Eine kleine Konsumgeschichte (und –kritik)

Vergangene Woche fragte uns eine von euch Leserinnen in einem Kommentar zu Isabels IKEA-Post zu unserer Einstellung zum Konsum. Isabel hat dazu bereits Position bezogen und auch ich war unmittelbar versucht, antworten zu wollen, weil die Konsumfrage insbesondere im vergangenen Jahr eine große für mich war und ist. Ich habe nie weniger konsumiert als 2016 und das sehr bewusst so gehalten. Wie es dazu kam und wie ich es dieser Tage für mich wie für mein Kind mit dem Konsumieren halte, davon erzähle ich heute.

Ich muss wohl in meiner Jugend sehr aufs Einkaufen versessen gewesen sein. Ich fing früh an, neben der Schule zu arbeiten – nur um dann Monat für Monat meinen Verdienst gen Düsseldorf und seine Modeketten zu tragen. Ich achtete in dieser Zeit weder auf Materialien, noch darauf, zu welchen Bedingungen die Kleidung produziert worden war, die ich begehrte. In meiner Tasche landete ganz analog vor allem: billige Saisonware.

Mit fortschreitendem Alter verrückten meine Interessen zwar zunehmend – es gab einfach Wichtigeres zu tun und zu denken, als eine um die andere Tasche zu besitzen oder morgens aus dem Bett in einen begehbaren Kleiderschrank zu fallen. Aber gewisser Weise hatte mich der Konsum doch weiter fest im Griff. Ich investierte vielleicht ob der kargen studentischen Verhältnisse nicht mehr so viel und auch eher in wenige, gut gearbeitete Stücke – aber der Wille zur Investition aller verfügbaren Mittel, er klebte an mir wie das Pech an der Goldmarie.

Und letzteres Sinnbild lässt vielleicht erahnen: inzwischen sehe ich das alles nicht mehr so unkritisch. Vielmehr noch habe ich mich im vergangenen Jahr regelrecht am Konsumverzicht geübt. Ich tat und tue das aus dreierlei wesentlichen Gründen:

  • Monetäre Freiheit

Der Soziologe Harald Welzer hat einmal gesagt: „Eigentlich kaufen sich die Leute heute Kugeln ans Bein.“ Und genau so ist es doch. Ich kann natürlich grenzenlos viel kaufen, aber dann muss eben auch viel Kohle dafür her. Ich müsste schlichtweg viele Stunden um Stunden und Stunden arbeiten, wenn ich viel einkaufen wollte. Weniger Geld für Konsum auszugeben, hat also den großartigen Vorteil, weniger Zeit aufs Arbeiten verwenden zu müssen und mehr Zeit für wesentliches zu haben.

  • Moral

Aber auch Gesetz dem Fall, ich könne mir alles, was ich wollte, ohne zu arbeiten leisten – dann täte ich es immer noch nicht. Und zwar, weil ich nicht am Leben erhalten will, wie unser System immer noch angelegt ist: der Vorteil des einen zum Nachteil des anderen. Wie wir in diesem, unseren Teil der industrialisierten Welt konsumieren, hat nun mal Auswirkungen darauf, wie der Rest der Welt funktioniert oder eben auch nicht. Ich mag schlichtweg nicht mehr blind Strukturen wie die der Massenproduktion jenseits aller ethischen Standards unterstützen. Ich kann auch nicht darüber hinweg sehen, wie die Ressourcen dieser Welt für den Wohlstand weniger geschröpft werden. Ich will vielmehr einen Beitrag leisten gegen die Verschwendung und ihre Konsequenzen, ja gegen den Irrsinn des Konsumterrors.

  • Mein Kind

Und letztlich ist es selbstredend so, dass mich mein Kind viel mehr als früher darüber nachdenken lässt. Dass ich meinen Sohn in einem bestimmten Bewusstsein erziehen will – dass ich mir für ihn wünsche, unabhängig von jenen Strukturen des Materialismus’ zu sein. Und klar auch als Generationenauftrag hoffe, dass er wie alle anderen Menschen, die auf ihn folgen, nicht auf einem von uns gebeutelten Planeten hausen müssen.

