Vulamasango – eine neue Zukunft für die Kinder aus den Townships

Südafrika ist ein wunderschönes und hochinteressantes Land, in dem man perfekt urlauben und es sich auch richtig gut gehen lassen kann. Vor allem die Gegend rund ums Kap ist fast zu schön, um wahr zu sein! Die Landschaft, das Licht, die Vielfalt, das Essen... Traumhaft.

Aber es gibt auch eine andere Seite: Armut, Gewalt, HIV. Elend, Blechhütten, Ungerechtigkeit, Rohheit. Vergewaltigungen, kaum Bildung, Alkoholismus, Hoffnungslosigkeit. Uns ging es von Anfang an so, dass wir nicht wegsehen konnten. Wir wollten wissen, wie das so ist in den Townships, wie die Menschen leben. Und wir verspürten auch den ausgeprägten Drang, irgendetwas zu tun!

Zum ersten Mal bin ich dank Lisa Burzin auf Vulamasango aufmerksam geworden. Die zweifache Mutter war 2014 in Südafrika, und hat die Ungleichheit als extrem belastend empfunden. Als sie das Projekt fand, hat sie es im Anschluss lange und auf verschiedene Art und Weise unterstützt. Mein Freund war schon damals involviert, als wir jetzt in Südafrika waren, hat er einen kleinen Film über Vulamasango gedreht (kommt noch!), und wir waren alle mehrmals dort. Viele der Kinder habe ich so ins Herz geschlossen, dass mir beim Durchsehen der Bilder gestern richtig traurig zumute war. Es ist ein tolles Projekt! Eines, das vielen Kindern wirklich eine neue Zukunft schenken wird. Eines, das es mehr als wert ist, unterstützt zu werden. Wie das geht, steht am unteren Ende dieses Beitrags.

Was ist Vulamasango? Vulamasango bedeutet auf Xhosa “offene Tore”. Diese Tore stehen auf einem fünf Hektar großen Farmland, mitten in Philippi in einer grünen Oase zwischen den Townships, in denen sich Blechhütte an Blechhütte reihen. Millionen von Menschen leben dort und die, die am wenigsten für die Verhältnisse können, sind die, die am meisten leiden: Kinder. Kinder, die oft Gewalt erlebt haben, Rohheit, Vergewaltigungen, furchtbare Dinge. Viele sind verwaist, haben kaum Zugang zu Bildung, sind oft einen Großteil der Zeit sich selbst überlassen.

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Gekoppelt an Vulamasango ist übrigens Vulingoma, ein Chorprojekt, das alle zwei Jahre durch Europa tourt. Nächstes Jahr ist es wieder so weit.

Und wer hat das alles initiiert? Florian Krämer. Er kam mit 15 das erste Mal nach Südafrika und seitdem hat ihn das Land nicht mehr losgelassen. Er hat viele viele Hürden gemeistert, um jetzt mit Vulamasango da zu sein, wo er ist. Auf dem Gelände gibt es heute ein Waisenhaus, einen Hort, eine Schreinerei, ein Farmprojekt und und und. Und viele viele Kinder, die dort jeden Tag verbringen, denen Florian eine neue Zukunft ermöglichen will. Mittlerweile gibt es auch schon einige, die es geschafft haben. Die studiert haben, die sich dank Vulamasango ein anderes Leben aufbauen können. Doch ich will gar nicht zu viel verraten. Florian soll selbst erzählen!

Lieber Florian, wie kam es überhaupt dazu, dass du etwas für die Kinder aus den Armenvierteln tun wolltest?

Seit ich Südafrika in 1988 als damals 15-jähriger auf einem 6-monatigen Schüleraustausch kennengelernt hatte, war es mein Wunsch dort zu leben. Damals, noch während der Apartheid, herrschten hier sehr andere Zustände. Aber die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachgruppen faszinierte mich schon damals. Und so realisierte ich mir 1992 nach meinem Abitur meinen langjährigen Traum, vom Kongo nach Kapstadt zu trampen, um mich dann dort an der Universität einzuschreiben. Auf dieser Reise wurde ich als ein noch junger 19-jähriger nicht nur Zeuge von immenser Armut in Ländern wie Kenya, Tanzania und Zambia und der damals frisch wütenden HIV-Epidemie in Uganda, sondern musste auch gleich zu Beginn der Reise den Anfang des Bürgerkrieges im damaligen Zaire (heute: Demokratische Republik Congo) miterleben. Diese Erlebnisse formten meinen Wunsch, in Afrika als Sozialarbeiter tätig zu werden, und Kindern eine Zukunft zurück zu geben, die ihnen durch Armut, Gewalt oder HIV genommen wurde. Also studierte ich in Kapstadt Sozialwissenschaften mit Schwerpunkt in Sozialarbeit und Psychologie, und gründete dann zuerst den deutschen Förderverein Positiv Leben e.V., und in Folge die Projekte Indawo Yentsikelelo in Nyanga und Vulamasango in Philippi.

