Meine beiden größten Irrtümer rund ums Muttersein

Wie ihr wisst, mache ich mir andauernd Gedanken über das Muttersein, unser aller Mutterbild, meine eigene Einstellung, wie sie sich verändert. Ich beobachte, analysiere. Und vor kurzem fiel mir auf, dass es insbesondere zwei Dinge gibt, die ich früher (vor der Schwangerschaft, in der Schwangerschaft, in der Baby-Zeit) völlig falsch eingeschätzt habe:

Irrtum EINS: Ich werde ein neuer Mensch werden

Dachte ich wirklich. Ich dachte, mit dem Muttersein würde ich endlich erwachsen werden. Denn bis dahin war ich ein Fähnchen im Wind gewesen, keine festen Jobs, keine festen Beziehungen, kaum Möbel, Versicherungen oder sonst was. Ich bin gerne ausgegangen, habe getrunken, geraucht, all das. Ich ging gerne shoppen und liebte Oberflächlichkeiten, obwohl ich von Berufswegen her immer etwas ziemlich “Seriöses” gemacht habe. Mit dem Baby sollte alles anders werden. Ich wollte Vorbild sein, Zeitung lesen, kochen, basteln, Mama-Kram machen. Ich wollte eine Mami aus dem Bilderbuch sein. Und irgendwie dachte ich, das Baby würde mich bestimmt viel vernünftiger, organisierter, verantwortungsbewusster machen.

Das hat es auch. Aber: ich bin eben auch immer noch ich. Sechs Wochen nach der Geburt hatte ich zum Beispiel einen totalen Ausgeh-Rappel, eine Freundin feierte ihren Geburtstag, es war Muttertag, ich hatte Bock! Ich stillte Xaver damals natürlich noch voll, habe aber extra für diesen großen Auftritt Unmengen von Milch abgepumpt, um dann nach drei Gläsern Prosecco völlig hinüber zu sein. Aber ich war happy! Parties waren immer wichtig für mich gewesen und zu wissen, dass der Weg zurück theoretisch ab und an möglich wäre, das war großartig. Nachts wachte ich mit spannendem Busen und Riesen-Kater auf, pumpte Milch ab, kippte sie weg und dachte: war’s das wert? Heute sage ich: JA. Mit einem sechs Wochen alten Baby zuhause einfach auszugehen, das fanden viele krass, egoistisch, verantwortungslos, Rabenmutter-mäßig. Mir hat’s gut getan! Und Papa war irre stolz, dass er problemlos alleine mit Xaver klar kommt. Danach hatte ich auch erst mal genug, bis nach dem Abstillen. Da kam dann noch mal eine richtig wilde Party-Phase, mittlerweile bin ich auch darüber hinweg. Ich ärgere mich immer tierisch, wenn Mamas sich was anhören müssen, weil sie zum Beispiel irgendwann wieder mit dem Rauchen anfangen. Natürlich ist Rauchen an sich eher ungesund und unschlau, vielleicht sollte man es nicht auf dem Spielplatz machen und den Kindern den Rauch ins Gesicht blasen. Aber mein Gott! Man wird nicht zum Gutmenschen und eine Geburt hilft selten dabei, alte Laster abzulegen. Mamas dürfen Laster haben!

Uns passiert es auch immer noch regelmäßig, dass der Wäschekorb voll ist und der Kühlschrank aber leer. Sprich: Dass mein Freund und ich nach Hause kommen und merken, dass unsere Organisation besser sein könnte. Dann gibt’s Nudeln mit Tomatensoße (DAS haben wir immer da), oder Müsli (auch), wenn die Finanzen es zulassen, bestellen wir. Unser Haushalt ist leider wirklich nur minimal besser organisiert als vorher. Einmal mussten wir sogar bei den Nachbarn Windeln schnorren! Immerhin halte ich besser Ordnung und koche zumindest etwas öfter als vorher. Mama-Kram wie basteln und stricken interessiert mich aber nach wie vor nicht. Zeitung lese ich noch seltener. Das wird aber gerade wieder besser!

Ich bin leider auch nicht wirklich erwachsen oder verantwortungsbewusst geworden, meine Altersvorsoge treibt mir die Schamesröte ins Gesicht, ich kann nach wie vor kein Geld zurücklegen, bin in vielen Bereichen immer noch schrecklich unorganisiert und oberflächlich. Ich wünschte, es ware anders! Aber das Baby hat einfach nur bedingt einen neuen Menschen aus mir gemacht und ob der besser ist?! Das sei auch mal dahingestellt.

 

IRRTUM ZWEI: Nichts wird sich ändern

Ich weiß, ich widerspreche mir selbst. Aber so war es. Irgendwie dachte ich, ich würde ein neuer Mensch werden. Gleichzeitig war ich davon überzeugt, dass sich nicht wirklich viel durch das Kind ändern würde. Das würde ich jetzt nie wieder behaupten. Es hat sich ALLES verändert.

„Er kommt ja in unser Leben, nicht wir in seins!“  Haben mein Freund und ich uns während der Schwangerschaft Mantra-mäßig vorgegaukelt. Dann kam Xaver auf die Welt und wir wurden seine Sklaven. Seit er da ist, bestimmt er unseren Alltag, wir richten uns nach ihm, nach seinen Bedürfnissen. Wir versuchen ständig, Kompromisse zu machen und wir nehmen Xaver oft mit, zu Feiern, zum Essengehen, zu Freunden, in den Urlaub sowieso – aber eigentlich hat sich alles verändert.

Ich arbeite anders und intensiver, denke über andere Sachen nach, bin oft gestresster, weil alles so viel mehr geworden ist. Mein Körper hat sich verändert, und nicht nur äußerlich ist alles neu. Ich bin sensibler geworden, weicher irgendwie. Vielleicht auch ein bisschen verantwortungsbewusster, zumindest wenn es um Xaver geht. Die riesengroße Liebe und Verantwortung für ihn haut mich immer noch oft um und sie geht definitiv nicht einfach so an mir vorbei. Sie rührt mich manchmal zu Tränen, sie belastet mich. Ich bin sorgenvoller geworden, leichtlebig bin ich nur noch selten.

Ich werde schneller seekrank, habe Migräne bekommen. Mein Leben ist voller und enger getaktet, ich gehe seltener aus und stehe früher auf. In unserer Wohnung hat sich in jedem Raum eine Ecke für Xaver eingeschlichen, wir buchen unsere Urlaube anders, damit es für ihn passt, wir haben weniger Zeit zu zweit, wir haben seltener Sex und mindestens die Hälfte der Gespräche, die ich mit meinem Freund führe, dreht sich um Xaver. Unsere Beziehung hat sich verändert, sie ist auf der einen Seite enger und intensiver geworden, auf der anderen Seite hatten wir nie so viele Krisen, wie in den letzen beiden Jahren. Zum Glück haben wir es bisher aus jeder gut herausgeschafft!

Jedenfalls: Nichts ist wie vorher. Als Xaver noch ein Baby war, war der Unterschied noch nicht SO deutlich merkbar, aber spätestens seit er läuft und spricht hat er unser Leben einfach völlig eingenommen. Wir versuchen, uns so viel Freiheit wie möglich zu nehmen, trotzdem: alles ist anders. Und das Verrückte ist: ich bin glücklicher. Ich bin vollkommener, ich grüble zwar mehr, aber sicher nicht mehr über den Sinn des Lebens!

Und: ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass ich in jeder Hinsicht falsch lag. Trotzdem ist dieser Konflikt: Neuer Mensch werden vs. so wenig wie möglich verändern immer noch einer, der mich ständig beschäftigt.

Kennt ihr das?