Die Namen unserer Kinder

Nomen est Omen - oder doch nicht? Wenn wir unseren Kindern Namen geben, stellen wir uns eine Zukunft für sie vor. Oder ist es vielleicht ganz anders?

Dem Kind einen Namen geben fühlt sich an, als sei es eine ganz große Sache. Fast größer als das Kind selbst, hat man doch als Eltern eine fast gottähnliche Schöpfungskraft: Erst zeugt man dieses Kind und dann benennt man es auch noch! So als ob man ein wenig seine Zukunft bestimmen könne. Kannte man nicht mal diese Person oder Bekanntheit mit dem tollen Namen? Vielleicht wird das Kind ja doch ein ganz kleines bisschen so, wenn man ihm den gleichen Namen gibt?

So unterschiedlich wie die Menschen sind, so ähnlich sind die Kriterien, nach denen wir unsere Kinder benennen. Er soll dem ästhetischen Empfinden entsprechen und irgendwie besonders sein. Und natürlich soll er dem Kind auch “entsprechen”. Ich bestand beispielsweise zwei Mal darauf, mehrere Namen in der Pipeline zu haben, um dann nach der Geburt zu schauen was das Kind denn so für ein Typ ist. Ein wenig Selbstbetrug lag dann aber doch dahinter: Bei beiden Kindern wählte ich den Namen, der schon vorher der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Mutter und Vater war. Unabhängig davon, ob der Name denn nun auch “passte” – was immer das eigentlich genau bedeutet, wenn man bedenkt wie zerknautscht Babys in den ersten Tagen aussehen und wie wenig man doch ihren Charakter erahnen kann.

Eine Bekannte nannte die Generation der Millienials mal die Einhorn-Generation. Weil sie alle der Meinung seien, etwas ganz besonderes zu sein. Ganz besonders individuell. Und auch heute glauben wir doch meist, unsere Kinder sind speziell und erziehen sie gern zu kleinen Individualisten. Deshalb müssen es auch die Namen natürlich auch sein! Zumindest so individuell, dass es im erweiterten Bekanntenkreis keinen zweiten davon gibt. Warum häufen sich dann aber doch Namen? Wer kennt nicht einen Anton, Arthur, Henri – eine Ava, Ella oder Charlotte? So individuell und besonders wir doch denken, dass die Namen sind, in den meisten Fällen finden wir sie auf der Hitliste der beliebtesten Namen des vergangenen Jahres, oops. Auch noch so “individuelle” Eltern sind eben meist doch Teil eines sozialen Trends.

Namen unterliegen also Trends und dem Zeitgeist: Mal sind sie länger, mal sind sie kürzer (im Moment wieder kürzer). Mal sind bestimmte Konsonanten angesagter als andere. Gerade sind es zum Beispiel L,M, oder N. Weltweit ist übrigens Emma der beliebteste Name! Eltern in Deutschland gehen aber auch Herkunftstrends nach: In den Fünfziger und Sechziger Jahren waren aufgrund der vielen Italien-Reisen in der BRD italienische Namen angesagt: Mario oder Marina zum Beispiel. Dann gab es wohl eine französische Phase: Pierre, Nadine oder René. Später, in den 80ern waren englisch/amerikanische Namen angesagt. Dann kamen die Nordischen (Hallo Finn, Erik und Lasse!) und seit etwa zwei Jahrzehnten geht der Trend zu altdeutschen Namen. Wobei ich in meinem Umfeld auch wieder einen Trend ins Nordische beobachte…

Sozialer Status, Geschmack, Bestreben und Identität

Sind wir aber mal ehrlich: Geben wir unseren Kindern tatsächlich Namen, die für sie gedacht sind? Oder wollen wir nicht viel eher etwas über uns aussagen? Laut Studien geben wir unseren Kindern nur vermeintlich Namen, die ihre Zukunft bestimmen sollen. Viel eher, und das tun wir wahrscheinlich unbewusst, wollen wir etwas über uns selbst aussagen.

Konservative(re) Eltern geben ihren Kindern gerne jene “alten, schönen” Namen. Karl, Maximilian, Katharina, Antonia. Vermutlich wollen sie damit einen gewissen Bildungsgrad vermitteln, sich abgrenzen, sich auf Traditionen besinnen (häufig wird ja sogar der Name der (Ur-) Großeltern wiederverwendet!) und Teil einer (Groß-) Bürgerlichkeit anzeigen. Das neue Biedermeier sozusagen; die Familie steht im Mittelpunkt.

Liberale Eltern geben ihren Kindern dagegen gerne Namen, die eine bestimmte, manchmal verworrene, kulturelle Referenz darstellen und unbedingt ausgefallen sein sollen (so besagt es eine US-amerikanische Studie: “A liberal mother is about 50 percent more likely to give her girl an uncommon or unique name than a conservative mother. “). Man demonstriert seine angeblich kulturelle Überlegenheit und signalisiert: kulturelles Kapital. Wahrscheinlich sehen diese Eltern eine kreative und sehr individualistische Zukunft für ihre Kinder.

Es geht also bei der Benennung weniger um die Kinder, als um uns Eltern. Um unseren Geschmack, unsere Identität, unsere Zugehörigkeit, unsere (vielleicht unerfüllten) Wünsche. Und das ist auch ok so. Studien besagen nämlich, dass der Name des Kindes relativ wenig Einfluss auf den Werdegang haben wird. Auch ein “Kevin” hat letztendlich keine wirklichen Nachteile. Es hängt von vielen anderen Faktoren ab, ob Kevin mal Karriere macht oder nicht, von seinem Namen eher weniger. Bei der Forschung kam aber auch heraus: Jungs, die einen eher “sanfter” klingenden Namen haben, sind in der Regel aufmüpfiger. Und Frauen, die eher “härter” klingende Namen haben, haben später größere Chancen auf eine juristische Karriere.

Ganz egal sind die Namen also doch nicht. Und leider habe ich auch schon von Freunden, die einen iranischen oder arabischen Namen besitzen gehört, sie hätten es bei der Wohnungssuche besonders schwierig.

Ich für meinen Teil bin ziemlich zufrieden mit der Namenswahl meiner Eltern. Marie ist irgendwie klassisch, unkompliziert und schön. Als Kind war ich auch immer die einzige Marie, nun höre ich meinen Namen immer wieder auf Spielplätzen – und er ist seit Jahren unangefochten der am meisten verwendete zweite Name, früher war das Maria – auch hier ist also eine Rückbesinnung auf alte Traditionen sichtbar.

So oder so: Ich hoffe, dass es beiden Jungs mal ähnlich geht und sie ihren Namen ein Leben lang gerne hören!