Gesunde Füße ein Leben lang – was wirklich wichtig ist beim Thema Kinderschuhe!

Eines der Eltern-Themen, die wahrscheinlich gerade hier in Deutschland gerne heiß diskutiert werden, ist das Thema „Kinderschuhe“. Da gibt es so viele Meinungen, (Vor-) Urteile, Mythen und Halbwahrheiten. Was stimmt denn nun davon und: Gibt es überhaupt wirkliche allgemeingültige DOs and DONTs beim Thema Schuhe und Fußgesundheit? Festzuhalten ist, dass unsere Füße natürlich so wahnsinnig wichtig sind - und dennoch oft vernachlässigt werden. Sie tragen uns im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben. Wir sind dem Thema einmal auf den Grund gegangen und haben uns mit einem Experten unterhalten. Ran Yona ist Sporttherapeut und hat zusammen mit seiner Frau Anna Wildling Shoes gegründet. Ihn haben wir alles gefragt, was wir schon immer über Kinderschuhe wissen wollten!

Lieber Ran, wie bist du überhaupt darauf gekommen, dich so eingehend mit dem Thema (Kinder-)Schuhe und Fußgesundheit zu beschäftigen?

Das erste Mal, dass unsere Kinder täglich Schuhe brauchten, war, als der deutsche Winter vor unserer Tür stand. Im Frühjahr 2013 zogen wir nach Deutschland, nachdem wir 12 Jahre lang in Israel gelebt hatten, wo unsere Kinder die meiste Zeit ihres Lebens barfuß liefen – sogar im Winter. Aber hier, bei eisigen Temperaturen, war der Winter ein ganz anderes Pflaster. Also mussten wir ihnen Schuhe besorgen. Die Art und Weise, wie sie sich bewegten, veränderte sich sofort – in ihre agile, selbstbewusste Art zu gehen und sich zu bewegen, schlich sich eine gewisse Zurückhaltung. Unser Sohn, dem wir den Spitznamen „Cat“ gaben, begann zu stolpern. Es war schmerzhaft, das mit anzusehen. Schuhe aus, zurück zu fließenden Bewegungen und katzenartigem Gleichgewicht. Natürlich wollten wir etwas dagegen unternehmen. Während unserer Recherchen hatten wir die Gelegenheit, mit vielen Eltern zu sprechen, und die meisten sagten dasselbe: „Mein Kind hasst es, Schuhe zu tragen!“ Unsere Mission war klar: „Kinderschuhe brauchen eine gründliche Umgestaltung!“ Aus dieser Leidenschaft heraus wurde Wildling Shoes geboren.

Interessant! Man hört ja tatsächlich so oft, dass Kinder, die gerade laufen lernen, überhaupt keine Schuhe tragen sollten. Stimmt das wirklich – und wenn ja: warum ist das so?

Die meisten Fachleute im Gesundheitswesen sind sich einig, dass Kleinkinder so viel wie möglich barfuß laufen sollten. Und wenn sie doch Schuhe brauchen, dann sollten sie in diesem Alter weich und „sockenähnlich“ sein. Dahinter stehen zwei Hauptargumente: Das erste betrifft die vorgesehene Funktionsfähigkeit der Fußmuskulatur unter der Annahme, dass ein stützender Schuh die Muskelbewegung einschränkt und daher die ordnungsgemäße Fußentwicklung beeinträchtigen könnte. Das zweite Argument betrifft die sogenannte Propriozeption. Die Fußsohle ist, ähnlich wie die Handfläche, voller Nervenenden, über die das Kind spüren kann, womit es in Berührung kommt. Diese Nervenenden werden grob in zwei Arten unterteilt – sensorische und motorische Nerven. Die sensorischen Nerven sind diejenigen, die uns sagen, ob der Boden eben ist oder nicht, ob er kalt oder warm ist, ob es einen kleinen Stein gibt, den wir mit den Augen übersehen haben – sie geben uns Informationen darüber, wo sich unser Körper befindet. Zur zweiten Art gehören die motorischen Nerven, die unsere Muskeln aktivieren bzw. deren Aktivierung einschränken. Die symbiotische Beziehung zwischen den beiden ist also klar – die sensorischen Nerven sagen den motorischen Nerven, wie sie zu reagieren haben, was den ganzen Körper auf eine bestimmte Art der Bewegung einstellt. Wenn wir ins flache Wasser gehen, wo wir den Meeresboden nicht sehen können, werden wir automatisch anders und vorsichtiger gehen als auf einer dünnen weichen Matratze. Es handelt sich dabei um einen eingebauten Reflex. Wir müssen nicht darüber nachdenken, sondern es geschieht von selbst. Deshalb ist diese Art der Entwicklung für ein kleines Kind, das lernen muss, wo sein Körper aufhört und seine Umgebung anfängt, von entscheidender Bedeutung. Es muss lernen, wie viel Kraft es wann mit seinem Fuß aufwenden muss, wie hoch sein Bein hoch oder runter bewegt werden muss.

