Low Budget Traveling mit Kind

Isabel hat vergangene Woche diesen einen Artikel auf Facebook geteilt, der behandelt, wie wertvoll Reisen für unsere Kinder ist. Der kam bei vielen von euch richtig gut an. Ein paar Kommentare waren aber auch darunter, dass Reisen finanziell einfach nicht drin sei. Wahrscheinlich wollten diejenigen unter euch, die dahingehend kommentiert (und damit ja auch ein Tabuthema angefasst) haben, damit nicht mal auf kostspieligen Roadtrips durch die USA oder 5-Sterne-Aufenthalte auf den Malediven hinaus. Auch die kleinen Ferien auf dem Öko-Bauernhauf, die Woche auf Mallorca oder der Strandkorb an der Ostsee können zuweilen wohl unerreichbar scheinen.

Reisen muss keine Frage des Budgets sein

Um provokativ einzusteigen: Ich glaube wiewohl, dass Reisen keine Frage des Budgets ist – beziehungsweise sein muss. Dass die allermeisten sich leisen können, in den “Urlaub” zu fahren. Also zumindest, wenn man flexibel ist und sich von gewissen Standards verabschieden kann. Mit keinem Budget lässt es sich selbstredend nicht in einer Suite übernachten. Mit keinem Budget lässt sich auch kein Cabriolet anmieten. Mit keinem Budget sitzt man als Familie vielleicht nicht jeden Abend im teuren Restaurant – dafür aber vielleicht mit Stockbrot am Lagerfeuer.

Und so sind Julius und ich vergangenes Jahr unverschämt oft verreist und haben dafür verhältmäßig wenig Geld ausgegeben.

Und das kam so:

Ich habe ja schon einmal darüber geschrieben, wie ich vor einiger Zeit das Thema Arbeiten für mich umstrukturiert habe und nun selbstständig bin. Seitdem das so ist, habe ich keine Verpflichtungen mehr, andauernd in Berlin zu sein, schon gar nicht nur enge Zeitfenster, innerhalb derer ich reisen könnte. Vor allem habe ich aber natürlich auch noch kein Schulkind, das mir mit seinen eng gesteckten Ferien einen Strich durchs spontane Reisevergnügen machen würde.

Warum in die Ferne schweifen, …

Also bin ich mit Julius vergangenes Jahr super oft sehr spontan einfach losgefahren. Ihr lest schon raus: Wir sind nicht geflogen im vergangenen Jahr. Wir waren ausschließlich per Landweg unterwegs. Und zwar: in der Märkischen Schweiz, in der Uckermark, in Vorpommern, an der Ostsee. Und das etwa nicht nur aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus Überzeugung, dass das Nahe auch richtig gut sein kann und einem außerdem keinen allzu garstig großen CO2-Fußabdruck beschert.

Ich finde die Vorstellung, mit Julius für ein paar Monate irgendwo ganz anders zu leben, nichtsdestotrotz sehr reizvoll und schiele heimlich auf Familien, die das in den vergangenen Jahren bereits sehr kompromisslos angegangen sind – oder so wie Isabel gerade dabei sind. Zumal mir das temporäre oder dauerhafte Auswandern ebenso keine Frage des Geldes zu sein scheint, sondern eher eine der Prioritäten.

… wenn das Gute liegt so nah: Der erste Anlauf an der Ostsee

Jedenfalls: Um es ruhig anzugehen und auszuprobieren, wie ich alleine mit Julius überhaupt klarkommen würde, bin ich das erste Mal mit ihm im Frühjahr für zwei Wochen an die Ostsee gefahren. Genauer genommen auf den Darss. Mit dem Zug nach Rostock und von dort aus mit dem Rad über die Halbinsel – Ahrenshoop, Weststrand, Prerow, Born und wie sie alle heißen, diese vielen kleinen idyllisch angelegten Orte. Mit dabei hatten wir das Fahrrad, einen Anhänger für Julius, zwei Radtaschen mit Klamotten und zwei, drei Jutebeuteln mit Proviant und Spielzeug.

