Welche Trends gibt es in Sachen Kinderzimmer?

Lena Thamm arbeitet seit 15 Jahren für das renommierte Pariser Trendstudio Lidewij Edelkoort. Als Researcher & Iconographiste ist sie ihrer Zeit voraus und weiß, mit welchen Farben, Textilien und Themen wir uns in der Zukunft beschäftigen werden. Ihre große Leidenschaft ist es, Räume, Apartments und Häuser von Familien so zu gestalten, dass sich die Bewohner dort ganz besonders wohlfühlen. Derzeit wohnt sie mit ihren zwei Kindern Paloma Rose und Luca Matisse und ihrem Partner in Straßbourg. Und weil ich gerade ständig an Kinderzimmer-Einrichtung denke, habe ich mit ihr ein Interview zu diesem Thema geführt!

Ich bin gerade dabei unser Babyzimmer zu entrümpeln und es in ein richtiges Kinderzimmer zu verwandeln. Was als Spaßprojekt anfing, raubte mir nach kürzester Zeit die Nerven – es gibt unendlich viele Möglichkeiten und es fällt mir wahnsinnig schwer, mich z.B. für eine Wandfarbe zu entscheiden.
Wie empfiehlst Du, bei der Einrichtungsplanung vorzugehen?

Eine Wohnung oder ein Familienhaus so zu gestalten, dass Eltern einen gewisse Designästhetik verspüren und Kinder dennoch sichtbar sind und frei sein können in ihrer Gestaltung, stellt einen immer wieder vor eine große Herausforderung. Der Trick ist, den richtigen Mix zu finden zwischen alt und neu, sowie modern-kühlen Materialien und gebrauchten Möbeln, die eine Geschichte in sich tragen. Auf der Suche nach einem eigenen Stil für das Kinderzimmer würde ich ganz profan zuerst einmal empfehlen, sich bei Pinterest auf die Suche zu machen. Der Trick dabei ist, zu filtern, denn es gibt dort sehr viel. Dennoch merkt man bei einer Pinterest-Suche sehr schnell, zu welcher Tendenz man neigt. Ich würde mir bei der Recherche nicht nur Kinderzimmer, sondern auch Prints ansehen, wie Illustrationen oder Drucke von Grafik Designern, die speziell für Kinder entworfen wurden. So kann man sehr schöne Farbkompositionen finden. 

Du sagst ja schon: Auf Pinterest gibt es eine Flut an Bildern und zigtausend Möglichkeiten. Für viele von uns ist das ziemlich überwältigend. Wie kann ich dort trotzdem das richtige finden? 

Ideal ist, wenn Du Dir mit einer Sache schon sicher bist. Zum Beispiel, dass Du auf jeden Fall ein Rattanbett für das Kinderzimmer möchtest. Oder eine bestimmte Art von Teppich. Wenn Du konkret nach diesen Bezeichnung suchst, siehst Du sehr genau, wie diese Möbel inszeniert wurden. So kann man gut nachverfolgen, was sich gut miteinander kombinieren lässt. Oft erschließt sich dann eine Route, der man folgen kann. Außerdem sollte man sich klarmachen, ob es einem eher um Funktionalität oder Ästhetik geht: Will ich ein Designkinderzimmer oder eher ein ganz praktisches Zimmer, mit viel Stauraum? Und vor allem: Was passt zu meinem Kind und welches Budget ist vorhanden? Es gibt natürlich auch viel DYI Möglichkeiten oder Ikeamöbel, die man noch verschönern kann.

Welche Trends gibt es denn gerade im Bereich Kinderzimmer? 

Obwohl ich selbst nach Trends Ausschau halte und auch gerne in schönen Läden stöbere, würde ich beim Thema Kinderzimmer komplett davon abraten, einem Trend zu folgen. Das Kinderzimmer soll einem Kind gehören, es soll dort freudig spielen können und sich wohlfühlen. Blind einem Trend zu folgen und eine Farbpalette anzulegen, die man sich als Erwachsener aufgrund von „Trends“ herausgesucht hat, führt oft nicht zum gewollten Ergebnis oder fühlt sich nicht „echt“ an. 

Gibt es denn so etwas wie zeitlose Trends?

Weg von Plastik, hin zu Naturmaterialien wie Holz. Wenn man sich zum Beispiel daran orientiert, ergibt sich daraus ganz natürlich eine Farbpalette, die sich an Töne aus der Natur anlehnt.

Wie würdest Du so eine natürliche Farbpalette beschreiben?

Da gibt es ganz vielfältige Farbrichtungen, ein Beispiel sind „Neutral Colours“. Das sind zurückhaltende Farben: Von weiß, creme bis beige und sandfarben. Folgt man dieser Richtung, können sich daraus „Dyed Colours“ ableiten, das können zum Beispiel Farben sein, die aus mit Tee gefärbten Textilien entstehen. Und schon entspringt eine Idee zu einer Farbpalette – Roibuschtee hat eine bräunlich-rötliche Färbung, bei Textilien die z.B. mit Zwiebeln gefärbt wurden entstehen Terrakotta-Töne. In der Natur gibt es unglaublich viel zu entdecken, aus dem man sich eine Farbpalette individuell zusammenstellen kann. Möchte ich beispielsweise tiefer ins Thema Holz einsteigen und mir dahingehend eine Farbpalette zusammenstellen, gucke ich mir nicht nur Holzmaterialien an, sondern auch Künstler, die mit Holz arbeiten, also gehe ein wenig freier an die Sache ran. Im zweiten Schritt überlege ich dann, was davon gefällt mir und was gefällt meinem Kind?

