Aktiv gegen den Klimawandel – mit Kind(ern)

Die sogenannten Antinatalisten propagieren: Gar nicht erst Kinder bekommen, die die Umwelt noch mehr belasten. Das oder auch #BirthStrike klingt noch mal krasser, als die gerade grassierende Flugscham oder Fleischscham – tja, die bittere Wahrheit ist: Das wäre bei einer wachsenden, aktiven Anhängerschaft durch eine ungleich höhere CO2-Reduktion aber wesentlich effektiver.

Klimawandel, Klimaschutz und ökologischer Fußabdruck – dass dieser Themenblock heute allgegenwärtig, sehr facettenreich und unfassbar komplex ist, ist den meisten bewusst und lässt mir förmlich den Kopf platzen.

Mit klaren Fakten kann ich mich dann meist wieder beruhigen. Deswegen sprach mich diese Aufzählung der vier effektivsten Maßnahmen zur Reduktion des persönlichen CO2-Fußabdrucks von Kimberly Nicholas, Professorin für Nachhaltigkeitsstudien an der schwedischen Lund Universität, und Seth Wynes an (dafür hatten sie 39 Einzelstudien und 148 Szenarios in zehn Industrieländern ausgewertet): 1. Weniger Kinder bekommen. 2. Das Auto abgeben. 3. Nicht fliegen. 4. sich fleischlos ernähren.

Geringer Effekt durch alltäglichen Umweltschutz

Das Leben einer kinderlosen Veganerin, die komplett auf Auto und Flugzeug verzichtet, will ich allerdings nicht führen. Da wird es den meisten hier genauso gehen. Dennoch verdeutlicht das Ergebnis und auch der Ansatz der Antinatalisten, dass viele der derzeit als unerlässlich erklärten Maßnahmen zu Klima- und Umweltschutz ebendies nicht sind, bzw. dass sie viel zu kurz greifen. Umso unsinniger ist es, andere auf Social Media Plattformen oder Face to Face zu bashen, weil sie vom eigenen Umweltschutz-Ansatz abweichen. Versteht mich nicht falsch: Müll gehört in die Tonne, am besten in eine speziell dafür vorgesehene, Elektrogeräte und Lichter sollte man bei Nichtgebrauch ausknipsen und Wäsche lieber auf die Leine, statt in den Trockner werfen. All das ist gut, nicht zuletzt für das eigene Selbstverständnis und die Vorbildfunktion gegenüber unseren Kindern – aber es bleibt bei einem sehr geringen Effekt. Das heißt konkret: Wer seine Wäsche zum Trocknen aufhängt, spart 0,21 Tonnen CO2-Äquivalent, wer sich pflanzlich ernährt 0,3-1,6 Tonnen – wer auf ein Kind verzichtet, spart 23,7 bis 117,7 Tonnen CO2-Äquivalent pro Jahr, in Abhängigkeit von Alter und Lebensumständen des Kindes.

Das Ergebnis von Nicholas und Wynes bezieht sich dabei nur auf den Einfluss, den der Einzelne unmittelbar auf seine eigene CO2-Bilanz nehmen kann. Massive Klima-Bedrohungen, beispielsweise aus dem Energiesektor durch die Verbrennung fossiler Energieträger, bleiben somit außen vor. Das heißt also nicht, dass diese Punkte plötzlich weniger wichtig sind, sondern nur, dass man als einzelner eben schwer einen direkt messbaren Einfluss auf die CO2-Bilanz der Kohleindustrie ausüben kann, die natürlich ungleich höher ausfällt: der größte Energiekonzern Deutschlands schießt über 180 Milliarden Tonnen CO2 jährlich in die Atmosphäre.

Was kann ich sonst noch tun?

Einen Leitfaden für den privaten Klimaschützer, der dann recht entspannt und ohne große Einbußen dazu beiträgt, dass sich die globale Erderwärmung rechtzeitig auf die notwendigen 1,5 Grad Celsius begrenzt, gibt es nicht. Leider. Deswegen wollte ich ursprünglich zumindest eine kleine Liste praktischer Tipps für eine etwas geringere, persönliche CO2-Bilanz mit euch teilen. Da es von dieser Art aber schon unzählige online gibt und aktuelle Studien auf ihre begrenzte Wirksamkeit hinweisen, erschien mir meine geplante Liste wenig sinnvoll. Deswegen habe ich überlegt, was man sonst noch machen kann – über Mülltrennung und Stromsparen hinausgehend, aber ohne das eigene Leben komplett auf den Kopf stellen zu müssen.

Klima-Kommunikation

Ich selbst ertappe mich immer mal wieder dabei, wie ich eher „ungemütliche“, aber mir wichtige Themen – wie Klimawandel oder den Missstand der Massentierhaltung – in Unterhaltungen mehr oder weniger bewusst umschiffe. Deswegen habe ich mir jetzt explizit vorgenommen, mehr darüber zu sprechen und zu schreiben. Das heißt für mich: Einfach die Klima-Themen ansprechen, die mich interessieren. Und da Fragen stellen, wo ich unsicher bin, und vielleicht andere mehr wissen. Das geht zuhause, altersgerecht für Kinder erklärt oder mit dem Partner, in Kita, Schule, mit Freunden und, wenn es sich ergibt, unterwegs auf der Straße.

Und selbst, wenn eine Unterhaltung in dem Moment keine großen Erkenntnisse, sondern eher Fragen mit sich bringt, führt das im Idealfall dazu, dass man sich näher informiert, weiter darüber spricht und sich vielleicht ein Stück mehr engagiert.

