Bin ich babymüde?

Darf man das überhaupt, müde sein vom eigenen Baby? Ich meine damit nicht die Müdigkeit der schlaflosen Nächte, sondern das Verlangen danach, einfach mal alles abzugeben: Die Verantwortung, das Kümmern, die Planung des Alltags. In einem See aus Gedankenlosigkeit schwimmen, lange schlafen und im Bett essen, Bücher lesen, spät rausgehen und noch später nach Hause kommen.

Noch vor ein paar Wochen war ich mir sicher, dass ich immer so weitermachen könnte: Früh, oft auch sehr sehr früh aufstehen, viel draußen sein, andere Mütter treffen, über Babys reden und das, was man eigentlich alles noch vorhatte.

Dieses verflixte erste Jahr

Dieses „Gerne mal wieder allein sein-Gefühl“ schlich sich bei mir einfach so, ohne große Voranmeldung, in meine bis dahin glücksselige Babybubble. Bubble und nicht Blase, weil sie mir so schillernd und gemütlich und wunderschön wie das Wort Bubble vorkam, wie ein Fass voll mit Seifenblasen. Ich wollte nie wieder arbeiten gehen, jeden Tag Mutti-Freundinnen treffen, Musik- und Krabbelkurse besuchen und zur Kita Rushhour nachmittags ein Eis essen. Mit Babybrei am Pulli einkaufen? Pah, sowas von egal, nein sogar eine Auszeichnung, ein Gütesiegel für Mama am Werk – hier wird schließlich gearbeitet! Also alles, was ich selbst relativ schrecklich fand an Müttern, als ich selbst noch keine war, habe ich dann doch sehr exzessiv betrieben. Und wie bei allem, das man ausreizt, stellt sich irgendwann das genaue Gegenteil ein:

Nichts wäre gerade aufregender, als wieder 20 Jahre alt zu sein und verantwortungslos machen zu können, was auch immer man will.

Im ersten Jahr ist es einfach so: Man erwartet permanent zu viel von sich selbst, zu viel vom Kind und noch mehr vom Partner. Kein Wunder, dass sich der Anspruch, die Müdigkeit und die Erschöpfung irgendwann kummulieren und man sich für fünf Minuten wünscht (wahlweise auch länger), wieder nur mit sich selbst zu sein.

Ich hatte die vage Hoffnung, dass sich mit Baby manche Probleme auflösen, weil sich die Prioritäten verschieben und man sich selbst nicht mehr so wichtig nimmt. Das stimmt, zumindest an manchen Tagen. Doch es ist manchmal auch andersherum: Die Probleme bleiben, es kommen nur noch mehr dazu. Wenn man dann wie ich – noch gerne Ratgeberbücher liest, kommt man aus dem Lesen – falls man a) noch die Zeit dafür findet oder b) dafür noch Energie übrig hat – gar nicht mehr raus – Thema Schlafen, Thema Essen, Thema Erziehen… Es gibt eigentlich nichts, was man nicht noch optimieren könnte.

Vielleicht ist das ein Teil des Problems: Ohne Kind war ich es gewohnt, an mir oder einem Umstand, den ich ändern möchte, zu arbeiten. Dinge zu hinterfragen, sie zu verbessern, und zu verändern Das fehlt mir als Mutter. Ich muss mich daran gewöhnen, dass mein Baby seinen ganz eigenen Rhythmus hat, den ich nur ganz bedingt beeinflussen kann. Ein Glück! Denn wenn wir alles durchoptimieren, wohin soll das führen? Ein Baby könnte immer noch besser schlafen, weniger nörgeln oder toller essen. Es hört niemals auf. Vielmehr geht es darum, seine eigenen Ansprüche zu hinterfragen. Eine weise Frau hat mir einmal gesagt, ein Kind zu bekommen, das sei das Wildeste und Kreativste, was man in seinem Leben machen kann.

Vielleicht sollten wir das mit dem Kinder Großziehen einfach mal von dieser Warte aus betrachten. Als eine kreative Herausforderung, die wir auch spielerisch und nicht nur gestresst angehen können.

Bei all dem Jammern und müde sein und der Verantwortung, die man nie wieder abgeben kann, sind unsere Babys oftmals die besten Lehrmeister. Sie zeigen uns unsere Schwachstellen auf, lehren uns Geduld und lassen uns kreative Lösungen ausdenken.
Und gerade dann, wenn wir frustriert aufgeben wollen, passiert wieder etwas: das Baby schläft länger am Stück, der Zahn bricht durch.

Ist das vielleicht Teil des Kreislauf des Lebens? Darum geht es doch im Großen und Ganzen: Um Anspannung und Entspannung. Auf und ab. Phasen, die kommen und gehen. Auch das ist etwas, was wir in unserer Leistungsgesellschaft aus den Augen verloren haben. Es soll immer nur höher, weiter, schneller gehen.

Als Mutter und selbstbestimmte Frau, die man vorher war, heißt das auch, eine neue Art der Gelassenheit zu entwickeln , die uns hilft, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Bestimmte Sachen lassen sich nicht beeinflussen.

Und man braucht die Größe, sich selbst und all die Dinge, die man nebenbei noch schaffen wollte, hintenanzustellen und zu sagen: Ich mache mich nicht mehr verrückt mit dem, was ich noch alles machen könnte, sondern stelle den luxuriösen Umstand der Elternzeit, sich für eine bestimmte Zeit nur auf mein Baby konzentrieren zu dürfen, ganz nach vorne.

Die berühmte Me-Time

Das Ritual, das mir in Zeiten der Babymüdigkeit geholfen hat, war relativ simpel: Morgens schwimmen gehen. Das Baby bleibt beim Mann oder einer Babysitterin. Ins Wasser eintauchen, den Körper wieder spüren, sich freischwimmen vom Wirrwar im Kopf und der Müdigkeit. Und danach kurz auf dem warmen Boden oder der Liege ausruhen. Einfach nur eine Stunde allein sein. Das wirkt Wunder. Das ist jetzt wirklich keine große News und steht auch so in jedem zweiten Worklifebalance Artikel, aber wir machen es trotzdem viel zu selten. Das Großartige an fast jeder Sportart: Der Kopf wird frei und leicht, und alles scheint nur noch halb so schlimm, nein sogar machbar. Vielleicht ploppen während man untertaucht noch ein paar Ideen im Kopf auf, was man noch so alles für sich machen könnte. Und noch während ich mich abtrockne, freue ich mich wieder auf mein Baby, und auf alles was zu diesem Leben dazugehört.