Gründer Mums: Julia Wolf von MeinGaragenverkauf
Liebe Julia! Oft ist es ja so, dass Frauen sich mit der Geburt ihres ersten Kindes in die Selbstständigkeit wagen. War es bei dir so ähnlich oder warst du vorher schon unternehmerisch tätig?
Ich machte mich gleich nach meinem Kommunikationsdesignstudium zusammen mit meiner Schwester selbstständig. Während der zehn Jahre, in denen wir unsere Werbeagentur führten, wurde ich zweifache Mutter. Zur Geburt meiner Tochter fuhr ich von der Agentur direkt zum Kreissaal. Zwei Wochen später war ich zurück am Schreibtisch. Nach der Geburt meines Sohnes hatte ich das Gefühl weder für meine Kinder noch für meinen Job richtig da zu sein. Nicht dass sich jemand beschwert hätte! Es war mein eigener Wunsch, alles perfekt unter einen Hut zu bringen. Da ich in der glücklichen Lage war mir eine berufliche Auszeit leisten zu können, entschied ich mich dafür einige Jahre beruflich eine Pause einzulegen. Eines Tages fragten meine Kinder: „Mama, würdest du eigentlich gerne wieder arbeiten gehen? Du warst doch so gut in dem was du gemacht hast.“ Das war der Startschuss für mein Projekt. Und heute bin ich stolze Gründerin.
Was war für dich die größte Herausforderung bei der Gründung deines Startups?
Es waren mehrere: Den Mut aufzubringen ins kalte Wasser der Projektumsetzung zu springen. Die ernüchternde Suche nach Programmierungspartnern: Die Ersten limitierten meine Ideen, weil ihnen der Umsetzungsaufwand zu groß und das Budget zu klein erschienen. Die Einteilung meines Alltags zwischen Projektentwicklung und Familie. Jeden kinderfreien Moment musste ich nutzen für Meetings, Behördengänge und das Erlernen neuer Wissensfelder wie Bezahlsystem-Software, Buchhaltung und Businessplan (bislang rote Tücher für mich Kreative), Online-Gesetzgebungen, Pressearbeit und ja, auch Interviews geben. Von Anfang war klar, dass Herausforderungen auf mich zukommen werden und ich nahm sie gerne an. Auch wenn ich es liebe dazuzulernen, zu wachsen und meinGARAGENVERKAUF.COM weiterzuentwickeln: Manchmal muss ich mich selbst überwinden, um meine Komfortzone verlassen zu können. Das Schöne ist, dass sich rückblickend alle Anstrengungen gelohnt haben.
Kannst du von deinem Startup leben?
Nein. Das geht im Augenblick noch nicht, da ich die Seite noch weiterentwickeln und optimieren möchte, was zu größeren Ausgaben im Programmierbereich führt. Zudem kommen Dinge wie Werbeausgaben und laufende Kosten. Aber das ist natürlich das Ziel.
Wir haben beobachtet, dass gerade Frauen oft mit Ideen, inspiriert aus ihrem persönlichen Umfeld und Leben, gründen. Wohin gegen Männer oft nach reinen Marktanalysen gründen. Was glaubst du, woran das liegen könnte?
Da bin ich das beste Beispiel! Meine Idee entstand aus einer Not heraus: Ich wollte gebrauchte Sachen schnell, unkompliziert und sicher verkaufen. Alle Verkaufsoptionen hatten irgendeinen Haken, also entwickelte ich die Lösung für mein Problem eben selbst. Mein Ansatz war pragmatischer Natur. Ich dachte erstmal nicht ans Geldverdienen, nur daran mir und den vielen Frauen zu helfen, die in meiner Situation sind. Ich habe mir ein Budget gesetzt und gebe mir zwei Jahre um herauszufinden, ob meine Idee angenommen wird. Dass Männer meistens nach Marktanalysen gründen, liegt wahrscheinlich daran, dass sie immer noch häufig die Hauptverdiener in ihrer Familie sind. Darum können oder wollen sie möglicherweise kein großes finanzielles Risiko eingehen.
Laut dem Female Founders Monitor erhalten Frauen wesentlich weniger Funding für ihre Startups als von Männern geführte Unternehmen. Hast du auch solche Erfahrungen gemacht?
Nein, da ich mein Start-up aus Eigenkapital gestemmt habe.
Stichwort Vereinbarkeit – Wie regeln du und dein Lebensgefährte die Kinderbetreuung?
Ich habe mir ein Home-Office eingerichtet. Mein Lebensgefährte hält mir ganz großartig den Rücken frei. Wann immer es sein Job zulässt, kümmert er sich um Kinder und Haushalt. Mich absolut auf ihn verlassen zu können hilft extrem, um konzentriert mein Herzensprojekt weiterzuentwickeln. Und wenn es mal ganz eng wird helfen Opa und Oma gerne aus. Ich bin sehr, sehr dankbar für meine glückliche Familiensituation.
