“Kein Kind sollte von Krieg und Gewalt betroffen sein!”

Afghanistan, Beirut, Tschad, Palästina, Kongo... Weltweit gibt es aktuell 222 bewaffnete Konflikte. Etwa 420 Millionen unschuldige Kinder wachsen in Regionen auf, in denen Waffengewalt und Krieg an der Tagesordnung sind. Das macht einen betroffen, sprachlos, wütend und traurig. Einen kleinen Hoffnungsschimmer liefern da Hilfsorganisationen wie War Child. Die NGO, die sich selbst als "globale Bewegung, die sich für eine friedliche Zukunft für Kinder, die von Krieg und Konflikten betroffen sind, einsetzt", bezeichnet, wurde 1995 in Holland gegründet und leistet seit 2019 auch in und von Deutschland aus aktive Hilfe. Kern-Themen von War Child sind: Kindesschutz, psychosoziale Unterstützung und Bildung.

Um die tolle Arbeit von War Child näher kennenzulernen und noch bekannter zu machen, damit sie noch mehr Unterstützung erfahren, haben wir mit Dannie Quielitzsch (im Foto rechts) gesprochen. Gemeinsam mit Lydia Sleifir hat sie War Child in Deutschland eingeführt und aufgebaut und beide teilen sich heute die Geschäftsführung des deutschen Ablegers der international tätigen NGO (= non-governmental organisation).

Dannie, Du und deine Teampartnerin Lydia, ihr habt 2019 „War Child Germany“ gegründet. Woher kam der Impuls, euch in dem Bereich und für genau diese NGO zu engagieren?
Lydia hat War Child während einer Reise kennengelernt, als sie noch für eine andere NGO tätig war. Schon damals war sie sehr begeistert von der Herangehensweise und der Atmosphäre in dem Flüchtlinggsprojekt, das sie besucht hat. Als sei das Ganze vom Schicksal gelenkt, wurde sie kurz darauf vom damaligen Managing Director von War Child Holland, Tjipke Bergsma, gefragt, ob sie Interesse hätte, eine Marktanalyse und einen potentiellen Business-Plan für die Einführung von War Child in Deutschland zu erstellen.
Für dieses Projekt hat Lydia mich dann mit ins Boot geholt. Wir kannten uns aus unserer früheren Tätigkeit als Standortleiterinnen von Social Impact in Hamburg. Als Psychologin, ausgebildete Familientherapeutin und Social- Startup-Beraterin war das für mich eine doppelt spannende Aufgabe, die mir viel Freude gemacht hat. Wir haben gemeinsam den Business-Plan entwickelt und auch gepitcht – und in dieser Zusammenarbeit gemerkt, dass wir ein gutes Duo für die Geschäftsführung und den Aufbau des Social Startups in Deutschland wären. Der Rest ist bekannt – wir haben 2019 zusammen gegründet und seither den Aufbau von War Child Deutschland als gemeinsame Führungsspitze begleitet.

Wie groß ist euer Team in Deutschland und weltweit mittlerweile?
Weltweit sind für War Child mehrere hundert Mitarbeiter aktiv. Unser Team in Hamburg besteht bisher nur aus 2,5 festen Stellen, die wir uns in einem Team aus fünf Leuten aufteilen. Wir bekommen aber auch sehr viel Unterstützung von unserer War Child-Familie in Holland. Es ist ein großes Glück, dass wir auf viele Erfahrungen und Inhalte unserer Freunde dort aufbauen können. Außerdem arbeiten wir mit einigen Freelancern und externen Beratern zusammen, die uns unterstützen, War Child in Deutschland zu positionieren und verschiedene Aktivitäten umzusetzen. Lydia und ich haben uns von Anfang an von dem Motto „Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen“ leiten lassen, und wünschen uns, dass War Child in Deutschland wie eine Familie oder eben ein Dorf Stück für Stück wächst.