Müssen Schuhe hoch und geschlossen sein, damit sie den Füßen in den ersten Lebensjahren mehr Halt geben? Also funktionieren zum Beispiel Halbschuhe nicht?

Diese Aussage ist höchst kontraintuitiv, aber wir müssen sie aus biomechanischer Sicht betrachten. Wenn wir bezüglich des Fußes von einer passiven Struktur sprechen, einem starren Teil, ohne Muskeln oder Bewegung, dann ja. Wenn wir ihm durch hohe geschlossene Schuhe maximale strukturelle Unterstützung geben, wird er demnach geschützt und stabilisiert.
Die Anatomie des Fußes deutet jedoch auf das Gegenteil hin und zeigt eine Struktur, die alles andere als passiv ist. Er ist im Grunde eher wie ein Pogo-Stick auf Gummibändern gebaut. Der Fuß ist so kompliziert und komplex (26 Knochen, 30 Gelenke und mehr als 100 Muskeln, Sehnen und Bänder), dass selbst Leonardo Da Vinci ihn als „ein Meisterwerk der Technik und ein Kunstwerk“ bezeichnete.
Um auf die Frage zurückzukommen: Im Falle des Fußes und unseres Körpers insgesamt scheint also das Gegenteil der Fall zu sein – weniger Unterstützung zwingt dieses Meisterwerk dazu, “lebendig” zu werden und seine eigene Kraft und Stärke zu entwickeln. Dabei ist zu beachten, dass die Füße im Kindesalter in restriktiven Schuhen immer noch funktionieren, nur nicht ihr volles Potenzial an Bewegungsfreiheit ausschöpfen. Daraus können wir schließen, dass niedrige Schuhe für Kinder tatsächlich vorteilhafter sind als hohe Schnitte, die den Fuß angeblich „an Ort und Stelle halten“.
Ein lebendiger Beweis für den Widerspruch in dieser Thematik ist, dass wir sehen, dass in Gymnastik- und Kampfsportkursen, in denen die Drehkräfte auf den Fuß enorm sind, die Teilnehmerinnen barfuß teilnehmen müssen, um das Verletzungsrisiko zu „minimieren“.

Worauf sollte ich beim Schuhkauf achten – Stichwort: richtige Größe?

Eine Sache, die wir sehr oft hören, wenn wir neue Schuhe kaufen gehen: „Keine Sorge, wenn sie zu eng sind. Das liegt nur daran, dass die Schuhe neu sind. Du musst sie nur einlaufen“. Das bedeutet, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen, wenn das Anziehen der Schuhe schmerzhaft ist, denn mit der Zeit werden sich die Schuhe an Ihre Fußform anpassen. Wir sagen: Nicht ganz. In Wirklichkeit ist nämlich das Gegenteil der Fall – mit der Zeit passen sich unsere Füße an die Form und Größe der Schuhe an und gewöhnen sich an die Unannehmlichkeiten. Aber ist es ratsam, Schmerzen zu ignorieren? Schmerzen sind ein Signal unseres Körpers, das uns sagt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es ist generell nicht ratsam, Schmerzen zu ignorieren – Füße bilden hierbei keine Ausnahme. Wenn ein neuer Schuh also zunächst schmerzt, sollte man ihn besser im Geschäft lassen. Eine Faustregel lautet also: Schuhe zu finden, die sich unseren Füßen anpassen, ohne dass sie sich beim Barfußlaufen verformen. Das bedeutet Schuhe mit einer dünnen Sohle (näher am Boden), ohne Absatzerhöhung, die weich sind und einen breiten Zehenraum haben, der unsere Füße nicht in eine Kegelform presst.

Anmerkung der Redaktion: Durchschnittlich einen Millimeter wächst ein Kinderfuß in jedem Monat. Kinderärzt*innen und Kinderorthopäd*innen empfehlen: Neue Schuhe sollten rund 18 Millimeter länger sein als der Fuß. Generell kann man Schuhe durchaus eine halbe Nummer bis eine Nummer größer kaufen. Dennoch dürfen sie auch nicht zu groß sein, denn gerade dann können sie scheuern und Druckstellen verursachen.

