Let’s talk about: Kann man (manche) Kinder zu ihrem Glück zwingen?

Ich war gerade mit meiner Familie im Skiurlaub und es war das erste Mal, dass wir alle Vier auf Skiern standen, auch die Kleinste. Wir waren in einem Familienhotel (im Almhof - einfach wunderbar!) und es ist ja immer spannend, was man so mitbekommt in solchen Urlauben. Wie andere Eltern mit ihren Kindern sind, welche Dynamik es in anderen Familien gibt - und so weiter.

Meine Kinder haben beide einen Skikurs gemacht und insbesondere in der Gruppe meiner Tochter waren einige (teilweise noch sehr kleine, etwa vierjährige) Kids, die nicht durchgehend Spaß hatten. Die Umstände waren auch wirklich nicht ideal: Es hat geschneit, es war bitterkalt… Ich war überrascht, dass meine Fünfjährige wirklich immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, dass sie so gut mitgemacht hat und dass wir Eltern immer sofort gehen konnten – sie blieb den ganzen Tag ohne Murren alleine dort.

Die meisten anderen Kinder weinten beim Abgeben und manche weinten auch während des Tages immer wieder. Mir taten die Kinder leid. Es war für alle nicht so ideal, und insbesondere für die LehrerInnen sicher auch eine Herausforderung. Als ich das auf Instagram erzählt habe, kamen direkt mehrere Nachrichten: Das sei so oft so in Skikursen und warum man die Kinder da “durchquäle”, wie soll man denn jemals Spaß an diesem Sport haben? Ich konnte das nachvollziehen, auf der anderen Seite…

Kinder sind unterschiedlich

Ich habe zwei sehr unterschiedliche Kinder. Kind eins musste man immer ein bisschen “zu seinem Glück zwingen”. Er hätte sonst weder Schwimmen, noch Fahrradfahren, noch Skifahren gelernt. Wir Eltern haben bestochen und überredet – und das fühlte sich ganz oft richtig doof an. Auf der anderen Seite war uns das mit dem Schwimmen zum Beispiel wirklich wichtig – und sobald das Kind im Wasser war, war es auch immer glücklich.

Um bei dem Skifahren-Beispiel zu bleiben: Die ersten Tage hatte der Sohn wirklich wenig Spaß daran. Ich habe überredet, was das Zeug hielt. Geweint hat er nie, wir hatten zum Glück auch immer super Lehrer, aber gelächelt hat er sicher nicht an den ersten Tagen auf Skiern… Aber dann ging es irgendwann richtig gut und er bretterte strahlend die Pisten herunter. Ich beobachte das tatsächlich gerade beim Skifahren oft. Am Anfang liegen die Kids ständig auf dem Po, frieren, weinen, meckern. Es macht keinen Spaß. Aber dann hat man eben doch recht schnell Erfolgserlebnisse, schafft die Pizza, lernt zu bremsen – und es fühlt sich einfach so wundervoll an, den Berg herunter zu sausen! Insofern macht es für mich schon Sinn, die Kinder da ein bisschen “durchzuzwingen” – sie werden ja belohnt. Und lernt man so nicht auch was fürs Leben? Dass man sich manchmal ein bisschen durchbeißen muss und dafür schafft man dann auch oft etwas ganz Tolles?

Ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher. Denn manche Kinder sind wirklich noch klein, sie frieren wahrscheinlich, vermissen ihre Eltern. Irgendwie fühlt es sich falsch an, sie dann den ganzen Tag alleine im Skikurs leiden zu lassen. Manche Eltern sind einfach dabei geblieben – und oft haben sich die Kinder dann auch irgendwann beruhigt und hatten Spaß. Andere ließen die Kinder ohne Eltern im Kurs. Das wird immer empfohlen, auch ich habe an unterschiedlichen Stellen schon mitbekommen, dass die Kinder besser mitmachen, wenn die Eltern nicht dabei sind. Irgendwie haben diese Kids mir dennoch manchmal ein bisschen leid getan. Bedürfnisorientiert ist das nicht wirklich. Aber alle Kinder, auch die, die nur geweint hatten, sind am nächsten Tag bei strahlendem Sonnenschein beim Skirennen mitgefahren und wirkten so, als wäre nun doch der Knoten geplatzt – und das Skifahren würde sie erfreuen.