Untergekommen sind wir während der zwei Wochen entweder in sehr günstigen Zimmern, aber auch mal in Bauwägen oder Campingmobilen – allesamt vorher und unter anderem bei Airbnb ausgespäht und organisiert. Gegessen haben wir morgens uns abends meistens in der Unterkunft, für unterwegs kaufte ich oft im Supermarkt ein – das obligatorische Eis gab es aber – na klar – jeden Tag und auch die eine oder andere Dosis Koffein für mich im Café.

Noch günstiger ist nur Zelten

Wer jetzt sagt, nö, immer noch zu teuer, Unterkunft kann ich nicht bezahlen, dem erwidere ich: das ist immer noch kein Ausschlussprinzip – zumindest nicht, solange es warm genug ist. Es ist schon so, dass ich für die allermeisten Trips Unterkünfte gebucht haben. Oft waren es aber übrigens auch Betten in Jugendherbergen, von denen es in Brandenburg einige sehr nette gibt. So ein Zimmer, eine Dusche und eine Toilette zu haben, ist sicher eine annehmbare Angelegenheit. Aber wir haben zuweilen Reisen auch darauf verbracht, im Zelt zu schlafen und zwar nicht immer nur dort, wo es auch Sanitärräume gab.

Es müssen ja auch nicht immer wochenlange Urlaube sein. Ich habe sogar vielmehr den Eindruck, dass es viel sinnvoller und erholsamer ist, öfter Mal kleine Trips einzuplanen, anstatt das ganze Jahr bis an die Schmerzgrenzen durchzuackern und dann einmal so richtig Deluxe irgendwohin zu fahren, wo man 24/7 gepampert wird.

Mit die schönsten Erinnerungen habe ich zum Beispiel an unser Wochenende auf dem alínae-lumr-Festival, auf dem ich vergangenen Sommer mit Julius und einer Freundin in Storkow war: morgens badeten wir im See, frühstückten mit den Leuten, die wir auf dem Festivalgelände kennengelernt hatten, ruhten mittags inmitten wilder Wiesen im Umland, hörten nachmittags erste Bands und schliefen nachts unter Brandenburgs Sternenhimmel und dem vom Schall auf den Zeltplatz getragenen Bass der Hauptbühne ein.

Festival I

Ich will hier jetzt auch gar nicht weiter unken, was sonst noch möglich wäre oder wir getan haben. Nur so viel: Ich glaube, dass man sich kleine Ausflüchte aus dem Alltag einrichten kann, auch wenn man finanziell sehr eng kalkulieren muss. Dass es keine Unsummen kosten muss, irgendwohin zu fahren. Dass solche Urlaube nicht weniger gut sind. Ganz im Gegenteil. Es bedarf mehr Mut als Geld, habe ich oft den Eindruck und des Vertrauens, dass so eine mit engem Budget kalkulierte Reise auch viele Potenziale birgt. Zum Beispiel, weil es im Zelt viel aufregender ist, die Nacht zu verbringen, morgens in den See zu springen oder in der Jugendherberge am Frühstücksbuffet bei Filterkaffee und Marmeladenbrot andere Menschen kennenzulernen, die bereits seit zwei Monaten nur mit dem Fahrrad und einem Zelt unterwegs sind und mit denen man sich dann ein paar Tage durch die Wälder schlägt.

Ohnehin ist es doch so, dass die allermeisten von uns im Urlaub Abstand von dem suchen, was sie einen jeden Tag umgibt. Und in meinem Fall ist das wahrscheinlich der Großstadt-Wahnsinn. All die Menschen, die Straßen, der Lärm, der coffee-to-go-Unsinn, immer zu allen Uhrzeiten alles machen zu können, letztlich all diese Zerstreuungsmomente und die Dekadenz, in denen ich mich eingerichtet habe. Low budget traveling ist insofern für mich nicht nur eine Budgetfrage, es ist auch ein Weg, die Welt zu reduzieren – auf Wesentliches, für mich, aber vor allem auch für mein Kind.

Auf dem Foto oben läuft Julius übrigens mit Rainer gen Sonnenuntergang, den wir vergangenes Jahr während einer Radreise am Bodden kennengelernt haben und den wir dieses Jahr sicher wieder besuchen werden.