unnötige Dinge auch einfach sein lassen ist wichtig. Wir haben zum Beispiel die Zeit vor dem Aufwachen der Kids und auch die Zeit nach dem ins Bett bringen zum Arbeiten genutzt, so wie früher, als sie noch klein waren! Außerdem haben wir den Kindern immer Raum gelassen, und sie nie aus dem Flow geholt, wenn sie gerade in ein Spiel vertieft waren. Das wäre ja auch schön blöd. Die drei beschäftigen sich schon ziemlich gut alleine – und diese Zeit haben wir dann auch immer zum Arbeiten genutzt. Alex und ich haben uns zudem abgewechselt, wenn intensive Betreuung oder Homeschooling nötig war. Wir hatten aber auch sehr lustige Situationen. Zum Beispiel haben wir wöchentlich einen Morgenkreis mit dem gesamten Team (auch virtuell) und, wie bei vielen anderen Eltern auch, sind auch bei uns die Kids zwischendurch hinten durch’s Bild gehüpft oder haben mal ihren Senf dazu gegeben…. Das nimmt aber das ganze Team mit Humor!
Jetzt gehen die Kinder ja wieder in die Betreuung, von wann bis wann sind sie dort?
Dylan geht auf eine Ganztagsschule und wird jeden Tag um 16 Uhr abgeholt. Die Zwillinge sind noch in der Kita und bleiben auch so lange dort. Zwei Mal pro Woche ist unsere liebste Babysitterin am Start, holt alle drei ab und betreut sie, bis wir nach Hause kommen und gemeinsam Abendessen machen.
Welche Tools nutzt ihr für die Organisation?
Wir benutzen einen geteilten Google Kalender – für die Arbeit und unser Privatleben. Wer zuerst was einträgt, hat Vorfahrt! Ich liebe es, wenn alles, wirklich ALLES eingetragen ist. Das gibt mir Ruhe und Gelassenheit, auch wenn mal was dazwischen kommt.
Würdet ihr sagen, dass die Organisation des Alltags sehr zeitaufwendig ist und klappt sie gut?
Wenn Du mich fragst, nein. Wenn Du Alex fragst, vielleicht (und lacht herzlich). Eigentlich läuft es ziemlich gut, denn wir haben ja alles im Kalender. Aber klaro, auch uns geht mal was durch die Lappen. Der letzte Fail war zum Beispiel die U9, die ich komplett verplant habe. Ich hatte sie eben nicht in den Kalender eingetragen…. Ich bin einfach wirklich ein großer Kalender-Nerd. Ich glaube, ich schaue 30 Mal am Tag da rein, damit ich nichts verpeile.
Habt ihr einzeln Hobbies und was ist mit Paar-Zeit, wann bekommt ihr die unter?
Wir machen beide gern Sport. Alex ist ein Iron Man und trainiert pro Tag ca. zwei Stunden. Ich gehe drei Mal pro Woche laufen, zum Beispiel nutze ich dafür auch den Arbeitsweg und dusche im Büro. Alex bringt mir dann meinen Laptop mit. Außerdem liebe ich Kochen. Aber das kann ich super in unseren Familienalltag integrieren, denn gekocht werden muss ja sowieso. Klar gibt es auch bei uns manchmal Tage, an denen einfach in fünf Minuten was auf dem Tisch stehen muss, aber wenn genügend Zeit ist, probiere ich gerne neue Rezepte aus oder kreiere was eigenes. Ich koche auch gerne mit den Kindern zusammen. Wir beide lesen auch gerne. Das machen wir abends oder am Wochenende, wenn die Kinder gerade spielen. Super wichtig ist mir auch meine Meditation. Um Zeit für unsere Interessen zu haben, stehen wir immer deutlich früher auf als die Kinder. Das ist dann auch ein friedliches Aufstehen mit viel mehr Ruhe.
