Wunschgeburt, Geburtsplan und die richtige Einstellung
Keine Angst, aber gesunder Realismus
Dabei mache ich mir aber keine Illusionen. Ich werde auch beim zweiten Mal im Krankenhaus mit meiner von mir sehr geschätzten Beleghebamme entbinden. Für mich kam nichts anderes in Frage. Viele meiner Freundinnen haben sich beim zweiten Mal für eine außerklinische Geburt entschieden, mir ist das aber nichts. Warum? Weil ich die Vorstellung, zuhause zu entbinden nicht schön finde. Und weil mir für alles andere die Zuversicht fehlt. Ich brauche die medizinische Sicherheit, um mich gut zu fühlen. Zudem habe ich gute Erfahrungen im Krankenhaus gemacht! Ja, wirklich! Ich verteidige sogar gerade immer wieder vehement Klinik-Geburten. Natürlich, in den Krankenhäusern läuft vieles richtig falsch, es ist ein Riesenproblem, dass die Hebammen im Krankenhaus nicht mehr so arbeiten können wie sie das gerne würden, überall werden Geburtstationen geschlossen, Hebammen geben ihren Beruf auf, Personalmangel wohin man sieht – furchtbar!
Es stimmt also leider, dass viele Frauen sich im Krankenhaus oft alleine gelassen fühlen und dass die Betreuung besser sein könnte. Dass schneller geschnitten wird, als müsste, dass Ärzte zu viel über Geburten bestimmen, dabei darf eine Hebamme eine Geburt alleine machen, ein Arzt nicht. Dass es nicht so zugeht, wie es sollte. Ich finde auch, dass die Politik da ENDLICH mal reagieren müsste! Aber trotzdem sind Klinik-Geburten besser als ihr Ruf. Die Hebammen im Krankenhaus sind auch Hebammen, sie sind meistens erfahren und einfühlsam, niemand wird heutzutage mehr in die Rückenlage gezwungen oder festgebunden, auch Schmerzmittel werden nur selten “aufgeschwätzt”. Bonding nach der Geburt und gute Still-Unterstützung bekommt man auch im Krankenhaus, es gibt Wannen und Gebärstühle und theoretisch alle Möglichkeiten.
Und es gibt eben Geburten, die auch gar nichts anderes zulassen. Erst vor kurzem fühlte ich mich darin wieder bestätigt als ich den Geburtsbericht von Susanne laß. Nach zwei Hausgeburten sollte Nummer drei natürlich auch zuhause zur Welt kommen, aber der kleine Mann hatte andere Pläne. Nachdem stundenlang nichts voran ging, beschloss Susanne ins Krankenhaus zu fahren, dort fühlte sie sich ab einem gewissen Zeitpunkt einfach besser aufgehoben. Sie schreibt nicht, welche Intervention es am Ende gab, aber es gab sicher welche und sie beschreibt die Geburt dennoch als “geborgen”. Sie hat sich wohlgefühlt und sicher und ist das nicht das Allerwichtigste? Gute Hebammen schicken einen ins Krankenhaus wenn alles andere zu riskant wäre. Sie wissen ganz genau, wann das so ist. Für eine außerklinische Geburt braucht man viel Vertrauen, und vielleicht fehlt mir das. Auch Xavers Geburt war interventionsfrei nicht möglich, ich bin – vor allem im Nachgang – heilfroh, dass ich im Krankenhaus war, ich bin mir sogar ganz sicher, dass ich nirgendwo anders ein so positives Erlebnis aus dieser Geburt hätte ziehen können, deshalb mache ich es wieder so.
Erinnerungen an die erste Geburt…
Und das war es wirklich, es war ein tolles Erlebnis! Ich war zäher als ich mir das zugetraut hätte während der Geburt, ich war hochkonzentriert und voll bei mir, atmete ruhig und kräftig die Wehen weg, Stunde um Stunde.
Leider ohne Erfolg, nach 12 Stunden Wehen, davon sechs mit Superwehen, schön jede Minute, war der Muttermund immer noch zu. Ich willigte in eine PDA ein, obwohl ich DAVOR wirklich Angst hatte und obwohl ich mein Schmerzlimit noch längst nicht erreicht hatte. Aber es musste was passieren und eine kleine Pause schien auch verlockend. Die beste Entscheidung! Der Muttermund war innerhalb von 15 Minuten bei 8 cm, Xaver steckte das Schmerzmittel gut weg, seine Herztöne blieben stabil und von Geburtsstillstand keine Spur.