Gebrauchte Schuhe: Dürfen Kinder gebrauchte Schuhe tragen und wenn ja, worauf muss ich dabei besonders achten?

Mit Wildling-Schuhen sollte es bei der Wiederverwendung keine Probleme geben. Tatsächlich gibt es viele Gruppen und Communitys, die Wildlinge ohne besondere Probleme online weiterverkaufen. Der Grund, warum dies eine gute Alternative zu neuen Schuhen sein kann, ist die Weichheit der Schuhe. Sie passen sich der Form und der Bewegung jedes Einzelnen an, der sie trägt. Selbst wenn sie von jemand anderem für eine beträchtliche Zeit getragen wurden, passen sie sich an und nehmen die Form der neuen Besitzerin fast augenblicklich an. Ob es sich also um einen neuen oder einen gebrauchten Schuh handelt, ist in unserem Wildling-Fall unerheblich. Denn beide Optionen bieten eine gute Möglichkeit.

Anmerkung der Redaktion: Generell gilt das auch für andere Schuhe. Man kann Schuhe auf jeden Fall auch gebraucht kaufen, sollte diese aber individuell gut prüfen. Zu beachten ist, dass der Schuh insgesamt in einem guten Zustand ist, ohne nennenswerten Abrieb an der Laufsohle und ohne brüchige Stellen.

Welche Rolle spielen die Fußmuskeln eigentlich bei der Entwicklung?

Es gibt ein einfaches Prinzip: „Use it or lose it“. Je härter wir unseren Körper beanspruchen, desto stärker werden unsere Muskeln, nutzt man dazu ihren vollen Bewegungsumfang aus. Das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass auch unsere Knochen davon betroffen sind. Starke Muskeln üben einen stärkeren Druck auf unsere Knochen aus und regen das Knochenwachstum an. Das Prinzip dahinter ist das so genannte „Wolffsche Gesetz“. Dieses besagt, dass sich die Knochen je nach Stärke und Richtung der Belastung anpassen.
Das gilt insbesondere auch für jüngere Kinder, deren Knochen sich ständig entwickeln und neu geformt werden. Die Größe, Stärke und Ausrichtung der Knochen eines wachsenden Fußes hängt, abgesehen von den Auswirkungen der Ernährung, von der Art der Beanspruchung ab. Die Form, die die Füße unserer Kinder nach der Pubertät annehmen, wird die Basis sein, die sie für den Rest ihres Lebens trägt. Und wie die meisten wachsenden Lebewesen brauchen sie idealerweise eine offenen Umgebung, in der sie jedes einzelne „Talent“ einsetzen können, um ihr volles Potenzial zu erreichen.

Diese gesunde Entwicklung kann sich nicht vollständig entfalten, wenn die Füße von klein auf in einem unflexiblen Schuh eingezwängt sind, in dem die Fußmuskeln nicht ihren vollen Bewegungsspielraum ausschöpfen können. Das führt zu einer verzögerten und unvollständigen Entwicklung der Füße. Folglich entwickeln sich auch die Knochen, an denen sie befestigt sind, nur in diesem begrenzten Umfang.
Das Fersenbein (Calcaneus) ist in ganz besonderer Weise gefährdet, da es sowohl an der Vorderseite als Anker für die inneren Muskeln und Bänder des Fußes dient als auch an der Rückseite für die Achillessehne, die zwei der stärksten Beweger des Fußes bündelt. Dieser Knochen ist entscheidend für unsere Haltung und wirkt als Hebel beim Laufen und Springen. Je größer er ist, desto nützlicher wird er. Ein schwacher Fersenbeinknochen führt zu unwillkürlichen Ausgleichsbewegungen, die einen Knochen, einen Muskel oder ein Band überbeanspruchen können, was wiederum orthopädischen Problemen wie Plantarfasziitis, Knieschmerzen, Hüftschmerzen usw. Tür und Tor öffnen kann.

Wenn also die inneren Muskeln im Schuh aufgrund eines Fußgewölbes und einer steifen Sohle nicht normal funktionieren können, gepaart mit einer Fersenerhöhung, die den Bewegungsspielraum der Achillessehne einschränkt, kann das Fersenbein nicht seine voll entwickelte anatomische Form erreichen.
Hinzu kommt, dass das Einklemmen der Zehen in einem herkömmlichen Schuh die natürliche Ausrichtung der Zehen und des Fußgewölbes verändert und die Kräfte, die beim Gehen und Laufen auf sie einwirken, zur Seite verlagert. Daher spielen die Fuß- und Unterschenkelmuskeln zwei entscheidende Rollen: Die eine hängt mit dem Wachstum und der Größe der Knochen in den Füßen unserer Kinder zusammen und die zweite ist die Richtung und Ausrichtung der Knochen selbst, die teilweise von der Zugrichtung der Muskeln abhängen.
Wenn wir barfuß laufen, springen und spielen, wachsen die Muskeln und Knochen unserer Füße zu ihrer maximalen Größe heran und bilden eine starke Basis für unseren Körper.

