Let’s talk about: Stillen oder schlafen?

Vielleicht habe ich es hier und da schon einmal erwähnt: Ich habe meinen Erstgeborenen (relativ) lange gestillt und in dieser Zeit (relativ) wenig geschlafen.

Und das kam so:

Ich erinnere mich nicht, mir vor der Geburt meines Sohns groß Gedanken zum Stillen gemacht zu haben. Wahrscheinlich gab es eher einen fixen Plan, nach dem ich Julius sechs Monate stillen wollen würde. Das schienen alle so zu handhaben, von denen ich las und hörte.

Und dann kam Julius auf die Welt. Die Hebamme im Krankenhaus „schmiss“ mir mein sehr rotes und sehr verknautschtes Kalb zuerst auf den Bauch und dann sehr schnell eine Etage höher an die Brust. Sie sprach noch, „da weiß jemand, wie’s funktioniert“, und dann verschwand sie für gefühlte Stunden in einen der vielen anderen Kreißsäle zu einer der vielen anderen schreienden Frauen an diesem Morgen.

Die Still-Abläufe gerieten in meinem Fall mit und nach der Geburt so selbstverständlich, dass ich später auf der Wöchnerinnenstation aus dem Reflex mein kleines Kind aus seinem Plastikbett an meine Seite hob und es dort die erste von sehr, sehr vielen folgenden Nächten im Liegen stillte.

Eine idealtypische Stillbeziehung versus Nächte aus der Hölle

So reibungslos unser Stillstart verlief, so prekär gerieten unsere Nächte. Beim Thema Schlaf verhielten sich die Dinge hier nämlich nicht so selbstverständlich wie beim Stillen.

Die ersten drei Monate liefen wahrscheinlich wie bei den allermeisten ab: Viele Unterbrechungen in der Nacht – ein Baby, das im Schnitt alle zwei, drei Stunden gestillt werden wollte – Augenringe, aber es funktionierte irgendwie. Diese ersten drei Monate, sie sollten aber auch nicht so sehr ins Gewicht fallen – zumindest im Vergleich zu dem, was darauf folgte.

Ich meine, dass ich mich das erste Mal so richtig über die Nächte beklagt habe, das muss irgendwann rund um Julius’ vierten oder fünften Lebensmonat gewesen sein. Wir besuchten über Weihnachten und Neujahr unsere Familie in NRW und danach gerieten die Dinge aus den Fugen. Und zwar so richtig. Julius stillte nicht mehr alle zwei Stunden, er begann nachts jede Stunde nach mir zu verlangen, gelegentlich unsere Nächte auch halbstündlich zu unterbrechen.

Der neue Schlafmodus blieb keine Phase, zog sich vielmehr über Wochen, schließlich Monate. Parallel entwickelten sich meine Gedanken, was denn nur falsch liefe zu latenten Panikattacken. Ich kann mich noch sehr genau erinnern, dass ich in dieser Zeit die Nächte regelrecht fürchtete – weil sie ja ein jedes Mal doch nur bedeuteten, nicht schlafen zu können, stattdessen auch auf die schlimmste Nacht immer wieder ein Tag folgte, an dem ich funktionieren würde müssen.

Aus der Verzweiflung in den Optimierungsmodus

Vor allem aber stürzte mich Julius’ Schlaf in eine tiefe Sinnkrise. Hatte ich bis dahin doch angenommen, die Dinge würden schon laufen, wie sie laufen müssten mit diesem, meinem Kind – hatte ich mich in der ultimativen Flexibilität eingerichtet. Stillen und schlafen nach Bedarf, wo und wie hielt ich bis dahin sehr locker.

Stattdessen versuchte ich mich nun – zumindest beim Thema Schlaf – daran, Julius mehr Struktur zu geben. Feste Schlafzeiten am Tag und feste Einschlafzeiten zur Nacht. Auch haderte ich, ob ich mein Kind weiter an der Brust einschlafen lassen könne. Schlafen und stillen schienen mir als Einheit nicht zu funktionieren. Ja vielmehr noch, schien es so, als ob das Stillen meinen Schlaf partout gefährdete.