Da würde ich gerne noch mal einhaken, wie sich das konkret umsetzen lässt. Nehmen wir an, ich finde Moos schön und aprikotfarbene Tulpen. Wie würde ich das auf ein Kinderzimmer übertragen? 

Das Umsetzen ist natürlich die große Herausforderung. Da gilt es dann auf Tour zu gehen und sich ganz viel anzugucken. Das kann ein Kissen sein, das einen besonders schönen Bezug hat, mit moosgrünen Anteilen. Dabei sollte man gleichzeitig mitdenken – was habe ich schon, worauf will ich aufbauen? Was könnte ich dazu kombinieren? 

Kinderzimmer sind ja oft eher klein. Gibt es da etwas zu beachten?

Je kleiner der Raum, desto mehr sollte man sich auf eine Fläche oder eine Sache konzentrieren und drumherum alles weitere aufbauen. Gibt es schon eine bunte Fläche wie einen Teppich, sollten die Wände entsprechend ruhiger bleiben. In kleine Zimmer muss Ruhe rein. Größe und Licht erzeugt man entsprechend durch helle Farben. Denkbar wäre bei einem kleinen Zimmer eine dezente Wandfarbe, z.B. ein helles Apricot, kombiniert mit einem farbenfrohen Teppich. Vermeiden würde ich dunkle oder generell nicht reflektierende Wandfarben und dunkle Teppiche. Wenn der Raum groß ist, können entsprechend mehr Stilbereiche und dunklere Töne untergebracht werden.

Thema Kindertapete – die sind ja oft sehr wild und bunt. Wie würdest Du damit umgehen?

Ich persönlich würde dann den Boden ganz schlicht lassen, also z.B. Holzdielen als Kontrast dazu setzen. Entweder die Wand ist bunt, oder der Boden.  

Was gilt es generell beim Einrichten zu beachten?

Als Grundrezept gilt immer, eine Balance zu schaffen. Ich würde ein Kinderzimmer Zimmer eher in neutralen Farben gestalten und dann bunte Akzente setzen, mit Möbeln oder Bildern. Man kann natürlich auch Muster mit Muster kombinieren, aber das muss dann schon sehr gelungen sein.

Viele haben Berberteppiche, gibt es dazu etwas, das gut passt? Ich habe z.B. einen sehr bunten Pouf, den ich gerne im Kinderzimmer hätte.

Die Entscheidung kann dann sein, noch mehr marrokanische Elemente in die Gestaltung aufzunehmen. In deinem Fall wäre es der Pouf, der eine tragende Rolle spielt, der pink, blau und gelbe Farbanteile hat und damit schon relativ bunt ist. Du könntest Dir z.B. für die Bettwäsche ein senfgelbes, mintgrünes oder roséfarbenes Leinen aussuchen, das wieder Ruhe in das Zimmer reinbringt. Um den Stil weiterzudrehen könnte man z.B. vom nächsten Marokkourlaub als Souvenir ein kleines Messingkännchen für die Kinderküche mitbringen oder ein Teeservice. Es geht eher um kleinere Akzente, nicht darum alles in einem Stil machen zu wollen. 

Hast Du noch einen Geheimtipp für Dinge, die immer gut aussehen im Kinderzimmer? 

Was immer schön aussieht ist ein Himmelszelt, das man über das Bett hängt. Das kann auch in einer Zimmerecke gut funktionieren. Ich persönlich habe mich gegen so etwas entschieden, weil meine Tochter sich ihr Zelt am liebsten mit Decke und Stühlen selbst baut. Der Charakter der Kinder sollte sich auch im Zimmer widerspiegeln. Wenn das Kind gerne bastelt, sind große Bastelschubladen toll, aus denen das Kind sich Dinge selbst herausnehmen kann. Dann kann auch eine Kreativecke oder Kreativwerkstatt total viel Sinn machen. Oder eine kleine Holzwerkbank für ein Mädchen, das gerne mit Holz spielt, die gleichzeitig ein Schreibtisch sein kann.

Und für Kinder, die gerne lesen?

Da gibt es auch wunderbare Ideen! Sitzecken mit Regalen und Leisten, auf denen die schönsten Bücher ausgestellt sind. Oder man baut selbst etwas aus Paletten und Matratze und macht sich eine schöne Leseecke. Toll ist auch ein Schaukelstuhl für das Kind oder eine Hängeschaukel, zum hineinlegen. Ob das Lesen dann auf einem Designerstuhl passiert oder nicht, ist dem Kind ja relativ wurscht, da gewinnt immer der Schoß der Eltern :)

Vielen Dank für das Gespräch!!

Fotos:
1. Sarah Winborn – aus unserem Porträt mit Celia Munoz
2. Nora Werner – aus unserem Porträt mit Christine Weissenborn
3. Sarah Winborn – aus unserem Porträt mit Courtney Adamo
4. Sittig Fahr-Becker – Xavers erstes Zimmer
5. Sarah Winborn – aus unserem Porträt mit Celia Munoz
6. HEJM – ein Zimmer für zwei Kinder
7. Sittig Fahr-Becker – Junios erstes Zimmer