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Welche Erfahrungen hast du mit deinem ersten Projekt in Nyanga gemacht?

Nyanga Township hat die höchste Mord- und Vergewaltigungsrate in Südafrika. Das Projekt hat von Anfang an gegen zu viele Hürden kämpfen müssen. Behörden waren nicht behilflich. Die Township Gemeinde war zerstritten. Es wurden uns ein neu gebautes Haus und ein Sicherheitszaun zerstört. Kriminelle Jugendgangs patrouillierten die Straßen. Jugendliche aus unserem Kinderhort wurden von anderen Jugendlichen ermordet. Ein Junge aus unserem Kindergarten wurde erschlagen. Er war 5 Jahre alt. Ich selber wurde in meinem Auto Opfer eines hi-jackings, bei dem ich nur sehr knapp mit dem Leben davonkam. All dies war auf Dauer nicht tragbar. Also beschloss ich in 2008 das zweite Projekt zu gründen: Vulamasango.

Erzähl doch bitte kurz, welche Meilensteine ihr in den letzten Jahren erreichen konntet!

Der erste und wichtigste Meilenstein war der Kauf einer großen, paradiesisch grünen Farm in einem riesigen Farmgebiet, umringt von den endlosen Townships von Kapstadt. Die Farm liegt am Rande des Gebiets und grenzt an die Townships Philippi und Samora Machel. Somit arbeiten wir in direkter Nähe des Brennpunktes, aber auf einem sicheren Stück Land von der Größe von 10 Fussballfeldern! Hier können wir den Kindern durch Sicherheit, Bildung, und Fürsorge die Zukunft schenken, die sie verdient haben. Die nächsten Meilensteine kamen schnell. Aug 2009: Renovierung der alten Farmhalle. Sep 2009: Besuch des Comedians Michael Mittermeier aus München im Projekt (Filmaufnahmen für seine DVD “Michael Mittermeier in Kapstadt”). Jan 2010: Gründung des Kindergartens (36 Kinder), und Kinderhorts (40 Kinder), mit gezielten Bildungsprogrammen, Sport, Hausaufgabenbetreuung, Musik, Kunst, und Aufklärungsprogrammen (HIV, Jugendschwangerschaften, Gender Identity Workshops, Identitätsbildung, etc.). Und am wichtigsten: therapeutische Begleitung für Opfer von Gewalt- oder Sexualverbrechen verursacht durch Alkohol- und Drogenmissbrauch der Eltern und Verwandten. Jan 2011: Gründung des ersten “Kinderhauses” (Heim für verwaiste, missbrauchte oder verlassene Kinder), in provisorischen Holzhütten. Feb 2011: Erneute Filmaufnahmen mit Michael Mittermeier auf der Farm für unsere Teilnahme am RTL Spendenmarathon im November 2011, mit Mittermeier als prominentem Projektpaten. 2010 – 2013: Kampf um die Baugenehmigungen für die gesamte Bauvision: 12 Waisenhäuser (à 12 Kinder), Kindergarten, Kinderhort, Küche und Waschküche, medizinisches Versorgungszentrum, IT-Schule und Bibliothek, und Administratives Gebäude. Okt 2012: Bau einer Schreinerei für Ausbildungszwecke. Mai 2013: Erhalt der Baugenehmigungen für das Gesamtprojekt, und Bauplanung von Phase 1. Dez 2013: Beginn der Tiefbauarbeiten – Infrastruktur, Straßenbau, Wasser und Stromversorgung, Biokläranlage. Nov 2014: Beginn der Hochbauarbeiten von Phase 1: Drei Waisenhäuser, ein administratives Gebäude. Sep 2015: Fertigstellung und Einzug in die ersten drei Hauseinheiten (für 36 Kinder). Okt 2017: Bau einer Solaranlage.

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Wow. Du hast auf deinem Weg viele Rückschläge erlebt, was hat dich zum Weitermachen und in Südafrika bleiben motiviert?

