Mehr Fürsorge – weniger Schnitte?

Aus gegebenem Anlass habe ich noch mal das Bedürfnis, mich kurz dem Thema Kaiserschnittrate zu widmen. Es folgt eine völlig subjektive und sehr persönliche Einschätzung zum Thema. Subjektiv und persönlich deshalb, weil ich von einem sehr kleinen Radius aus argumentiere. Von zehn Frauen in meinem Freundes-und Bekanntenkreis, die in diesem Jahr entbunden haben, hatten sechs einen Kaiserschnitt. Ich kann nicht beurteilen, ob es in jedem Fall unbedingt nötig war, ob es wirklich keine Chance gab, das Baby auf natürlichem Wege auf die Welt zu bringen. Ich weiß aber, dass jede Einzelne sich eine “normale” Geburt gewünscht hätte.

“Nicht zeitgemäß”

Natürlich ist der Kaiserschnitt oft ein Segen. Es ist toll, dass es diese Möglichkeit gibt. Denn nicht selten rettet sie Leben. Trotzdem kann ich nicht umher, anzunehmen, dass heutzutage viel und gerne geschnitten wird, auch wenn es nicht unbedingt nötig wäre. Und das finde ich sehr schade. Und unfair den Frauen gegenüber, die es gerne anders gehabt hätten. Als ich im 8. Monat schwanger war, fragte mich ein ehemaliger Schulkamerad, der jetzt Gynäkologe ist, wann ich denn Sectio-Termin hätte. Oh, ich wolle das natürlich machen? Nun gut. Eine PDA würde er mir aber ans Herz legen. Eine zu natürliche Geburt sei nicht zeitgemäß. Ist sie wohl auch nicht. Denn sie ist meist langwierig, schmerzhaft und nicht planbar.

Und trotzdem würde ich es sofort wieder machen! Weil eine Geburt ein Wunder ist, weil Mutter und Kind die erste große Herausforderung gemeinsam meistern. Weil es gesundheitliche Vorteile für das Baby hat. Auch für die Mutter, denn der Körper bildet sich schneller zurück und man muss nicht die ersten Wochen auf Schmerzmittel verbringen. Man hat eigentlich fast keine Schmerzen mehr danach! Deshalb wünschen sich die meisten Frauen eine natürliche Geburt.

Mehr Fürsorge für Alle

Es gibt Studien darüber, dass durch eine 1:1 Betreuung einer Hebamme die Wahrscheinlichkeit von Eingriffen (PDA, Dammschnitt, Kaiserschnitt) während der Geburt signifikant sinkt. Das leuchtet mir persönlich total ein. Ich hatte eine Beleghebamme. Eine die ich kannte, die die ganze Zeit da war, die mich unglaublich unterstützt hat. Ohne sie hätte ich die Geburt von Xaver sicher nicht so positiv in Erinnerung behalten. Es ist leider ein absoluter Luxus, eine Beleghebamme zu haben. In den wenigsten Städten gibt es überhaupt Hebammen, die mit Krankenhäusern Verträge haben. Und wenn, sind sie immer ausgebucht. Außerdem muss man eine Rufbereitschaftspauschale zahlen, die die wenigsten Kassen übernehmen. Die allermeisten haben also die Hebamme, die ihre Geburt betreut noch nie gesehen. Und meistens ist es auch nicht nur eine.

Weniger Wirtschaftlichkeit und Rationalität

Wie gesagt: Ich kann die Einzelfälle nicht beurteilen. Aber ich glaube, eine Hebamme, die die Frau kennt, die die Geburt von Anfang bis Ende betreut, die schnell und persönlich reagieren kann – das ist vielleicht die beste Kaiserschnitt-Prävention. Deshalb würde ich mir wünschen, dass mehr Frauen diese Fürsorge bekommen. Mehr direkte Hebammenbetreuung, mehr Einfühlsamkeit und weniger ärztliches rationales Denken. Leider fehlt es im Gesundheitssystem an Hebammen, leider werden sie zu wenig wertgeschätzt und zu schlecht bezahlt. Warum lohnt sich ein Kaiserschnitt für die Kliniken auch noch wirtschaftlich, während Hebammen unterbezahlt sind?

Und wenn die Planbarkeit und die verpassten Anstrengungen der Geburt ein Argument für den Zeitgeist sind … Ich finde, ein Kind macht so ziemlich alles unplanbar, was man vorher planen konnte. Außerdem sind sie ganz schön anstrengend … Sind Kinder denn dann zeitgemäß? Ich hoffe doch!

Foto: Kelly Sue DeConnick/Flickr