Wo ist War Child aktuell im Einsatz und könnt ihr ein paar Projekte nennen, die euch besonders am Herzen liegen?
War Child Holland, zu deren Familie wir gehören, ist heute in 16 Ländern aktiv: Bangladesh, Burundi, Deutschland, Jordanien, Kolumbien, im Kongo, Libanon, Niederlande, in den besetzen Palästinensichen Autonomiegebieten, Sri Lanka, Süd-Sudan, Sudan, Schweden, Syrien, Tschad und Uganda. Unsere Freunde von War Child UK und Canada sind darüber hinaus noch in weiteren Ländern aktiv. 2020 konnten wir 293 681 Kinder und Erwachsene mit unseren Angeboten erreichen und unterstützen.
Eines der Projekte, das wir von Deutschland unterstützen, ist das seit Mai 2021 gestartete Projekt „YOUTH NOW“ in Burundi, das vom Auswärtigen Amt gefördert wird und von unserem lokalen Partner NGO ADJEBUDI vor Ort umgesetzt wird. Dort arbeiten wir mit jungen Menschen zusammen, die besonders gefährdet sind, von oft sehr gewalttätigen Rebellengruppen rekrutiert zu werden. In den Provinzen, in denen wir mit dem Projekt arbeiten ist das Risiko dafür besonders hoch. Ziel des Projektes ist es, bis Dezember diesen Jahres rund 400 junge Frauen und Männer im Alter von 15 bis 30 Jahren in gesellschaftliche Prozesse einzubinden, ihnen wirtschaftliche Chancen zu ermöglichen und so am Ende zum Frieden in ihren Gemeinden beizutragen. Der Ansatz, Friedensförderung mit wirtschaftlicher Hilfe zur Selbsthilfe zu verbinden, verspricht ein großer Erfolg zu werden.

Was ist mit Afghanistan? Könnt oder konntet ihr auch dort helfen?
Afghanistan ist ein Land, das derzeit mit vielen schwierigen Herausforderungen konfrontiert ist, von denen Kinder mit am stärksten betroffen sind. Aufgrund des seit Jahren andauernden Konflikts, der schweren Dürre und der Auswirkungen von COVID-19 sind 18,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 52 Prozent von ihnen sind Kinder. Die zunehmende Gewalt in Afghanistan hat dazu geführt, dass inzwischen fast 400 000 Menschen auf der Suche nach Sicherheit aus ihren Häusern geflohen sind. Verzweifelte Familien, die nirgendwo hin können, bauen notdürftige Unterkünfte und haben nicht einmal Zugang zu den grundlegendsten Dingen wie Lebensmitteln und Hygieneeinrichtungen. Die Nachfrage nach lebenswichtigen Gütern übersteigt bereits jetzt das Angebot. War Child UK unterstützt Kinder in Afghanistan seit 2002 direkt – und unsere Arbeit war noch nie so wichtig wie heute. Trotz der Herausforderungen sind wir immer noch vor Ort und arbeiten rund um die Uhr, um verängstigte Kinder und ihre Familien in Sicherheit zu bringen.

Ihr seid auch im Libanon sehr aktiv. Wie sieht die dortige Situation aktuell aus und inwiefern könnt ihr die Kinder dort unterstützen?
2020 war durch die verheerende Explosion für den Libanon ein sehr schweres Jahr. Mit unseren gut 160 Mitarbeitern vor Ort und vielen Partner-Organisationen konnten wir unter anderem durch ein Erste-Hilfe-COVID-19-Notfallprogramm mehr als 150.000 Menschen unterstützen. Neben der Erstversorgung ging es auch darum, Kindern zu helfen, sich auszudrücken und schmerzhafte Gefühle, Schock und Traumata zu verarbeiten. Wir haben das zum Beispiel mit mobilen Teams gemacht, die nahe gelegene Wohnungen aufgesucht haben, um ganz konkret auf die dringenden Bedürfnisse der Familien eingehen zu können.

Die Bilder von Kindern in Krisengebieten nehmen uns alle immer extrem mit. Aber welche Folgen hat es eigentlich konkret für ein Kind, wenn es in einem Kriegsgebiet groß wird? Und wie helft ihr da?
160 Millionen Kinder weltweit wachsen inmitten von bewaffneten Konflikten auf. Diese Atmosphäre der Gewalt hat viele direkte negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit. Die Folge sind Angst, Beklemmung und Depression. Wenn diese Gefühle nicht verarbeitet werden, kann das zu langfristigen Konsequenzen führen, nicht zuletzt zu einer Wiederholung von Aggression und Gewalt. Wir unterstützen Kinder und ihr Umfeld mit unseren Angeboten, ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Wir wollen sie stärken, damit sie sich selbst als Teil der Gesellschaft erleben, bei der sie die Möglichkeit haben, ihre und die Zukunft aller mitzugestalten.