Couple Time haben wir häufig abends. Die Kinder sind um 20 Uhr im Bett, dann können wir lesen, Freunde treffen oder wir reden. Ein Mal pro Woche ist die Babysitterin auch abends da und dann können wir Date Night machen, gemeinsame Freunde treffen oder mal ganz in Ruhe zu zweit schön essen gehen.
Wie oft ist die Babysitterin denn bei euch?
Zwei Mal die Woche holt sie die Kids aus der Schule und von der Kita ab. Und meistens haben wir Dank ihr auch noch einen Abend pro Woche frei. Die Kinder lieben sie und für uns ist das Gold wert: so können Alex und ganz beruhigt mal was alleine machen oder länger im Büro bleiben.
Sprechen wir über den Haushalt: wie teilt ihr euch hier auf?
Es gibt bestimmte Dinge, die eine*r von uns besser macht und dann gehen wir ganz nach dem Prinzip “Stärken stärken”, damit es nicht so sehr als Last empfunden wird. Ich mache zum Beispiel lieber die Wäsche, Steuererklärung macht Alex, darauf habe ich gar keine Lust. Aufräumen und all die anderen täglichen Dinge teilen wir halbe-halbe.
Wer hat die Orga, also den Mental Load in der Hand?
Alles, was eher kleine Sachen sind, habe ich mehr auf dem Schirm. Arzttermine, Geschenke kaufen und so. Ich bin besser im Planen als Alex und kann mir mehr merken. Er kümmert sich dafür um Urlaube. Ich würde sagen, der Mental Load liegt eher bei mir, aber das ist dynamisch. Wir tarieren immer wieder neu aus und er sieht es auch nicht als gegeben an.
Habt ihr hier Hilfe?
Ja, wir haben eine Putzhilfe. Mit drei Kindern wird es super schnell dreckig und das ist eine riesige Erleichterung. So haben wir mehr Zeit für die Familie. Bei machbaren Kleinigkeiten binden wir die Kinder auch schon mal mit ein.
Wie habt ihr die Finanzen geregelt?
Schon bevor wir geheiratet haben, hatten wir ein gemeinsames Konto. Es gab nie meins oder deins. So haben wir uns zwar nie romantisch gegenseitig zum Dinner eingeladen, sondern unsere Dates immer aus gemeinsamer Tasche bezahlt. Aber für uns machte das schon damals irgendwie am meisten Sinn. Dadurch, dass wir ja gemeinsam und zu gleichen Anteilen das Unternehmen führen, ist auch beim Einkommen und für die Altersvorsorge 50/50 angesagt.
Wie seid ihr selbst aufgewachsen?
Wir sind beide mit der eher klassischen Aufteilung groß geworden. Ich habe drei Geschwister und meine Mutter hat immer hart gearbeitet – aber eben unbezahlt. Alex und mir war es wichtig, dass wir beide beides machen können – erwerbsarbeiten und auch für die Kinder da sein. Das klappt!
Wie habt ihr die Elternzeit(en) aufgeteilt?
Als Dylan kam, war Freche Freunde voll in den Startlöchern und ich habe noch im Krankenhaus nach der Geburt meinen Laptop auf dem Schoß gehabt, wenn Dylan geschlafen hat. Da haben wir also gar keine Elternzeit gemacht. Kind und Arbeit ging völlig ineinander über. Mit den Zwillingen sah das anders aus. Da war ich fünf Monate zuhause und Alex hat sich mehr um die Firma gekümmert. So ganz raushalten konnte ich mich aber auch nicht… Die Zwillinge kamen dann zur Tagesmutter und mit einem Jahr in die Kita. Ab dann haben wir wieder alles gerecht aufgeteilt. Ich habe mich aber durch diese kurze Elternzeit auch nicht benachteiligt gefühlt, denn durch Alex hatte ich ja den dauerhaften Draht zur Firma und musste danach auch keiner Chefin oder keinem Chef beweisen, dass ich es immer noch voll drauf hab!
Habt ihr das Gefühl, genug Zeit mit den Kindern zu verbringen?