Ich habe in dieser Zeit trotzdem nicht abgestillt

Jetzt werden und (haben übrigens auch damals) einige anmerken, damit hätte ich mir mein Grab ja selbst geschaufelt. Und ich werde sagen: Nein. Es gab vielleicht Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass das bei uns mit dem Schlafen so lief wie es lief, aber ich würde auch im Nachgang nicht sagen, dass das Stillen dafür verantwortlich gewesen ist.

Letztlich hat sie, diese Flasche Premilch, als wir zum 10. Lebensmonat damit begannen, für uns auch nicht erfüllt, was sich alle anderen davon versprachen: ein Baby, das zumindest die erste Hälfte der Nacht seelig durchschlummert. Auch alle anderen Maßnahmen führten zu keinem messbaren Erfolg. Eher zu mehr Frustration, weil sie oft aufwendiger waren, als der Weg, den ich zuvor mit Julius gegangen war: den Weidekorb schunkeln, ihn durch das Schlafzimmer tragen, ihn in jedem Fall nicht an der Brust einschlafen lassen – das alles war einfach vor allem nervenaufreibend, dauerte zuweilen stundenlag. An der Brust war Julius hingegen auch nicht immer nach Sekunden eingeschlafen, aber schneller allemal und vor allem: verlässlich.

Und dann begann Julius einfach so zu schlafen

Nun ist Julius schon fast ein Vorschulkind und nein, er stillt nicht mehr. Und ja, er schläft. Und es kommt noch besser: er schläft richtig gut. Ich glaube, ich konnte mir neben meinem andauernd erwachenden Baby irgendwann schon fast gar nicht mehr vorstellen, wie es wäre, eine Nacht durchzuschlafen und dann passierte es einfach, als Julius ungefähr eineinhalb Jahre alt war. Einmal und dann immer wieder.

Ich weiß bis heute nicht, was genau dazu beigetragen hat. Ob es die Kita und ihre Struktur war. Ob ich es, mein Job und meine und unsere neue Struktur war. Vielleicht ist es auch tatsächlich einfach so, dass Kinder ohne unseren Einfluss irgendwann beginnen zu schlafen. Wegen final reifer „Schlafsynapsen“ oder so.

Aber dass sie irgendwann alle schlafen – gestillt oder nicht –  darauf kann man sich wahrlich verlassen. Auch wenn das zwischendurch mal nicht so scheinen mag.

Vielmehr noch will ich sogar weiter glauben, dass das Stillen mit dem Schlafen irgendwie doch ganz gut zu vereinbaren ist. Dass es so etwas wie eine Still-, Schlafsymbiose zwischen Mutter und Baby geben kann. Dass Kind und Mutter sich in ihrem Schlafrhythmus aneinander anpassen und beide dementsprechend relativ erholt aufwachen. Diesbezüglich finde ich diese Gedanken hier von Haushofkind ganz interessant.

Wenn ich eine Sache heute vielleicht anders halten würde, dann vielleicht nachts nicht den Tag zur Nacht zu machen, nur weil das Baby gerade stillt. Ich habe Julius zum Beispiel im Wochenbett zwar viel im Liegen gestillt, dabei aber Instagram entdeckt und mich dann während der Stillunterbrechungen wachgehalten, anstatt zu versuchen, wieder einzuschlafen. Das mag die oben erwähnte Symbiose vielleicht verhindert und die Spirale des Schlaftodes in Gang gesetzt haben.

Aber: you never know. Vielleicht sollte es auch einfach so sein. Auch das Verrücktmachen. Letzteres scheint ja regelrecht in allen Gebieten ein echter Erstmama-Topos zu sein – wie wir hier bei Littleyears immer wieder feststellen.