Früher spielten Kinder auf der Straße mit Springseilen, Hüpfkästchen oder Gummitwist – heutzutage sind diese Bewegungsformen oftmals aus dem Alltag der Kinder verschwunden. Gibt es noch andere gute Möglichkeiten, die Fußmuskulatur zu trainieren? Können Sie bestimmte, einfache Übungen empfehlen? Und wann ist es sinnvoll, eine fachkundige Person aufzusuchen?

Eine große Sorge, die wir persönlich auch bei unseren Kindern erleben, ist dass die Digitalisierung eine immer größere Rolle in ihrem Leben einnimmt, was sich auch auf ihre physische Aktivität auswirkt.
Eine Sache, die jedoch einfach umzusetzen ist und die keinen Widerstand der Kinder hervorruft, ist es, sie zu ermutigen, zu Hause barfuß zu laufen. Allein dadurch werden sie etwa 50 Prozent ihrer Zeit mit dem vollen Gefühl und der Bewegung ihrer Füße ausfüllen.

Wenn man sich Sorgen um die Entwicklung der Füße macht (Plattfuß/Pes planus), kann man einen einfachen Trick anzuwenden: Bittet die Kinder einfach, sich auf die Zehen zu stellen! Normalerweise zeigt der Muskelzug bei dieser Bewegung, dass ein Fußgewölbe sichtbar ist, auch wenn es keines gibt, wenn der Fuß flach auf dem Boden steht. Das ist ein gesunder Zustand. Je öfter wir das tun, desto stärker werden unsere Füße und Wadenmuskeln. Wenn Schmerzen auftreten und das Fußgewölbe beim Zehenspitzengehen nicht ausgebildet ist, könnte dies bedeuten, dass der Fuß an einer strukturellen Knochendeformität leidet. Dann ist es ratsam, ein:e Spezialist:in zu konsultieren, um eine geeignete Lösung zu finden.
In den meisten dieser Fälle kann das Barfußgehen allmählich eine Verbesserung bewirken, indem das Fußgewölbe langsam wieder aufgebaut wird.

Als Übung bieten das Gehen und Stehen auf den Zehen viele Vorteile für unsere Füße und das kann überall und jederzeit durchgeführt werden. Wie eine heimliche Kraftübung, z.B. beim Zähneputzen oder in der Schlange stehen. Es macht auch viel Spaß und kann eine Art Spiel sein: Fordern sie ihre Kleinen zu einem Zehenwettkampf heraus, um zu sehen, wer am längsten in dieser Position bleiben kann. Dann auf einem Bein. Dann das andere Bein. Und dann versuchen Sie das mit geschlossenen Augen. Viele Lacher und Muskelkraft sind garantiert :) !

Vielen Dank, lieber Ran, für deine ausführlichen Erläuterungen!

Da haben wir ja schon viel gelernt zum Thema. Generell ist es uns wichtig, festzuhalten: Abwechslung ist das A & O beim Thema Fußgesundheit! Gerne so oft wie möglich einfach barfuß gehen, verschiedene Untergründe ausprobieren, die eigenen Füße, Sensorik und die Balance spüren. Und dabei aber keine Angst haben, etwas grundlegend “falsch” zu machen. Denn da geben tatsächlich viele Kinderorthpäd*innen Entwarnung (siehe dazu auch hier)! Es gibt im Prinzip keinen Kinderschuh (vorausgesetzt er passt richtig und engt nicht ein), der gesunde Kinderfüße kaputt machen kann. Spezielle orthopädische Schuhe brauchen nur Kinder mit Fehlstellungen, die nicht oder nicht mehr „von selbst“ verschwinden können. Und falls ihr da Sorgen oder Zweifel habt, wendet euch auch jeden Fall erst einmal an eine Person vom Fach. Keep on walking!

Und falls ihr für euch oder eure kleinen Wilden neue Schuhe braucht, dann haben wir hier auch einen Rabattcode von Wildling für euch. Mit dem Code WILDLINGlittleyears bekommt ihr eure Bestellung versandkostenfrei geliefert!

Dieser Beitrag entstand in freundlicher Kooperation mit Wildling Shoes. Die Bilder stammen von Sandra Chiolo.