Wie sieht es dann konkret aus? Teilt ihr euch die Nachmittage auf?
Nein, das geht leider nicht. Aber sobald er von der Arbeit zuhause ist und sieht, dass ich noch zu arbeiten habe kümmert er sich um die Kinder. Das reicht von der Hausaufgabenhilfe über Chauffeurdienste zu Sportaktivitäten oder Freunden bis hin zum gemeinsamen einkaufen und kochen. Inzwischen versuche ich mir die meisten Aufgaben zeitlich gut einzuteilen. Damit komme ich im Augenblick ziemlich gut hin.
Und nun zu deinem Startup meinGARAGENVERKAUF.COM: Was unterscheidet die Plattform von herkömmlichen Verkaufsplattformen, wie zum Beispiel Ebay Kleinanzeigen?
Statt der klassischen Frusterlebnisse auf anonymen Verkaufsplattformen schaffe ich Wohlfühlerlebnisse für Verkäuferin und Käuferin. Angebote werden gesehen und wertgeschätzt, anstatt im Überangebot unterzugehen. Persönliche Abholung erspart Verpackungsmaterial, Pakete packen, Postgänge und Retouren von Fehlkäufen. Barzahlung erspart weiteren Ärger… Meine Hauptzielgruppen sind Freundinnen und Menschen aus dem privaten Netzwerk der Verkäuferin. Die Plattform basiert auf gegenseitigem Vertrauen, da sich Verkäuferin und Käuferin persönlich kennen. Beide können sich auf Vereinbarungen, Zustandsbewertungen, Abholtermine und Barzahlung verlassen. Die Käuferin kennt die Herkunft der Preloved Items sowie den Stil der Verkäuferin und weiß, wer sie bei der persönlichen Abholung erwartet. Damit genießen beide ein außerordentlich hohes Maß an Sicherheit, unkomplizierte Kaufabwicklungen, besondere Freundinnenmomente und schöne Einkaufserlebnisse. Plus ein gutes Gemeinschaftsgefühl, da ich 10% von der Einnahme jedes verkauften Moduls für wohltätige Zwecke spende. Mein Shop-System habe ich bewusst so gestaltet und konzipiert, dass auch Nutzerinnen mit minimalen Computerkenntnissen ohne fremde Hilfe ihren Onlineshop mit bis zu 100 Preloved Items erstellen können.
Nachhaltigkeit ist ein Thema, das viele bewegt. Welche nachhaltigen Aspekte siehst du in deiner Idee?
Mein Startup lebt einen echten Wertschöpfungskreislauf: Gebrauchte Sachen werden ganz bewusst zur Neunutzung weitergegeben. Überproduktion, Müllberge und Ressourcenraub werden vermieden. Das ist für mich Nachhaltigkeit und verantwortliches Handeln. Weitere schöne Mehrwerte sind Platzgewinn, Zusatzverdienst und das Wissen, dass einst geliebte, ausgediente Dinge in neuen, wertschätzenden Händen weiterleben.
Wie groß ist dein Team mittlerweile?
Bis auf die Unterstützung durch mein Freelance-Team aus Programmierern und meiner Texterin Sabine Mellenthin arbeite ich momentan noch alleine. Dabei profitiere ich ganz klar von den Erfahrungen aus meinen Werbeagentur-Jahren und von meinem Wesen: Ich brenne für Neuland und arbeite mich gerne in neue Themen ein.
Welchen Tipp würdest du einer Mutter in der Gründungsphase geben?
Bleibe geduldig, zweifle niemals an deiner Idee und kämpfe notfalls für deine Überzeugungen. Verlasse deine Komfortzone und wage Schritte, auch wenn du sie zum ersten Mal, oder nur ungern machst. Suche dir Gleichgesinnte oder Menschen, die dich in Zeiten des Zweifels bestärken und motivieren. Lass dich von deiner Familie und von Freunden unterstützen. Gerade in heißen Gründungsphasen ist es essentiell, deine Kinder gut untergebracht zu wissen. Der wichtigste Tipp, den ich anderen Mompreneurs geben kann: Setzt euch nicht selbst zu sehr unter Druck. Steht beispielsweise ein wichtiges Meeting an, ist das Priorität. Bringt die Kinder bei lieben Vertrauten unter. Macht euch bewusst, dass ihr besonders in der Anfangszeit sehr viel Zeit in das Start-up investieren müsst. Und halten euch stets euer Gründungsziel vor Augen. Das Gefühl es geschafft zu haben, ist unbeschreiblich wertvoll.
Danke dir Julia! Wir wünschen dir viel Erfolg!