Unser 50/50 Modell – und warum es funktioniert

Die fleißigen Leser unter euch wissen es bereits: ich habe ein ausgesprochen emanzipiertes Männer-Exemplar als Vater meines Kindes ausgewählt. So war auch immer klar, dass er sich so viel wie möglich an der Erziehung von Xaver beteiligen würde, und dass wir auch sonst alles teilen würden.

Ich schreibe das hier noch mal auf, weil es im Moment ja ab und an in der Presse um eine 50/50 Teilung geht. Auf Zeit Online schrieben Stefanie Lohaus und ihr Freund Tobias Scholz schon seit einer Weile über ihr 50/50 Prinzip, bei Edition F gab’s ein Interview mit den beiden, und sogar ein Buch kam raus: Papa kann auch stillen. Ich freue mich über solche Projekte und solche Paare – sie sind meiner Meinung nach die Zukunft. Trotzdem kann ich nicht umher, zu denken: Das ganze klingt so verkopft und deutsch! Es werden Pläne gemacht, es muss so und so laufen. Es klingt nach Stechuhr! Dabei muss natürlich jedes Paar seinen Weg finden, und lieber nach Plan als unzufrieden! Auf dem Foto oben seht ihr den Kühlschrank von Jana, eine weitere 50/50-Teilerin. Und ja okay! Auch wir haben Wochen, in denen bei uns ein Plan am Kühlschrank hängt. Meistens läuft es aber von alleine.

50/50 – ohne Plan dahinter

Warum klappte es bei uns von Anfang an so gut, ohne dass wir dem ganzen einen Namen geben mussten? Warum hat mein Freund selbstverständlich von Anfang an Windeln gewechselt und ist mit Baby-Xaver um 6 Uhr aufgestanden? Warum räumt er die Spülmaschine aus und nimmt morgens den Müll mit? Warum teilen wir die Miete und alle anderen Kosten? Warum war immer klar, dass wir beide schnell wieder arbeiten, dass wir uns gegenseitig immer den Rücken freihalten, wenn der andere einen Job hat, oder sonstwie eingespannt ist?

Es gibt viele Antworten. Nummer eins: Wir waren auch schon vor dem Kind so. Wir teilten immer die Miete und alle anderen Kosten, wir teilten die Hausarbeit. Beim ersten Date hat er gezahlt, beim zweiten ich. Warum sollte es anders werden, nur weil da jetzt ein Kind ist?

Nummer zwei: Wir arbeiten beide flexibel. Das ist ein absolutes Privileg. Mein Freund musste nicht 2 Wochen nach der Geburt wieder Full-Time ins Büro. Er arbeitet manchmal eine Woche durch, ist dafür aber auch immer wieder einen ganzen Tag zuhause. Auch ich arbeite flexibel, wenn sich meine Arbeitszeiten auch ziemlich auf den Vormittag eingependelt haben. Unsere Arbeitsmodelle lassen ein solches Prinzip also wirklich zu.

Nummer drei: Wir wollen es beide so. Vor allem als Mutter muss man das wollen und dann dazu bereit sein, Verantwortung abzugeben. Wenn man sich 50/50 wünscht, sollte man dem Papa vertrauen. Das muss nicht immer und zu 100% klappen – heute noch beschwere ich mich manchmal, wenn mein Freund ohne Windel und Schnuller unterwegs ist, und meine Freundin checkt immer noch nach, ob das Kind auch Unter- und Strumpfhose anhat (denn das wurde durchaus mal vergessen). Man darf, gerade wenn man alles teilt, aneinander rummeckern. Und wenn beide Spezialisten für die Kinder sind, meckert auch der männliche Part gerne mal! So auch bei uns. Wir lachen mittlerweile meistens über solche Vorwürfe und ich denke an einen weiteren Edition F-Artikel, in dem eine Mutter sich beschwert, dass sie nicht aus ihrer Haut raus kann, dass sie emanzipiert sein will, aber so schlecht loslassen kann: “Es ist doch gut, wenn Kinder mit den Neurosen möglichst vieler verschiedener Erwachsener groß werden.

Haha! Dann hat Xaver das große Los gezogen!

Vor allem aber: im Kopf

Der wichtigste Punkt ist aber Nummer vier: mein Freund und ich, wir kommen beide aus “unkonventionellen” Familien. Unsere Mütter waren beide alleinerziehend, unsere Väter wenig präsent. Unsere Mütter haben immer gearbeitet, wir wurden beide aufgrund der Situation früh in den Haushalt eingespannt und wir mussten lernen, selbstständig zu sein. Ich glaube wirklich, dass das der Hauptgrund ist, warum wir als Paar so funktionieren, wie wir es tun. Wir haben beide nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, ob es auch “klassisch” ginge, also dass der Mann das Geld nach Hause bringt und die Frau wenig bis nicht arbeitet. Auch wenn mein Freund mal so viel verdient, dass das möglich wäre, es steht nicht zur Debatte.

