Interview mit der Osteopathin Friederike Kaiser

Die Geburt meines Sohnes habe ich selbst als schön, aufregend und nicht sehr schlimm empfunden (so “nicht sehr schlimm” wie eine Geburt eben sein kann! Natürlich war es schmerzhaft…) Xaver musste aber mit einer kleinen Kiwi-Saugglocke geholt werden, da er mit der Faust an der Backe herauswollte. Und weil er in den ersten Wochen viel geweint hat, habe ich eine Osteopathin aufgesucht, um mich zu versichern, dass es ihm gut geht.Die Diagnose lautete nur: Bauchweh und Startschwierigkeiten, aber Friederike Kaiser hat Xaver während der Behandlung mit ein paar Handgriffen dermaßen beruhigt, dass ich seitdem von diesem Beruf fasziniert bin. Ich beschloss, ihr ein paar Fragen zu stellen, die ich mit euch teilen will:

Mit welchen Problemen kommen frisch gebackene Eltern zu Ihnen?

In der Regel sind es Probleme wie Unruhe, übermäßiges Schreien, Verdauungsprobleme, und alle Arten von Asymmetrie – sei es, dass die Kinder nur auf eine Seite schauen, sich nur zu einer Seite drehen, oder einen Arm, ein Bein weniger oder anders bewegen.
Manche Eltern kommen aber auch einfach nur zur Kontrolle nach einer schweren Geburt mit Saugglocke oder nach einem Not-Kaiserschnitt.

Ist die Geburt wirklich für viele Babys so traumatisch?

Das ist eine schwierige Frage… Ja, ich glaube, dass jede Geburt schwere Arbeit für Mutter und Kind ist. Nicht umsonst heißt es auf englisch “labour”. Ob es ein Trauma wird, hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem, wie die beiden Hauptbeteiligten die Situation erfahren. Trauma definiert sich danach, inwieweit das Grundvertrauen verletzt wird. Was eine Person traumatisiert, kann für eine andere eine Bagatelle sein. Die Fähigkeit, Schwierigkeiten zu bewältigen, ist von vielen Faktoren abhängig. Stress und Verunsicherung während der Schwangerschaft können zum Beispiel die Verarbeitung rund um die Geburt erschweren.
Für die Babies ist es natürlich anstrengend, sich durch das Becken zu arbeiten, aber wenn sie es erfolgreich schaffen, ist das die erste Lebensleistung, die sie in Kooperation mit der Mutter geschafft haben – und das ist eine Ressource und ein Vertrauensgewinn, also etwas worauf sie ihr Leben lang zurückgreifen können.
Dass es dabei oft zu kleinen Blockaden kommt, ist im Prinzip kein Problem, das löst sich oft von selbst beim Stillen, Schreien und den normalen Wachstumsprozessen.
Wenn eine Geburt sehr lange gedauert hat, sehr schnell ging, oder es zu dem Einsatz einer Saugglocke kam – dann ist das aber möglicherweise schon problematisch – ebenso, wenn ein Notkaiserschnitt gemacht werde musste. Manchmal lagen die Kinder während der Wehen schon schräg, oder haben den Kopf nicht richtig eingestellt, so dass unverhältnismäßig viel Kraft auf Strukturen einwirkt, die darauf nicht eingestellt sind. Es ist auch so, dass Säuglings-Bindegewebe Zug nicht gut verträgt. Wenn also ein Kind beim Kaiserschnitt sehr viel Zug vertragen muss, kommt es gerne als Reaktion zu starken Verspannungen im Bereich des Halses und der Wirbelsäule. Das würde ich aber nicht immer mit dem Begriff “Trauma”  verbinden. Nicht jede körperliche Einschränkung wird als “traumatisch” empfunden. Ich habe oft Kinder mit massiven Blockaden, die glücklich und zufrieden sind und wo nur Bewegungseinschränkungen behandelt werden müssen.

Wie kann ich meinem Baby helfen, ein Trauma zu überwinden?