Ich bin also ein Gegenbeispiel für alle PDA-Skeptiker, bei mir war sie ein Segen. Während ich ein bisschen entspannen konnte unter den immer noch spürbaren aber viel erträglicheren Wehen, arbeitete sich Xaver immer weiter vor. Drei Stunden später war er da, musste zwar noch mit Kristeller-Handgriff (kein Spaß Leute, kein Spaß!) und Kiwi-Saugglocke (das war viel weniger schlimm als erwartet) geholt werden, aber nicht etwa weil irgendetwas stillgestanden hätte sondern weil er seine Hand an der Backe hatte und festklemmte.
Das war unsere Geburt. Es war ein steiniger, aber machbarer 17 Stunden-Weg, den wir gemeinsam gegangen sind und ich fand sie – wie gesagt – trotz Komplikationen toll. Ich sagte direkt danach zu meinem Freund: “Das schaffe ich noch mal”. Ich habe mich die ganze Zeit über gut aufgehoben gefühlt, mein Freund und ich waren schon immer in Stress-Situationen ein Super-Team, dazu die Hebamme, die mich am Ende auch gegen den Willen der Ärzte nach hause entließ und die einfach so eine Ruhe und Kompetenz und Warmherzigkeit ausstrahlte. Und ich will nicht wissen, was in unserem Fall ohne PDA passiert wäre. Oder ohne Saugglocke passieren hätte können. Ich kenne leider einige Fälle von “zu lange im Geburtskanal gesteckt”, auch hier: kein Spaß.
Ich war einfach froh über die gute Mischung aus empathischer Hebammen-Arbeit und medizinischer Sicherheit, deshalb mache ich es genau so wieder. Eine Hausgeburt kann etwas Wundervolles sein, vor allem, wenn man sie sich wünscht. Auch im Geburtshaus kann es ganz toll werden, kuschelig und doch wohl umsorgt. Für mich wird es wieder der Kreissaal werden und es wird hoffentlich trotzdem kuschelig und geborgen.
Eine Geburt ist keine Fleißarbeit
Aber wie gesagt: Ich mache mir auch keine Illusionen. Eine Geburt ist eine Geburt, sie ist harte Arbeit, es geht oft um genau die richtige Entscheidung genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie ist animalisch und unberechenbar, sie kann laut sein und groß und manchmal auch ganz klein und leise und dezent. Und nicht jede Geburt hat das Potential, zum Erlebnis zu werden! Das ist übrigens auch etwas, was ich an der “neuen Geburtskultur” die gerade zelebriert wird, kritisiere. Man kann noch so viel Yoga und Hypno-Birthing üben, Kurse machen und sich einlesen und vorbereiten. Es gibt eben Geburtsverläufe, die sind einfach doof, die lassen eine interventionsfreie Geburt nicht zu, die enden im Notkaiserschnitt, die laufen einfach gar nicht so, wie es der “Geburtsplan” vorgesehen hatte. Darauf sollte sich jede Frau gefasst machen. Das heißt nicht, dass diese Dinge nicht ihre Berechtigung hätten, viele machen zum Beispiel großartige Erfahrungen mit Hypno-Birthing, jede intensive Beschäftigung mit der Geburt und dem eigenen Körper macht Sinn und ist gut für den Geburtsverlauf. Aber eine Geburt ist keine Willenssache oder Fleißarbeit. Es kann jeder passieren, dass es nicht gut läuft. Trotz guter Vorbereitung, Betreuung und auch bei der zweiten, sogar bei der dritten Geburt, wie Susannes Beispiel zeigt.
An einen Satz von ihr muss ich immer wieder denken: “Mein Körper kann das doch eigentlich.” Ja, so ist das. Unsere Körper können eigentlich gebären. Dafür sind sie ausgestattet, das liegt in ihrem Naturell. Und doch gelingt es nicht jeder und sogar bei der dritten Geburt kann es zu Komplikationen kommen. So ist das eben und wie gesagt: da kann man sich noch so gut vorbereiten. Deshalb: kein falscher Druck!
Wenn dem so ist, wenn die Geburt ganz anders läuft, als man das wollte, dann darf man enttäuscht sein, hinterfragen, verarbeiten, aber es ist auch wichtig, sich im Vornherein nicht zu viel vorzunehmen. Dass Frauen sich als Versagerinnen fühlen, weil die Geburt nicht zum Erlebnis, sondern zur Enttäuschung wurde, ist doch Quatsch! Immer wieder lese ich, man sollte sich einen Geburtsplan zurecht legen und immer wieder verstehe ich das nicht so ganz. Wenn es eine Sache gibt, die man wirklich nicht planen kann, dann ist es eine Geburt! Es ist sicher nicht falsch, sich auszumalen, wie man es gerne hätte. Aber bitte ohne feste Vorgaben und mit offenem Verlauf!