Bedürfnisorientiert ist das sicher nicht immer…

Mein mittlerweile achtjähriger Sohn hatte Corona-bedingt letztes Jahr eine Skipause und als wir “zwischen den Jahren” noch mal für ein paar Tage in den Bergen waren, konnte ich ihn zu einem Skitag überreden. Man merkte: Er traute sich eigentlich nicht mehr. Ich buchte eine teure Privatlehrerin für ihn und seine Freundin (die sicherer fährt) bestand darauf, dass er diesen Kurs durchzieht. Er machte murrend mit, ich fühlte mich wieder mal schlecht. Warum zwang ich ihn zu etwas, was eigentlich MEIN Wunsch war? (Ich liebe Skifahren und finde es so eine schöne Familienaktivität…). Das Wetter war dann auch noch undankbar, die Lehrerin aber unheimlich toll – die Kinder zogen durch. Und ich sah nach kürzester Zeit, dass mein Sohn viel Freude hatte – und noch richtig gut fahren konnte. Als er nach vielen Stunden völlig durchnässt unten ankam, strahlte er. Ich sagte: “Danke, dass du das so super durchgezogen hast”. Und er antwortete: “Ich sollte mich lieber bei dir bedanken, dass du mich überredet hast.” Mein Herz hüpfte. Und hatte sich mein Kind eben tatsächlich bei mir dafür bedankt, dass ich es zu seinem Glück gezwungen hatte?!

Beim letzten Skikurs musste ich ihn nicht überreden – überhaupt weiß er mittlerweile schon recht genau: Wenn er keine Lust hat – auf Skifahren, auf Fußballtraining, auf Tennis, auf eine Radtour… – dann werden wir ihn meistens eh überreden. Und er weiß auch, dass er am Ende viel Spaß haben wird. Es war einfach bisher immer so.

Eltern wissen doch, wie sie das machen müssen – oder sie lernen es gerade

Mein anderes Kind muss man nie zu Aktivitäten überreden. Sie wollte sofort Skifahren lernen, genauso wie Schwimmen, Rollschuh fahren und Schlittschuh fahren. Sie liebt Ballettunterricht, Musikunterricht, Auftritte aller Art. Das ist natürlich angenehm. Ich weiß bei ihr aber auch: Wenn sie etwas nicht will – dann kann man sie auch nicht umstimmen. Dann muss man das akzeptieren. So war es zum Beispiel beim Fahrrad fahren. Das hat sie erst gelernt, als sie es wirklich wollte. Als sie bereit war. So unterschiedlich sind die Kinder eben.

Und so wie ich mittlerweile ganz gut weiß, bis zu welchem Grad es bei welchem Kind okay ist, es ein bisschen zu zwingen oder sogar zu bestechen (beide Kinder haben nach den ersten Skitagen eine Skibrille bekommen), so denke ich, wissen das andere Eltern auch. Oder sie sind gerade dabei, es herauszufinden…

Deshalb möchte ich mir nicht anmaßen zu bewerten, wenn Kinder in den Skikurs gesteckt werden, obwohl sie so wirken, als würden sie das gar nicht wollen. Am Ende haben ja doch die meisten Spaß am Skifahren! Und ich persönlich denke oft, man hätte mich auch ein paar Mal öfter zwingen können, als Kind. Dann hätte ich das Klavierspielen nicht so schnell aufgegeben (jetzt lerne ich es gerade wieder – mühevoll), dann hätte ich vielleicht besser Eislaufen gelernt und auch besser Skifahren… Das sind alles Dinge, die mich heute nerven. Dass ich das nicht so gut kann. In unserem Fall war das auch immer eine Geld-Frage, aber ich wurde eben auch wirklich nie zu irgendwas gezwungen – und aus mir selbst heraus habe ich keinen Ehrgeiz entwickelt. Ja, ich denke, man hätte mich auch öfter mal zu meinem Glück zwingen sollen. Ich hätte mich dann vermutlich auch am Ende bedankt!

Was denkt ihr: Okay, ab und zu ein bisschen nachzuhelfen oder sollte man die akuten Bedürfnisse der Kids auch in solchen Situationen ernst nehmen?