Wichtig dafür ist, zu begreifen, dass die Wahrnehmung der Situation durch die Mutter oder auch andere enge Beziehungspersonen mit zu dem Problem gehört. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass souveräne Eltern auch schwerste Geburten mit dem Kind zusammen so verarbeiten, dass ich als Therapeutin kaum gebraucht werde und sich die Blockaden fast von selbst lösen! Andererseits kenne ich auch Familien, wo alle so verunsichert sind, dass eine eigentlich unproblematische Geburt große Probleme macht. Ein Großteil meiner Arbeit besteht darin, Eltern darin zu bestätigen, dass sie in ihrer Interaktion mit dem Kind sicher sein können. Auch Säuglinge haben klare Zeichen, wir müssen sie nur erkennen lernen. Es ist nicht immer Hunger, wenn das Kind schreit – auch wenn es für Mütter der naheliegende Weg ist, erst mal Stillen zu probieren. Immer nur die Brust zu geben, kann aber langfristig auch Probleme schaffen. Eine Säuglingsverdauung braucht Pausen, um ordentlich zu funktionieren, und wenn nur die Brust beruhigt, wie soll der Vater dann das Kind mal nehmen? Vielleicht ist das Kind auch müde, überreizt, gelangweilt, verunsichert, fühlt sich “grenzenlos” und “ungehalten”, hat Bauchschmerzen, einen Wachstumsschub oder kann nicht einschlafen. Das Kind lernt Vertrauen in die Eltern zu haben, wenn diese die Situation erkennen und bedürfnisorientiert reagieren. So ein Verhalten schult langfristig die Fähigkeit des Kindes, eigenständig seine Bedürfnisse wahrzunehmen und Abhilfe zu schaffen oder einzufordern. Diesen gemeinsamen Lernprozess versuche ich Eltern und Kindern zu ermöglichen.
Wenn das Kind natürlich tatsächlich eine Kopfgelenksblockade hat, oder die Wirbelsäule stark gestaucht wurde, oder eine andere Problematik vorliegt, dann gibt es heutzutage Hebammen, Ärzte, Osteopathen, Homöopathen, Trauma-TherapeutInnen oder andere Helfer, die das Problem finden und der Familie Unterstützung bieten können.

Kann man als Eltern etwas konkret falsch machen und damit der körperlichen Entwicklung des Babys schaden?

Eigentlich nicht – aber sinnvollerweise sollten Neu-Eltern ein “Handling” lernen: Über die Seite hochnehmen und ablegen, beim Wickeln nicht an den Beinen ziehen, nach dem Stillen über die Schulter legen, Bäuerchen machen, etc. Wichtig sind auch Hilfen, wie dem Kind “Grenzen setzen”, also pucken, eng halten, usw. wenn Kinder sich immer wieder durch ihr eigenes Zappeln aufwecken…
In der Regel zeigen dies aber die Hebammen. Was ich immer noch gerne korrigiere, sind Ernährungsweisen. Auch wenn es anstrengend ist: Eine stillende Mutter sollte auf ihre Ernährung achten! Wenig bis kein Zucker, kein Milchkaffee, nicht nur Brot, Jogurt und Obst zwischendurch, stattdessen eine vollwertige Ernährung. In anderen Kulturen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Familie die ersten sechs Wochen die Mutter bekocht! Wenn Kinder starke Verdauungsbeschwerden haben, bitte ich die Mütter gerne, sich gut zu ernähren.

Darf man Neugeborene schon in eine Tragehilfe packen und wenn ja, was sollte man beachten?
Da gehen die Meinungen auseinander. Ich finde, dass es Kindern gut tut, getragen zu werden. Die Tragehilfe sollte den Rücken des Kindes gut stützen und verhindern, dass das Gewicht ausschließlich auf dem unteren Rücken und dem Becken lastet. Vermieden werden sollte in jedem Alter, das Kind in der Trage mit dem Blick nach vorne vor dem Bauch zu tragen. Auch wenn die Kinder so oft ruhiger sind, weil sie alles sehen können, diese Art das Kind zu tragen schädigt seinen Rücken.

Ein letzter Tipp vom Profi für Neu-Eltern?

Es gibt ein wunderbares Buch aus dem Kösel-Verlag: “Mein Kind verstehen – born to be wild“. Es fasst alles zusammen, was ich gerne als Tipps gebe!

Vielen Dank!

Wenn auch ihr auf der Suche nach einer Osteopathin oder einem Osteopathen seid, dann findet ihr unter www.osteopathische-kindersprechstunde.de sicher einen guten in eurer Nähe. Oder ihr fragt, mal wieder, eure Hebamme.