Taktgeber des Lebens

In der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Wochenende fand ich einen wunderbaren Artikel von Heribert Prantl (den ich sehr verehre, doch das nur nebenbei), über Familienrecht und -politik im weitesten Sinne. Denn wie wir Eltern ja alle wissen, läuft da Einiges nicht ganz so, wie es wohl sollte.

Zwar möchte ich mich nicht beschweren, das Elterngeld macht vieles einfacher, das Kindergeld trifft immer pünktlich ein, sowohl Marie als auch ich haben schon einen Betreuungsplatz ergattert – in anderen Ländern ist man da weitaus schlechter dran.

An der Realität vorbei

Dennoch regiert Deutschland an der Familienrealität vorbei. Denn, wie Heribert Prantl wieder einmal so treffend feststellt, es wird immer noch das verblichene Bild der Vater-Mutter-Kind-Familie hochgehalten, natürlich mit Trauschein! Dabei sollte nicht die Ehe im Mittelpunkt stehen, sondern die Familie und natürlich der Schutz und die Bedürfnisse der Kinder, egal wie unkonventionell das Konzept drumherum ist. Denn wie Marie sich ja auch schon mal gefragt hat: was ist denn überhaupt eine Familie? Sie ist nicht zwingend Vater-Mutter-Kind, sie ist vielmehr ein Verbund aus Liebe, Werten, Normen, Bedürfnissen, Rücksicht – solchen Dingen. Und dieser Verbund kann auch aus Mutter und Kind, Vater und Kind, zwei Vätern und Kind, und so weiter bestehen. Oder auch aus zwei Müttern, einem Vater und drei Kindern – moderne Patchworkfamilien machen es möglich!

“Familie ist jeder Ort, an dem ein Kind verlässlich erfahren kann: Ich bin wertvoll, ich kann dem Leben vertrauen. Diese emotionale Erfahrung ist der Unterbau für ein gutes Leben. Es kann viele dieser Orte geben, an denen ein Kind diese wichtigste Lebenserfahrung macht – nicht nur die Vater-Mutter-Kind-Familie.”

Immerhin geht es in Sachen Familienrecht bergauf. Die Ungleichbehandlung von homosexuellen Lebenspartnerschaften im Vergleich zur klassischen Ehe wurde schon mehrmals als rechtswidrig erklärt, auch in Sachen Sukzessiv-Adoption sind die ersten Schritte getan. Das Recht scheint der Politik voraus zu sein, Frau Merkel und vor allem die Köpfe der allermeisten Deutschen sind noch lange nicht so weit. In anderen Ländern sind Mutter-Mutter-Kind-Familien und Vater-Vater-Kind-Familien schon fest verankert – im Recht, in der Politik und in den Köpfen. Wo? Wo wohl: Dänemark, Niederlande, Schweden – die üblichen Verdächtigen, die uns immer einen Schritt voraus sind!

Wer gibt hier den Takt an?

Neben diesen Dingen, ist es dann aber noch eine andere Sache, die nach Veränderung schreit. Die Anpassung der Familienwirklichkeit an das Arbeitsleben. Hier habe ich mich schon mal darüber ausgelassen, Herr Prantl spricht es am Anfang und am Ende seines Artikels an. Der Markt verlang Flexibilität, die Familie Stabilität – verflixt! Und:

“Wenn die Familie der Taktgeber des Lebens sein soll (so steht es angeblich im Koalitionsvertrag!), dann muss die Ökonomie als bisheriger Taktgeber entthront werden. Denn der Markt fordert die ständige Beschleunigung des Wachstums, die Familie dagegen begleitet die natürliche Langsamkeit von Wachstum. Diese Begleitung der Kinder ist eine notwendige Voraussetzung für ein gesundes Gemeinwesen, die der Staat nicht schaffen kann, aber fördern muss.”

Wo bleibt also diese Förderung? Hach ja, es bleibt zu hoffen, dass es zumindest in die richtige Richtung weitergeht….

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