Ja, ich habe inzwischen mehrfach fast mein Leben verloren. Aber meine Erlebnisse damals in Zaire und Uganda haben mich sehr tief geprägt, und ich fühle eine innere Stärke, die mich nicht aufgeben lässt. Ein Leben kostet nicht viel in Südafrika. Und meist sind die Opfer Kinder und Jugendliche. Wenn ich also durch das Riskieren meines eigenen Lebens Kindern helfen kann, dass sie ihres nicht mehr tagtäglich riskieren müssen, so tu ich das gerne. Und was man zurückbekommt, ist gewaltig. Für mich persönlich ist nichts vergleichbar mit der Liebe und Anerkennung eines Kindes, welches durch Vulamasango eine zweite, und oft letzte Chance auf ein halbwegs normales Leben bekommen hat. Wenn ich täglich die lachenden Gesichter sehe, fühle ich die Lebenskraft, die diese Kinder entwickeln, einfach nur durch die Tatsache, dass sie endlich normale Kinder sein dürfen. Und unsere inzwischen 10 alumni, welche an Universitäten Fächer wie Buchhaltung, Ernährungswissenschaften, Sozialarbeit, Mathematik, Jura, Elektroingenieur und anderes studieren, sind der lebende Beweis, dass Kinder aus den schlimmsten Zuständen herauswachsen und blühen können, wenn man ihnen nur das entsprechende Umfeld dafür bietet. Dies gibt mir die Kraft, nie aufzugeben. Ich bin eine sehr “reiche” Person, was das Betrifft.

In meinem Reiseführer werden die Townships fast als Sehenswürdigkeit vorgestellt, es heißt man soll sich das ansehen und es gäbe auch nicht nur Elend, kannst du das bestätigen und was hältst du davon?

Eine Township Tour hat immer etwas “Zooartiges”. Denn man kommt als Tourist auf so einer Tour ja doch immer nur, um sich “die Armut Südafrikas anzusehen”. Und doch erkenne ich die Notwendigkeit, dass mehr und mehr Menschen sich ein Bewusstsein über das Elend in den Townships machen. Nur so kann das Bewusstsein an die Öffentlichkeit getragen werden. Ich selbst führe oft Besucher des Projekts durch die Townships. Zeige ihnen die andere Seite des “schönen Südafrikas”. Gehe mit ihnen zu den sehr schönen Häusern meiner Mitarbeiter, oder zeige ihnen Häuser, in denen unsere Projektkinder wohnen. Aber ein normaler Tourist hat natürlich diese Möglichkeit nicht. Und ob auf einer offiziellen Township Tour, oder privat mit mir, ein europäischer Besucher wird immer nur einen bestimmten Eindruck eines Townships bekommen, und dieser ist auch, dass die Townships tatsächlich oft “gar nicht so schlecht aussehen” und “sogar richtig schön sein können”. Mit schönen Häusern, ausgesprochen netten, gastfreundschaftlichen Familien, und keinem “offenen Elend”, um es mal so auszudrücken. Tatsächlich gibt es in Südafrika zwar Hunger, aber eigentlich keine wirkliche Hungersnot, wie in anderen afrikanischen Ländern. Es gibt eine Infrastruktur, starke Wirtschaft, und eine Regierung, die 5 Millionen Häuser für die Menschen in den Townships gebaut hat. Und dadurch sehen die Townships auf den ersten Blick immer ganz in Ordnung aus.

Das wirkliche Elend sitzt sehr viel tiefer. Eine zerbrochene Gesellschaft, 50% Arbeitslosigkeit, keine Perspektive. Bildung ist auf tiefstem Niveau. Alkohol und Lethargie zerstört die Townships. Familien sind zerbrochen, Generationen von Vätern und Müttern, die trinken und den Alkoholkonsum an die Kinder reichen. Mädchen die mit 13 bis 16 schon das erste Mal schwanger sind, oft weil sie sich an ältere “Sugar Daddy’s” verkaufen. Sexueller Missbrauch in Familien ist alltäglich und wird totgeschwiegen. 13 bis 17 jährige Jungs, die sich in Gangkriegen jede Nacht ermorden (viele meiner Jungs aus dem ersten Projekt sind inzwischen nicht mehr am Leben). Südafrika hat die höchste Anzahl an HIV positiven Menschen und die höchste Rate an Vergewaltigungen weltweit. Selten kommt ein Täter vor Gericht. Und dieses Elend wird einem “Besucher” immer verborgen bleiben. Dies ist das Elend, was wir als Sozialarbeiter täglich erleben müssen. In den Häusern und Blechhütten. Hinter verschlossenen Türen. Wenn wir spät nachts angerufen werden, um wieder einmal eines unserer Kinder vor der Gewalt der Familie zu retten. Und wenn wir zu spät gekommen sind und die Tat bereits vollbracht ist, die endlosen Gerichtsverhandlungen, die zu keinem Urteil führen. Dies ist das Elend, was man auf den ersten Blick nie sieht. Und was zu selten zur Erwähnung kommt, ist dass nicht die Weißen oder Touristen unter dieser Gewalt leiden, sondern die schwarzen Menschen selber. Gewalt in den Townships ist so verbreitet, dass es zu unserem Alltag gehört. Unsere Kinder zucken kaum mit der Wimper, wenn wir mit dem Auto mal wieder um einen leblosen Körper auf der Straße fahren müssen. Wenn mal wieder ein Bekannter oder Verwandter ums Leben gekommen ist. So sehr hat man sich an diese gewalttätigen Zustände und den Verlust eines Lebens gewöhnt.

