Die Kinder sind ständig krank – und ich muss eigentlich arbeiten

Seit Monaten grassiert bei uns in der Kita eine Seuche nach der anderen: Läuse, Madenwürmer, Grippe, Magen-Darm-Infektionen hoch tausend, Scharlach, Hand-Fuß-Mund, Influenza und, und, und. Meine Kinder sind zum Glück beide unheimlich resistent, vor allem Xaver wird wirklich NIE krank (außerdem haben wir die schlimmsten zwei Wochen gerade mit Urlaub überbrückt...). Aber ich habe Freunde, die haben seit Oktober kein Kind mehr eine ganze Woche am Stück in der Kita gehabt. Wer dieser Tage beim Arzt sitzt, teilt sich das Wartezimmer dort mit vielen anderen Kindern und Eltern.

Und hört doch wahrscheinlich immer wieder: zehn Infekte im Jahr sind normal. Das Immunsystem muss trainieren. Alles klar. Bloß: irgendwann muss man ja auch noch arbeiten und Geld verdienen, nech? Die Miete bezahlt sich schließlich nicht von selbst, ebensowenig wie sich der Kühlschrank von alleine auffüllt.

Bei meinem Arbeitgeber galt folgendes: Zehn Karenztage pro Elternteil und Kind und Jahr. Tage also, an denen ich morgens anrufen konnte und ohne Attest beim Kind bleiben konnte, bei vollem Lohnausgleich. Am dritten Tag musste ich – wie bei mir selbst auch – eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bei meinem ersten Kind kam das nicht ein Mal vor, er war immer nach ein oder zwei Tagen kuscheln wieder fit. Ich war wesentlich öfter krank als er.

Ich habe diese Großzügigkeit also nie ausgeschöpft. Und war immer der Meinung, dass die meisten Arbeitgeber es so halten. Weit gefehlt!

Bei den meisten gilt: Ab Tag Eins mit krankem Kind muss man einen Kinderkrankenschein vorlegen. Das bedeutet auch: mit diesem kranken Kind, das sich vielleicht morgen wieder erholt hätte, in die Virenfalle Wartezimmer. Und dann gibt es auch nicht den vollen Lohnausgleich, sondern die Krankenkasse übernimmt das. Und zahlt in der Regel weniger als das volle Gehalt, 60-90% etwa. Bei einer richtig fiesen Grippe, die zwei bis drei Wochen dauert, kann das ganz schön ins Geld gehen, vor allem wenn man alleinerziehend ist und wenig Unterstützung oder Rücklagen hat!

Noch dicker kommt es, wenn das Kind privat versichert ist. Dann gibt es nämlich im blödesten Fall gar nichts. Keinerlei Lohnausgleich. Viele Arbeitgeber haben Agreements mit ihren Mitarbeitern, zum Beispiel, dass Home Office gemacht werden kann an den Karenztagen, oder dass die Eltern krank gemeldet werden (was natürlich nicht legal, aber viel einfacher ist). Karenztage ohne Krankschreibung, wie ich sie im Vertrag stehen hatte, bei denen der Arbeitgeber den Ausfall übernimmt, müssen individuell ausgehandelt werden. Manchmal stockt der Arbeitgeber auch das Kinderkrankengeld auf, sodass man am Ende keine Einbußen hat.

So oder so: Es gibt gesetzlich keine feste Regelung. Eine krasse Lücke, wie ich finde, ein Riesennachteil für Arbeitnehmer mit Kindern. Kann das wirklich sein? Dazu habe ich die Familienrecht-Expertin Sandra Runge, die ihr schon von hier und hier kennt, befragt:

Liebe Sandra, die gesetzliche Krankenkasse zahlt zehn Tage pro Jahr, Elternteil und Kind – zumindest bis das Kind 12 Jahre alt ist. Sie kommt dann anteilig auf. Viele haben diese Tage schon im Februar voll. Was dann?

Gemeinerweise gibt es dann beim nächsten grippalen Infekt keinen finanziellen Ausgleich mehr. Eltern sollten in diesem Fall aber auf jeden Fall versuchen, gemeinsam mit dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden, z.B. das Abbummeln von Überstunden, oder Arbeit im Home Office. Notfalls muss man Urlaub einreichen, oder um unbezahlten Urlaub bitten. Wenn das Kind wirklich ernsthaft und langfristig erkrankt ist, besteht die Möglichkeit unter besonderen Voraussetzungen Pflegezeit oder Familienpflegezeit zu nehmen. Das ist – vereinfacht gesagt – eine Freistellung oder Reduzierung der Arbeitszeit um ein Kind zu pflegen. Dabei wird, zumindest für zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld gezahlt, auch die Aufnahme eines zinslosen Darlehens ist möglich.

Zudem braucht man eigentlich ab Tag Eins einen Kinderkrankenschein. Jeder weiß, wie es im Winter in Kinderarztpraxen zugeht, ist das denn sinnvoll? Kommen da nicht noch mehr kranke Kinder bei raus?