Reality bites the dust (und den Konsumverzicht)

Nun muss man sagen, dass ich nie große Ausmaße an Dingen besessen habe. Ich bin in meinem Leben viel umgezogen und habe immer wieder viel aussortiert und dann in der berechtigten Annahme, ich würde ja gewiss bald noch einmal umziehen, zwischendurch nicht viel hinzu gekauft.

Plus minus Null komme ich nach einem Jahr des (nahezu) totalen Verzichts nun aber an einen Punkt, an dem der Konsumwunsch ganz deutlich nach mir ruft – vor allem mit Blick auf meinen Kleiderschrank. Weil ich die ollen (und ja ohnehin tendenziell wenigen) Klamotten so oft getragen und nun kaum mehr sehen kann, manche Dinge einfach inzwischen recht verschlissen sind und andere verloren gingen. Ja, ich komme auch nicht umhin, gelegentlich auf Werbung anzuspringen und kreise dieser Tage regelrecht um Kleider von The Reformation, Blusen von Rouje oder Zweiteiler von Sleeper. Auch laufe ich seit geraumer Zeit nur noch mit Fahrradtaschen durch die Gegend und gäbe einiges dafür, mal wieder eine schlichte, große Ledertasche zu besitzen – die nicht nur praktisch ist. An meinen Budapestern löst sich dieser Tage die Sohle und meine liebsten Sandalen haben sich vergangenes Jahr bei einem Paddelboot-Ausflug in die Tiefen des Weißensees verabschiedet.

Und klar, auch das Wachstum des Kindes lässt sich nicht immer mit meinen hübschen Grundsätzen vereinbaren. Ich versuche für mich wie für ihn einiges Second Hand zu besorgen (in Berlin ist das ja dank des Vintageläden-Angebots auch nicht so sehr schwer – wie sich hier nachlesen lässt). Aber wenn das Kind über Nacht gefühlt zwei Schuhgrößen wächst und die Kita mit scharfem Ton auf Klettverschlüsse verweist, renne ich dann oft doch schnell ein Paar neue Schuhe besorgen.

Kurzum: In Alternativen zum absoluten Konsum zu denken und dann auch danach zu handeln, ist per se manchmal gar nicht so einfach, finde ich. Aber ich glaube, dass allein das Bewusstsein ein guter Schritt in die richtige Richtung ist und dass die allermeisten von uns das Thema Nachhaltigkeit sehr wohl auf dem Schirm haben, wenn sie einkaufen gehen. Ich finde auch Isabels Ansatz sehr gut, für ein neues Teil etwas altes zu verkaufen, und halte es in der Regel ebenso. Ja, das schlichte Anhäufen ist mir regelrecht zuwider. Ich überlege vielmehr dieser Tage bei jeder Anschaffung, ob sie tatsächlich notwendig ist – angefangen im Supermarkt, aber auch bei Spielzeug und speziell gegenüber größeren Anschaffungen, wie etwa einen eigenen VW-Bus zu besitzen.

Ich kann indes trotzdem verstehen, wenn Eltern zum Beispiel für ihre Erstgeborenen gefühlte Lastwagenladungen an Wolle-Seide-Bodys ankarren und ob all der Möglichkeiten des Babymarktes nicht mehr aus dem Shoppen herauskommen. Allein, weil diese Form des Konsums eben jenes Ereignis feiern will und sich Konsum und Feiern als Assoziationskette offenbar tief in unsere Gesellschaft und unsere Einstellung eingebrannt hat.

Nichtsdestotrotz finde ich notwendig zu hinterfragen, weshalb Ereignisse wie Geburten, Geburtstage, Weihnachten, Hochzeiten und andere Festlichkeiten unweigerlich materiell besetzt sind – oder zum Beispiel, wieviel Spielzeug Kinder eigentlich brauchen, was jeder einzelne von uns wirklich benötigt, bzw. auf welchen Plunder oder die 13. Version einer Jeans wir hingegen verzichten können.

 

PS: der “all you need is less” Print ist von Studio Shoppe