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Aus was für Familien kommen die Kinder um die ihr euch kümmert und was bietet ihr ihnen?

In den Townships gibt es viele sehr nette Familien, die einfach versuchen, ihr Leben zu leben und ihre Kinder großzuziehen. Aber die Mittel für gute Schulen sind selten vorhanden. Somit gehen die Kinder meist auf die gebührenfreien, staatlichen Schulen in den Townships, auf denen das Niveau natürlich entsprechend niedrig ist. Die etwas besseren Schulen in der Stadt können sich die wenigsten leisten. Nach der Schule sind die Kinder alleine. Der Vater hat die Familie meist längst verlassen, und die allein erziehende Mutter ist bis spät bei der Arbeit, wenn sie eine Arbeit hat. Auf der Straße geraten die Kinder in all die Situationen, deren Konsequenzen langfristig ihr Leben zerstören. Diesen Kindern bieten wir in unserem Kinderhort wie oben schon beschrieben alle möglichen Aktivitäten, um sie von den Gefahren der Straße fernzuhalten. Aber wie in der vorigen Antwort schon beschrieben, gibt es eben auch viele Familien, die durch Arbeitslosigkeit, Alkoholmissbrauch, Drogen oder soziale Umstände so zerstört sind, dass die Kinder im besten Fall täglich leiden, im schlimmsten Fall Opfer von schweren Gewalt- oder Sexualverbrechen werden. Wir haben im Hort Kinder aus allen möglichen Familien. Und eben auch Familien, die glücklich waren, bis eine Folge von zerstörerischen Lebenssituationen zu einem dramatischen Ende der Familie führte. Und dann nehmen wir diese Kinder permanent in unser Kinderhaus auf. Entweder bis die Familie rehabilitiert ist, oder, im Falle dass es keine lebenden Verwandten mehr gibt, bis die Kinder ihr Zuhause bei uns verlassen um an der Universität zu studieren. Der Anfang war also der Kinderhort mit den 40 Kindern, die jeden Abend wieder in ihr Zuhause zurückkehren.

Seit sechs Jahren arbeiten wir aber nun auch intensiv mit Kindern, die bei uns auf dem Grundstück leben. Besonders seit die Kinder 2015 von den Holzhütten in die neuen Häuser ziehen durften. Manche von ihnen verwaist, andere verlassen oder Opfer von Gewalt- und Sexualverbrechen, und alle aus Zuständen von sozialem Missbrauch zuhause, Alkoholkonsum der Eltern, und Gewalt in der Gemeinde. Diesen Kindern bieten wir ein komplett neues Leben, mit allem, was dazu gehört: Leben in einer Hausgemeinschaft von 12 Kindern mit Hausmüttern und Helfern, Teilnahme in der täglichen Arbeitsgemeinschaft, tägliche Programme im Hort, Bildung auf guten Schulen, Hochschulabschluss oder Ausbildung (Lehre), und letztendlich Begleitung in die Unabhängigkeit.

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Südafrika hat eine schwarze Regierung und es wurden in den letzten Jahren immer mehr Quoten eingeführt. Warum sind die Kinder aus den Townships dennoch so wahnsinnig benachteiligt?

Wie schon angesprochen, ist Südafrika für eines der schlechtesten Bildungsprogramme weltweit bekannt. Die tausenden Flüchtlinge aus Zimbabwe haben einen meist sehr viel höheren Bildungsstand als Südafrikaner. Und Bildung ist der einzige Weg aus der Armut. Sobald eine Familie sich die Gebühren der besseren Schulen leisten kann, sind die Chancen hoch, dass das Kind eine Universität besuchen wird und ein erfolgreiches Leben leben kann. Da die meisten Kinder aber immer noch auf die Township Schulen gehen, wird dieser Kreis der Bildungslosigkeit nie gebrochen.