Auf jeden Fall! Mehr wäre immer toll, aber wir lassen unsere Arbeit ganz bewusst sein, wenn Familienzeit ist und legen auch unsere Handys beiseite. Außer sie halten für Fotos oder Hörspiele her. Das gemeinsame Essen morgens und abends gibt uns auch eine schönen gemütlichen Rhythmus und Zeit für Austausch.
Findet ihr euer System gerecht, seid ihr glücklich damit?
Wir sind total glücklich mit unserem System so. Es ist zwar alles ziemlich durchgetaktet, aber das gibt uns auch den Freiraum, den jeder von uns braucht, so dass wir uns selbst und auch uns als Paar nicht verlieren. Wir haben die Kinder nicht einfach so nebenbei und geben unser Bestes, dass sich alle drei individuell gut entfalten können. Und meine Kinder sagen immer: “Wir sind die beste Familie der Welt!” (lacht). Obwohl sie keine Referenzpunkte haben, finde ich das super süß und das zeigt mir auch, dass sie sich wohl fühlen.
Was würdet ihr euch vom Staat oder von eurem Umfeld wünschen?
Ich finde, über das System hier in Deutschland, mit so viel Unterstützung fürs Elternsein und Schule etc., muss man sich nicht beschweren. Es ist einfach viel mehr als in den meisten anderen Ländern. Klar, es ist noch nicht perfekt, aber echt schon ziemlich gut! Ich habe viele internationale Freunde und den meisten geht es anders und sie fühlen sich bezüglich des Elternseins vom Staat nicht gut betreut.
Gerade für Mütter gibt es allerdings einen großen, sozialen Druck, entweder wieder schnell zurück zur Arbeit zu gehen oder in anderen Ländern so lange wie möglich zuhause mit den Kindern zu bleiben. Mütter, lasst Euch nicht unter Druck setzen von irgendjemandem und schon gar nicht von anderen Eltern! Ich bin großer Fan von Eigenverantwortung und jede*r kennt sich selbst am besten und hat es selber in der Hand. Cool parents don’t judge! Und gerade in Deutschland muss sich eigentlich niemand entscheiden zwischen Arbeit und Kindern.
Was stresst euch im Alltag am meisten?
Mich stresst es sehr, wenn wir zum Beispiel aus dem Urlaub zurückkommen und die Woche danach noch nicht geplant haben, weil wir so abgelenkt waren mit Reisen. Dann geht einfach viel schief. Und generell sind es natürlich die unerwarteten Anrufe aus der Kita, dass Dein Kind krank ist und Du dann zwischen den Stühlen hängst. Aber wenn es hart auf hart kommt bin ich immer für “Family first”. Viele stresst ja die Work-Life-Balance. Ich sehe das anders. Für mich gibt es nur die Life-Balance. Denn wenn man sich die Worte anschaut, macht es den Eindruck, dass “Work” der Scheiß ist und “Life” das wahre Leben. Dafür ist das Leben doch aber viel zu kurz und man verbringt eben viel Zeit bei der Arbeit. Es ist gut, sich einen Job zu suchen, der zum eigenen Leben passt und bei dem man nicht das Gefühl hat, Lebenszeit zu vergeuden. Und das hat nichts mit unsere Selbstständigkeit zu tun, sondern damit, dass wir machen, was wir lieben.
Und was macht am meisten Freude?
Meine Kinder! Gibt es dafür eine andere Antwort? Ich sehe, wie sie sich entfalten, wie sie sich als Menschen entwickeln, ihren Weg gehen, und das ist wunderschön. Als Eltern können wir nur unterstützen, aber sie wachsen als kleine Leute auf – und das ist total toll zu beobachten. Ein ähnliches Gefühl habe ich bei meinen Mitarbeitenden, die sich ebenfalls toll entfalten können. Auch hier habe ich das Gefühl, dass ich sie ein bisschen unterstützen konnte.
Das klingt toll! Danke, Natacha!
PS: Vor vielen Jahren haben wir Alex auch schon mal porträtiert. Das ganze Interview findet ihr hier. Damals war die Familie noch zu dritt!