“Wunschgeburt”
Ich hatte mir zum Beispiel eine schnelle und erträgliche Geburt ohne Verletzungen gewünscht, das wurde alles nichts und es war trotzdem völlig in Ordnung. Obwohl ich wie gesagt jede Vorbereitung auf die Geburt gut und wichtig finde, jedes “in sich reinhören”, jede Beschäftigung mit dem eigenen Körper und der Geburt, so ist es doch noch viel wichtiger, sich die Begleitung und Betreuung zu sichern, die man sich wünscht. Wichtiger als sich auszumalen, wie es sein könnte und von Orgasmen und schmerzfreien Geburten zu träumen, Wunschgeburten und Geburtspläne aufzuschreiben. Man muss ja leider damit rechnen, dass die Hebammen viele andere Frauen parallel betreuen werden müssen, aber eine Doula kann eine gute Lösung sein, wenn es keine Beleghebamme gibt, eine gute Freundin könnte dabei sein. Sich mit dem Mann gemeinsam auf das Erlebnis vorbereiten finde ich auch sehr toll. Männer, traut euch, Geburten sind was Wunderbares, mein Mann schwärmt immer noch davon, wie aufregend das alles war. Und er war mir die ganze Zeit über eine große Hilfe, er saß überhaupt nicht nur doof daneben, er war großartig! Ich finde Geburtsvorbereitungskurse für Paare deshalb nicht doof. Es soll welche geben, wo stundenlang nur über das Wunder der Plazenta gesprochen wird, das bringt natürlich wenig. Aber über die harten Fakten aufgeklärt zu werden und zu erfahren, wie man als Mann unterstützen kann, das ist sinnvoll. Mein Mann hat das damals im Kurs und in den Gesprächen mit der Hebamme “gelernt”, und er hat es wirklich gut gemacht.
Meine Hebamme hat mir unter der letzten Geburt geflüstert, dass ich das ganz toll mache, dass ich eine “gute Gebärende” sei. Das hat mir viel Mut gemacht, denn ich war ziemlich frustriert und enttäuscht von meinem Muttermund, alle Frauen in meiner Familie hatten gut entbunden und ich machte so Zicken. Aber so ist das eben manchmal. Dieses Mal rechnet sie mit einer schnelleren Nummer, sie hat mir mehrmals gesagt dass ich wohl keine Zeit für eine PDA haben werde und dass ich sofort nach der ersten Wehe losfahren soll. Auch hier mache ich mir aber nichts vor: Hebammen sind zwar allwissende Hellseherinnen aber sie könnte natürlich dennoch total falsch liegen, bei vielen ist die zweite Geburt nicht unbedingt einfacher oder schneller.
Also, ich sehe der ganzen Nummer ziemlich nüchtern, gespannt und realistisch entgegen, glaube ich. Ich hoffe, dass ich so gut durchhalte wie letztes Mal, hoffe, dass mein Freund und ich wieder so ein gutes Team sein werden. Es gab im Vornherein keine Kurse dieses Mal, ich versuche aber noch viel Sport zu machen, um genug Kraft für die Geburt zu haben. In die Wanne will ich dieses Mal wahrscheinlich nicht, mit Xaver fand ich die Vorstellung toll, kaum im Wasser wollte ich aber nur noch raus. Ich hoffe, dass es etwas schneller geht, hoffe, dass wir wieder direkt danach nach hause können. Vielleicht schaffe ich es wirklich ohne PDA? Dann hätte ich den Vergleich. Vor allem aber geht es ja nicht um mich. Am allermeisten hoffe ich, dass es meinem kleinen Baby die ganze Zeit über gut gehen wird, dass wir beide das zusammen gut schaukeln. Ob mit oder ohne Interventionen, ob ganz natürlich oder komplett unter Medikamenten. Ist es nicht toll, dass wir heutzutage alle medizinischen Möglichkeiten haben, dass wir auch komplizierte Geburten retten können, ohne dass Mutter oder Kind ihr Leben lassen müssen? Vor nicht allzu langer Zeit war das nicht Standard, eine Geburt war immer auch ein nicht allzu kleines Risiko. Dass dem heute (fast) nicht mehr so ist, ist doch eine großartige Errungenschaft.
Am meisten freue ich mich auf den Moment, wenn ich wieder ein kleines, nacktes plärrendes kleines Mäuschen auf der Brust halten darf. Hach! Und dieser Moment wird alles wert sein, all die Schmerzen, Unsicherheiten und Abenteuer auf dem Weg dahin…
Was sagt ihr, wie war/ist eure Einstellung zur Geburt, vor der ersten und vor allem danach?
PS: Auf dem Foto, das sind Xaver und ich, drei Tage nach der Geburt im Wochenbett zuhause. Eine wunderschöne Zeit…