Leider muss man da durch, auch wenn es nervt und man Gefahr geht, und das Kind neue fiese Viren und Bakterien nach Hause schleppt. Wenn Eltern nicht bei der Arbeit erscheinen, weil das Kind krank ist und dem Arbeitgeber ab dem 1. Tag keine Bescheinigung vorgelegt wird, kann das ernsthafte Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber kann dann nämlich eine Abmahnung erteilen, beim Wiederholungsfall sogar eine Kündigung des Arbeitsvertrages aussprechen.

Genau, es gibt ja keine gesetzliche Grundlage was Karenztage angeht, bei Erwachsenen hat man da ja zwei.  Ist man also auf die Kulanz des Arbeitgebers angewiesen?
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen für Kinder unter 12 Jahren, die vorübergehend erkrankt sind und nicht anderweitig versorgt werden können, fünf Krankheitstage pro Jahr voll bezahlt werden. Häufig ist das aber arbeitsvertraglich durch eine Familienunfreundlich-Klausel ausgeschlossen. Die lautet z.B. so: „Die Entgeltfortzahlung aufgrund vorübergehender Verhinderung gemäß § 616 S. 1 BGB, d.h. auch im Fall einer Freistellung des Arbeitnehmers wegen Erkrankung des Kindes, ist ausgeschlossen.“

Aha. Was würdest du empfehlen, wenn es um den Arbeitsvertrag geht, wie viel kann oder sollte man „raushandeln“?

Auf jeden Fall sollten Eltern versuchen, dass der Arbeitsvertrag nicht die o.g. Klausel enthält. Eine klare Regelung zu Überstunden kann zudem auch helfen, Fehlzeiten durch das Abbummeln von Überstunden auszugleichen. Denn häufig stellen sich Arbeitgeber ja auch auf den Standpunkt, dass sämtliche Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Ach ja, und die Möglichkeit im Homeoffice zu arbeiten, kann wie gesagt im Ernstfall auch helfen.

Manche Arbeitgeber melden einfach die Mutter oder den Vater krank – so ganz legal ist das aber nicht oder?

Für die Arbeitgeber ist das administrativ oft einfacher und die Eltern lassen sich darauf ein, weil dann keine Kind-Krank-Tage verbraucht werden. Streng genommen riskiert man aber eine Abmahnung oder Kündigung, da man nicht krank ist. Das ist rechtlich – auch wenn der Vergleich seltsam erscheint – wie „blau machen“ zu behandeln.

Was mache ich, wenn der Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung garantiert und mein Kind vielleicht auch noch privat versichert ist? Gibt es da irgendeine Lösung? Für manche kann das ja existenzbedrohend sein, oder?

In der Tat ist es ausschlaggebend, wie das Kind versichert ist. Privat Versicherte erhalten grundsätzlich kein Kinderkrankengeld. Es gibt wohl einige, wenige private Versicherungen, die das anbieten.

Ist das nicht ein sehr guter Grund gegen die Private für Kinder?

Welche Versicherung für Kinder geeignet ist, ist eine ganz individuelle Frage. Manchmal hat man auch gar keine Wahl, z.B. dann wenn beide Eltern privat versichert sind und nicht mehr in die gesetzliche Versicherung wechseln können. Meine ganz persönliche Erfahrung und Meinung ist aber auch, dass Kinder gut in der gesetzlichen KV aufgehoben sind. Wenn man besondere Leistungen möchte, kann man ja noch eine private Zusatzversicherung abschließen.

Was ist, wenn die Kita anruft und das Kind abgeholt werden muss. Kann mein Chef mir das verbieten?

Nein, hier geht die Erfüllung der Aufsichtspflicht vor. Natürlich würde ich nicht alles sofort stehen und liegen lassen, wenn ich eine sehr verantwortliche Tätigkeit ausübe und allein bin – man denke nur an die Mutter, die gerade am OP-Tisch steht. Bevor man zu Kita hetzt, sollte man den Arbeitgeber informieren und noch schnell eine Übergabe organisieren.

Was würdest du Eltern empfehlen die sehr viele Fehltage wegen kranker Kinder haben und bei denen sich das auf das Arbeitsklima auswirkt?
Das ist in der Tat eine schwierige Situation. Ich finde, dass dabei insbesondere die Rolle des Arbeitgebers entscheidend ist. Er muss sich vor die Eltern stellen und für familienfreundliches Betriebsklima und für Verständnis im Ernstfall sorgen. Dazu gehört auch, dass die Kollegen, die aufgrund der Fehlzeiten kranker Eltern plötzlich mehr Arbeit auf dem Tisch haben, nicht überlastet werden.

Muss da nicht der Gesetzgeber ran, es kann doch nicht sein, dass Kinder ein Wettbewerbsnachteil sind, oder?
Oh ja, dazu hätte ich auch schon konkrete Ideen: Denkbar wäre ein finanzieller Pool für Härtefälle oder ein Abrechnungssystem, bei dem zum Beispiel Kinder-Krank-Tage von einem Elternteil auf den anderen übertragen werden können, oder bei dem man Kollegen Kind-Krank-Tage spenden kann. Letzteres wäre ggf. auch durch vertragliche Vereinbarungen möglich.

Das klingt super… Danke, Sandra!!

Wie ist es bei euch geregelt? Und seid ihr zufrieden mit eurer Regelung?