Indien mit Baby – Teil 2

Das also gleich zu Beginn: Hatten wir nicht! Alle drei haben wir das Essen sehr gut vertragen und uns auch sonst nichts eingefangen. Und Xaver hat ganz normal mitgegessen!
Das Essen – meine größte Sorge
Obwohl ich mir darüber im Vorfeld am meisten Gedanken gemacht hatte, hatte ich beschlossen, das Risiko einzugehen und keine 30 Gläschen mitzuschleppen. Ich kenne viele, die das gemacht haben, als sie mit einem Baby verreist sind, für mich war es eine Horrorvorstellung. Eingepackt wurden ganze vier Gemüse-Gläschen (von denen drei in den letzten zwei Tagen platt gemacht wurden), zwei Packungen Getreidebrei (eine haben wir ungeöffnet wieder mitgebracht) und vier Packen Pulvermilch (das hat wider Erwarten nicht gereicht. Wir mussten dort Milch kaufen, Xaver hat sie gut getrunken und vertragen, auch wenn wir sie scheußlich fanden). Im teuren Hotel war Baby-Essen natürlich kein Problem, das wird auf Wunsch sogar extra gekocht. Und auch in Agonda habe ich der Küche einfach mal vertraut und das nicht nur in einem Restaurant. Xaver hat meistens Kartoffelbrei, gedünstetes Gemüse, Dal (ein Linsengericht), Pasta, Kokos-Reis und Naan-Brot gegessen, morgens gab es Porridge oder zuckerfreien Pfannkuchen, zwischendurch durfte er Säfte und Lassi probieren und es gab Bananen, Ananas, Kokosnuss und Mango. Getrunken hat er Wasser und eben morgens und abends eine Flasche Milch (Stillen wäre verdammt praktisch gewesen, aber das ist wohl immer auf Reisen so…). Er hat gegessen wie ein Scheunendrescher, die neuen Geschmäcker sichtlich genossen und sogar ordentlich zugenommen trotz unglaublich viel Bewegung! Unser Vertrauen wurde also nicht bestraft. Gott sei Dank.
Vertrauen unbedingt nötig
Überhaupt: Vertrauen. Man muss ein gutes Grundvertrauen mitbringen und darf nicht zu viel Angst haben. Indien ist anders, fremd, dreckig, wild, chaotisch. Dafür aber auch bunt, interessant, vielfältig, unfassbar kinderlieb und sehr günstig. Als wir für eine Woche nach Karnataka fuhren verstand ich, warum Goa als sauber und reich gilt. Deutsche Hygiene-Standards wirken fast lächerlich im Vergleich dazu, wie viele Menschen dort leben. Mir war oft mulmig, ich dachte immer: das nicht anfassen, hier nochmal Sagrotan drauf, oh je, hoffentlich holt er sich nichts. Es war vermutlich die Grundangst, die man immer um sein Kind hat, gepaart mit der Gewissheit, dass ich mich wahnsinnig schuldig gefühlt hätte, wenn er richtig krank geworden wäre. Warum musste ich ihn auch nach Indien bringen? Aber mein Kind hat mir zum Glück mal wieder gezeigt, wie stark es ist und im Nachhinein bin ich froh, dass er diese Erfahrung machen durfte. Er ist vermutlich ganz schön abgehärtet jetzt, so viele Bakterien hätte er in Deutschland niemals in die Finger bekommen. Und: während unserer Abwesenheit waren alle Kinder in Berlin krank, während Xaver durchweg proper, happy und kerngesund war. Ironischerweise bekam er dann allerdings auf der Rückfahrt Fieber. Mittlerweile denken wir, es war Drei-Tage-Fieber, denn am dritten Tag hatte er Ausschlag. Die letzte Nacht in Mumbai verbrachten wir also wadenwickelnd, im Flieger hat Xaver viel geschlafen und erst ein paar Tage nach unserer Rückkehr, scheint er jetzt so richtig über den Berg zu sein. Ein krankes Kind im Urlaub ist eine schreckliche Sache, ich bin froh, dass es uns (fast) erspart geblieben ist. Ich wusste aber, dass es im Fall der Fälle in Goa sehr gute Ärzte gibt!