Und noch mal zur Klima-Kommunikation mit Kindern: Da der Klimawandel die Generation unserer Kinder ja noch viel mehr betrifft als uns selbst, kann man gar nicht früh genug anfangen, darüber zu sprechen. Klingt etwas kompliziert, in der Praxis muss das aber gar nicht trocken oder belehrend ablaufen, sondern kann sich genauso selbstverständlich wie andere Themen entwickeln. Meine Dreijährige fragte beispielsweise letztens, was eigentlich Umwelt sei und mein knapp Zweijähriger mokiert sich immer lautstark über den Müll, den er auf der Straße findet.

Sehr wichtig finde ich außerdem, dass in Schulen und auch schon in Kitas ganz selbstverständlich und alltäglich über Umwelt und Klimawandel gesprochen wird; dass praktische Tipps an die Hand gegeben und aktuelle Fakten und Entwicklungen in den Unterricht integriert werden.

Demonstrationen

Demonstrationen gehören in gewisser Hinsicht ja auch zum Thema Kommunikation – nur dass die Zahl der Beteiligten natürlich höher als in typischen Alltagsgesprächen ausfällt und der Dialog im Idealfall vom persönlichen ins öffentliche Bewusstsein gerät. Und hier besteht tatsächlich die Chance, politisch Druck auszuüben: auf diejenigen, die (anders als wir zuhause mit sparsamem (Öko-)Stromverbrauch und umweltfreundlicher Wäscheleine) wirklich große, nachhaltige und bedeutende Verbesserungen für die Umwelt herbeiführen können. Im Bereich Energie etwa dadurch, dass bis 2025 alle Braunkohlekraftwerke gedrosselt und alle älteren Steinkohlekraftwerke stillgelegt werden, was natürlich längst überfällig ist. Im Bereich Verkehr etwa durch eine echte Verkehswende; eine Verkehrspolitik, die das Auto und das Flugzeug nicht mehr subventioniert, sondern sich auf umweltfreundlichere Fortbewegung konzentriert.

Am 20. September – diesen Freitag! – gehen wir alle geschlossen auf die Straße. #AllefürsKlima. Viele Läden und Unternehmen streiken, bei Isabel geht die gesamte Klasse ihres Sohnes geschlossen mit. Macht mit! Je mehr Druck das Volk ausübt, je deutlicher spürt die Politik, dass wirklich etwas passieren muss und das Thema endlich ganz oben auf die Agenda gehört.

Von zuhause: Petitionen

Dass es nicht jedem möglich ist, ganz besonders mit kleinen Kindern, auf die Straße zu gehen und sich so für die Umwelt einzusetzen, ist klar. Eine gute Alternative dazu kann sein, sich selbst mit Petitionen zu engagieren oder entsprechende Petitionen zu unterschreiben. Wenn ich innerhalb einer Woche die zehnte Petition unterzeichne habe, aber der direkte Effekt natürlich ausbleibt, zweifle ich doch manchmal an der Effektivität. Doch im Endeffekt bin ich mir sicher, dass für die Initiatoren – wie man so schön sagt – tatsächlich jede Stimme zählt. Beispiele sind zum Beispiel diese Petition für den Ausruf des Klimanotstands und diese für den Kohleausstieg.

Stromanbieter wechseln

Das ist wirklich (zumindest fast) ganz nebenbei umsetzbar: den Stromanbieter wechseln. Bei der Wahl des Ökostroms muss man nur genau hinschauen, da nicht jeder Anbieter, der mit Öko-Strom wirbt, auch tatsächlich nachhaltig produzierten Strom im Angebot hat. Wer sich für ein Angebot mit einem Mindestmaß an Energiewendenutzen entscheiden, aber keine Zeit für endlose Recherchen hat, kann sich beispielsweise hier informieren. Wir setzen auf Lichtblick, Greenpeace Energy und Naturstrom. Würde kein deutscher Bürger von den konventionellen Stromanbietern Strom beziehen, DAS wäre doch mal wirklich ein Zeichen und würde die großen Energie-Unternehmen, die wie gesagt ungleich mehr CO2 ausstoßen, als jeder Einzelne, wirklich unter Druck setzen.

Wählen

Die großen Schritte für eine echte Energie- und Verkehrswende und auch für Gesetze, die im großen Stil zu einer besseren CO2-Bilanz führen, muss die Politik machen. Deshalb: geht wählen! Und überlegt euch gut, wo ihr euer Kreuz macht. Die konservativen Parteien haben in sehr vielen Bereichen jahrzehntelang sehr viel verpasst…

Und natürlich:

Jeder Schritt, den wir als einzelner Mensch gehen, zählt. Auch wenn unser eigener CO2-Abdruck tatsächlich am Ende nur einen sehr geringen Einfluss hat, so ist doch alleine das Bewusstsein und das, was wir unseren Kindern weitergeben, viel wert. Weniger (oder gar kein) Fleisch konsumieren, pflanzliche Alternativen, regional einkaufen, Second Hand kaufen, Flugreisen minimieren, das Auto stehen lassen, Ökostrom beziehen, keinen Wäschetrockner haben, all das ist nicht umsonst. Und auch jedes Stück Müll, das wir nicht in  die Tonne werfen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Also…

wie gesagt, ich denke: Gegen den Klimawandel kann man sich auch mit dem eigenen Kind einsetzen. Auch wenn die großen Schritte die Politik gehen muss und der Klimawandel nicht auf das Individuum umgemünzt werden kann. Engagement ist wichtig. Für das eigene Kind tut man das im Zweifelsfall auch mit noch mehr Inbrunst. Die gibt man dann hoffentlich an die nächste Generation weiter (das fällt bei den Geburtsstreikenden dann natürlich weg).