Wir mussten nicht besprechen und planen, dass wir das alles gemeinsam machen würden, es war einfach klar. Weder würde er jemals auf die Idee kommen, sich als Alleinverdiener zu sehen, noch ich. Weder würde ich mich damit wohl fühlen, noch er. Wir leben 50/50, weil wir so ticken, weil wir so denken, weil es immer so war. Andere Männer haben auch glaube ich dieses “Ernährer”-Ding im Kopf, mein Freund hat das nicht mal. Wir sind einfach wirklich gleichgestellt, was unsere Pflichten, aber auch unsere Freiheiten betrifft.

Im ersten Jahr Glucke sein – völlig okay!

Und natürlich war es im ersten Jahr trotzdem so, dass ich de facto mehr Zeit mit Xaver alleine hatte, was aber weniger an meinem Freund, als an mir lag. Auch wenn ich früh wieder begonnen habe, zu arbeiten, auszugehen und mir Auszeiten zu nehmen, hielt ich es doch nie so ganz lange ohne mein Baby aus. Ich kam meistens früher nach hause, als abgemacht. Das ist ja auch okay, oder? Man muss ja nichts auf Krampf machen und erzwingen.

Zudem ist es in der Stillzeit doch noch ein bisschen kompliziert, zu teilen. Ich habe oft Milch abgepumpt (Xaver hat immer problemlose die Flasche genommen), manchmal kam mein Freund auch mit Xaver zu mir ins Office, damit ich ihn stillen konnte (und nicht abpumpen musste…). Das ist nicht Jedermanns Sache, muss es auch nicht sein. Papa kann eben nicht stillen. Er kann aber Fläschchen geben. Er kann wickeln, anziehen, spazieren gehen, beruhigen, baden, singen, schunkeln. Später kann er Brei kochen (hat mein Freund mit Leidenschaft gemacht), er kann Tee machen, er kann Milch anrühren, er kann Nägel schneiden, Zähne putzen. Ich bin nach wie vor für die organisatorischen Dinge bei uns zuhause zuständig, mein Freund kocht dafür wesentlich mehr. Ich mache meistens die Wäsche, er die Spülmaschine. Er bringt Xaver meistens in die Kita, ich hole ihn ab. Wir haben Aufgabenbereiche, die sich einfach so ergeben haben und ja, ich glaube, hätten wir eine Stechuhr, würden wir bei 50/50 landen.

Und je älter Xaver wird, desto besser gelingt es mir, einen ganzen Arbeitstag zu genießen. Abends mit richtig gutem Gefühl auszugehen, unser Kind lässt sich ja sogar oft von Papa besser ins Bett bringen, als von mir! Mittlerweile schläft er auch regelmäßig bei Oma (und auch dort schläft er besser als zuhause…), ich war ein paar Mal auf Geschäftsreisen und sogar schon mal eine ganze Woche ohne ihn.

Ich sage nicht, dass man das muss. Wenn es sich noch nicht richtig anfühlt, eine Nacht oder längere Zeit vom Kind getrennt zu sein, dann eben nicht!

Mal wieder: alles kann, nix muss

Wenn die Arbeitssituation es möglich macht und wenn beide bereit sind, Verantwortung anzunehmen und abzugeben, und wenn sich beide von verkrusteten Rollenbildern verabschiedet haben – dann ist ein emanzipiertes Eltern-Verhältnis auf jeden Fall möglich. Manchmal fühle ich mich schlecht, wenn mein Sohn Papa-Phasen hat, manchmal freue ich mich heimlich riesig, wenn er “NUR MAMA, MAMA LIEB” sagt, und versuche, diese Gefühle nicht auf die Goldwage zu legen. Wenn ich mich eine Woche lang nicht in der Kita habe blicken lassen, denke ich manchmal: “die denken ja sicher…” Aber das denken sie nicht, weil bei uns in der Kita viele Frauen viel arbeiten und viele Männer sich viel um die Kinder kümmern. Das Rabenmutter-Dings ist, zumindest in meinem Umfeld, schon fast raus aus den Köpfen. Und bei uns sind Papa und Mama eben wirklich gleichwertig und gleichwichtig für das Kind und das ist doch eigentlich großartig.

Wenn man sich mehr Gleichberechtigung wünscht, dann sollte man sie einfordern, prüfen, ob es realistisch ist und loslassen lernen. Und vor allem braucht es aber wohl noch ein paar Generationen mit emanzipierten Eltern (insbesondere Vätern!), bis eine gerechte Aufteilung auch wirklich in den Köpfen der meisten Menschen angekommen ist. Ich weiß, die Skandinavier nerven. Aber sie machen es eben einfach besser! Sexy Superpapas en masse, wenn wir da hinwollen, muss sich einiges ändern. Und es muss, nochmal: Zeit vergehen. Schweden hat das Elterngeld 1974 eingeführt, Deutschland 2007. Damit nicht 27 Jahre vergehen, bin ich dann doch eher für Stechuhren!