Ihr habt auch Programme für Kinder in Deutschland, die aus Konfliktgebieten geflohen sind…
Ja und das ist uns auch total wichtig. In Deutschland finden viele Kinder und Jugendliche, die aus Krisen- und Konfliktgebieten geflohen sind, Zuflucht. Schätzungen von UNICEF gehen davon aus, dass von den 1,5 Millionen Asylanträgen, die seit 2015 gestellt wurden, mehr als ein Drittel geflüchtete Kinder und Jugendliche gestellt haben. Das war einer der Gründe, warum wir War Child auch nach Deutschland geholt haben – um auch hier Kinder und ihre Familien zu unterstützen.
Aktuell bieten wir in Deutschland mit unserem Programm “Dare To Dream” unter anderem Kreativ-Workshops in Flüchtlingsunterkünften an, organisieren Sport-Camps – zum Beispiel gemeinsam mit dem FC Sankt Pauli und den Hamburg Towers in Hamburg und Viktoria Berlin in Berlin -, und wir bieten MHPSS-Seminare (= Mental Health Psycho Social Support) für Fachkräfte an, um so diejenigen zu sensibilisieren und stärken, die täglich mit Kindern und Jugendlichen zusammen treffen, die Erfahrungen mit Flucht gemacht haben.

Ihr habt ständig mit so viel Leid zu tun. Was treibt euch an, weiter am Ball zu bleiben?
Auch wir erleben immer auch ein Gefühl von Ohnmacht, wenn wir mit Bildern von leidenden Kindern konfrontiert werden. Neben Spenden zu sammeln – was auf viele Weise geschehen kann, zum Beispiel auf privaten Festen, in der Schule, beim Sportverein, etc. – ist es für uns ganz wichtig, auf das wichtige Thema mentale Gesundheit aufmerksam zu machen. Wir konzentrieren uns bei War Child darauf, Kindern und jungen Menschen zu helfen, mental gesund zu werden und zu bleiben, damit sie aktiv an einer friedlichen Zukunft mitwirken können. Es ist aus unserer Sicht unabdingbar, Kinder mit psychosozialer Unterstützung zu versorgen, damit sie ihre Erfahrungen verarbeiten können. Ein erster Schritt ist dabei, sich zu informieren, Mitgefühl zu entwickeln und diesen Kindern und ihren Familien offen gegenüber zu sein. Kein Kind sollte von Krieg betroffen sein. Jemals. Kinder haben ein Recht darauf, in Frieden aufzuwachsen, frei von Angst und Gewalt. Um ihr volles Potential auszuschöpfen und zu einer friedlichen Zukunft beizutragen – für sich selbst und auch für andere. Und dieser Gedanke ist es, der uns antreibt.

Kann euch jede/r, die/der Lust hat und motiviert ist, ehrenamtlich unterstützen?
Absolut. Wir freuen uns über jedes Angebot. Auch wenn wir aktuell aufgrund der Pandemie nicht so viele Möglichkeiten haben, gibt es immer wieder Dinge, bei denen wir Unterstützung brauchen. Wir freuen uns daher über jeden, der Interesse hat, dabei zu sein.
Unser großer Wunsch ist es, dass viele Menschen anfangen, Verantwortung übernehmen, für das, was auf der Welt und eben teilweise auch in Deutschland passiert. Und dass diese Menschen entsprechend handeln: Indem sie ihre eigene Lebensumgebung positiv beeinflussen und Projekte wie unseres unterstützen.

Liebe Dannie, hab vielen Dank für das Gespräch und alles Gute und viel Erfolg auch weiterhin für Eure so wichtige Arbeit!

Wer die Arbeit von Dannie und ihrem Team unterstützen möchte, kann hierhin spenden:
War Child Deutschland
GLS Bank
IBAN: DE91430609672029274100
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck: z.B. “freie Spende” (oder “Jordanien” oder “Tschad”)

Mehr Infos zu War Child findet ihr hier!