50% aller Kinder erreichen nie die 12. Klasse. Sie bleiben irgendwo nach der 8. oder 9. Klasse einfach zurück und geben auf. Von den anderen 50% die es bis zur 12. Klasse schaffen, schaffen nur 72% das Abitur. Wenn mann bedenkt dass man in 4 Fächern nur 50% und in 2 Fächern nur 30% braucht, um zu bestehen, ist es schockierend, dass nur 72% dies erreichen! Und von diesen 72% schaffen es wiederum nur 25% gut genug, um tatsächlich eine Universität zu besuchen. Und das zweite Thema ist natürlich HIV und die hohe Rate an Jugendschwangerschaften. Wenn mann noch in der Schule das erste Kind bekommt, stehen die Chancen auf einen weiteren Bildungsweg schlecht. Dann müssen die Mütter sehr jung ohne Qualifikationen arbeiten gehen und verdienen nicht genug, um ihre Kinder auf eine gute Schule zu schicken, was den Kreis der Armut weitertreibt. Und wenn dann die selbst noch junge Mutter Anfang 20 an Aids erkrankt, geht es sehr schnell in einen endlosen Zyklus der Armut, in dem die Kinder immer die Opfer sind. Die Mutter ist zu schwach und krank um zu arbeiten, es gibt kein Essen zuhause. Das Kind kann ohne Essen nicht in die Schule, und treibt sich auf der Straße rum, um zu überleben. Dort werden die Mädchen Opfer von Sexualverbrechen. Und da sie danach selten Therapie erhalten, fangen sie bald selber an zu trinken. Oder sie verfallen einem “Sugar Daddy”, einem älteren Mann, der ihnen Dinge kauft und sie über Wasser hält. Und dann sind sie bald selber im Alter von 13 oder 14 schwanger, und der Kreis schließt sich.

Die südafrikanische Regierung und die Bevölkerung hat also noch einen weiten Weg vor sich, was die Bildungs- und Aidspolitik in Südafrika angeht. Aber nur durch Bildung und Aufklärung kann sich letztendlich nachhaltig etwas ändern.

Was meinst du: Wohin geht der Weg in Südafrika? Wird es irgendwann gerechter werden? 

Ich bin kein Politiker. Ich kann keine politischen Wendungen voraussagen. Ich kann nur versuchen, einigen hundert Kindern eine Bessere Zukunft zu geben, und hoffen, dass dies einen Multiplikationseffekt haben wird. Denn nur so kann sich eine Gesellschaft ändern. Und es gibt viele gute Organisationen wie Vulamasango, die hervorragende Arbeit Leisten. Ich denke also schon, dass sich in einer weiteren Generation viel ändern kann. Bildung ist alles, so klischeehaft das klingt. Aber es ist Realität. Vulamasango gibt Kindern Bildung und eine andere Perspektive im Leben. Und nur so kann eine neue Generation von jungen Wählern heranwachsen, die sich nicht mehr auf dem Sieg über das Apartheidsregime ausruhen, sondern eine neue, moderne, multikulturelle Gesellschaft ohne Vorurteile und gesellschaftliche Grenzen gründen wird. Und dann gibt es eine echte Hoffnung auf eine sonnige Zukunft in Südafrika für nicht nur bestimmte Teile der Bevölkerung, sondern für alle Menschen und Bevölkerungsgruppen.

Danke, Florian!

 

Ich will nicht so weit gehen, dass man sich engagieren MUSS, wenn man nach Südafrika fährt. Aber ich persönlich hatte das Gefühl, dass es gerade für uns Deutsche, die aus solch privilegierten Verhältnissen kommen, eine Aufgabe ist, etwas zu tun, oder zumindest nicht wegzusehen.

Wenn ihr Vulamasango unterstützen wollt, könnt ihr euch hier über Spenden informieren. Am einfachsten finde ich das SEPA-Mandat, ihr könnt es hier herunterladen, nach Mannheim schicken oder einscannen und an positivleben@vulamasango.org senden. Man kann auch Praktika machen, und natürlich die Vulingoma-Auftritte besuchen. Wann und wo die stattfinden, darüber werde ich berichten!

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Alle Fotos: Julia Nitzschke – auch eine langjährige Unterstützerin, danke!