Gemeinsam ist man weniger allein – Freundschaften in der Pandemie

Früher habe ich immer gedacht, dass Freundschaft erst einen richtigen Wert bekommt, wenn man sich über viele viele Jahre kennt, zusammen Geschichte geschrieben hat und gemeinsam in Erinnerungen schwelgen kann. Alles andere sind Bekanntschaften. Nette Begegnungen, manchmal begleiten sie uns ein Stück und dann verabschieden sie sich wieder. In den letzten 12 Monaten haben Freundschaften aber noch mal einen ganz anderen Stellenwert bekommen und zwar alle - die großen, die kleinen und auch die ganz zarten Freundschaften, die gerade erst angefangen haben, zu blühen. Eine Liebeserklärung...

Völlig selbstverständlich haben wir uns früher auf einen Kaffee getroffen. Oder einen Wein. Mal ein mal die Woche, mal haben wir es einfach nicht geschafft und ständig unser Date verschoben. Wir hatten keine Eile, konnten uns ja schließlich immer treffen. Dachten wir. Aber jetzt ist alles anders. Jetzt sehen wir uns nur noch über einen Bildschirm, meistens sind wir müde. Stoßen ab und zu trotzdem an, aber es ist natürlich längst nicht das Gleiche. Müssen sogar unsere Geburtstage plötzlich durch eine Glasscheibe feiern, inklusive Delay. Wir schicken uns Blumen, kleine Geschenke und wissen, dass wir gerade alle dasselbe fühlen. Wir vermissen einander – und trotzdem sind wir in Gedanken ganz nah.

Dann kam der erste Lockdown und noch ein Zweiter und mit ihnen die neuen Freundschaften, vielleicht waren sie vorher „nur“ die super netten Eltern der anderen Kinder, oder Nachbarn, die man nur vom Sehen kannte. Plötzlich werden sie zum Mittelpunkt des Alltags. Es wird füreinander gekocht, eingekauft, die Kinder mit zum Spielen mit raus genommen. Aus netten Plaudereien werden intensive Gespräche, die nachhaltig Eindruck hinterlassen. Wir lernen uns immer besser kennen und bilden eine Gemeinschaft, die sich untereinander hilft. Dieses WIR bekommt eine neue Bedeutung, soziale Kontakte einen neuen Wert. Das Leben in der Großstadt spielt sich plötzlich in vier Straßen ab – und ihr seid unsere neuen Lieblings-Protagonisten. Das kleine Dorf wird zur Familie. Gemeinsam ist man schließlich weniger allein.

Vielleicht braucht es erst eine Pandemie, um mal wieder öfter „Danke“ zu sagen. „Wie schön, dass es dich gibt“ oder „Ich liebe dich“ – vielleicht haben wir es vorher nur gedacht, aber nicht gesagt und aufs nächste Treffen verschoben. Vielleicht wird uns noch bewusster, wie fragil und besonders unsere zwischenmenschlichen Kontakte sind und auf welche wir auf keinen Fall mehr verzichten wollen. Und auch wenn wir oft müde und auch mal traurig sind, sollten wir unbedingt auch an all die denken, die eventuell nicht so ein stabiles Netzwerk haben. Die Single-Freundin, die immer so tough wirkt, aber jeden Tag alleine im Homeoffice sitzt. Die alleinerziehende Freundin, die sich bestimmt wahnsinnig über einen Topf Bolognese freuen würde. Der Kumpel, der mal wieder einen Spaziergang in der Sonne gebrauchen könnte. Die alte Schulfreundin, die sich so sehr über eine geschriebene Karte freuen würde. Der nette Nachbar, der immer unsere Pakete annimmt und bestimmt auch gerne selbst gebackenen Kuchen isst.

Denn wenn wir eins gelernt haben, dann, dass wir die letzten Monate auf ganz schön viel verzichten konnten. Aber nicht auf die, die uns gerade ein Lächeln schenken.