Paradies für Xaver
Vor allem jetzt, wo wir wieder im Alltag angekommen sind, fällt mir auf, wie glücklich Xaver in Indien war. Es war das Paradies für ihn. Er war viel nackt, liebte den Sand, überall waren Kinder, die ihn bespaßt haben oder gleichaltrige Babies mit denen er spielen konnte. Und natürlich waren Mama und Papa den ganzen Tag für ihn da. Ja, ich habe wirklich das Gefühl, dass er diesen Urlaub genauso genossen hat wie wir. Als wir ihm zuhause sein Spielzeug präsentierten, hat er angefangen zu weinen. Natürlich! Was ist das schon gegen einen riesengroßen Unendlich-Sandkasten, den er vier Wochen lang bespielen durfte?
Nichts für Sicherheits-Menschen
Bereue ich es also, mit Xaver nach Indien gefahren zu sein? Kein bisschen! Ich würde es sogar jederzeit wieder machen. Man muss aber der Typ sein für einen solchen Urlaub. Natürlich gibt es zum Beispiel keine Kindersitze im Taxi, in der Rikscha erst recht nicht. Es gibt keine Hochstühle in den Restaurants, man sieht sehr sehr selten Kinderwägen, die Duschen sind meistens kalt und mit dem Leitungswasser sollte man sich nicht die Zähne putzen. Xaver krabbelte wild am Strand herum, furchtlos auch in Richtung Wasser, obwohl ihn die ein oder kleine Welle erwischt und komplett durchnässt hat. Ihn im Schatten zu lassen war meist zwecklos, auch jede Art von Kopfbedeckung riss er sich nach kürzester Zeit vom Kopf. Wir waren also nur vor 11 Uhr und nach 15 Uhr am Strand und er war immer dick eingeschmiert. Aber er hat viel Sonne abbekommen – keinen Sonnenbrand!, er hatte Mückenstiche und ist einmal in ein Ameisennest geraten, obwohl wir ihn permanent beobachtet haben. Immer wieder habe ich panikartig eine Zigarettenkippe aus seinem Mund gepult und ihn davon abgehalten, auf jede Kuh und jeden streunenden Hund loszugehen, beziehungsweise darauf geachtet, dass er Sicherheits-Abstand hält.
Für Sicherheits- und Hygienefanatiker ist ein solcher Urlaub also nichts!
Und sonst?
Wir sind mit eineinhalb Zähnen losgeflogen, mittlerweile sind es sechs. Xaver hat unheimlich viel Neues gelernt und man konnte ihm beim Wachsen zusehen. Wir haben so viele nette Eltern kennengernt, und allesamt haben wir uns wortlos gegenseitig auf die Schultern gehauen, dafür dass wir solche Reisen mit den Kindern machen. Wir haben auf Toiletten, Zugbänken und in Rikschas gewickelt und es geschafft, trotz Baby auf dem Schoß gemütliche Restaurant-Abende zu verbringen. Wir haben parfümierte Pampers und zuckersüße Babyklamotten gekauft (und letzteres war die günstigere Wahl), Xaver hat am Strand, auf unzähligen Bänken in Restaurants, an Flughäfen, in Zügen und Bussen geschlafen (seine Fähigkeit, überall zu schlafen ist ein Segen). Und ich habe es geschafft, trotz Xaver drei dicke Schinken zu verschlingen und fast jeden Morgen eineinhalb Stunden Yoga zu machen.
Kurzum: wir haben eine aufregende und doch erholsame Zeit hinter uns. Berlin fühlt sich eine Woche nach der Rückkehr immer noch wunderbar fremd und doch vertraut an – und ich freue mich jetzt schon auf die nächste große Reise….
