Baby Blues statt Mutterglück

Wir wollen uns heute mal einem Tabuthema widmen, das wir viel zu wichtig finden, um es nicht zumindest mal kurz anzusprechen. Die Rede ist von psychischen Verstimmungen nach der Geburt, bzw. in den ersten Monaten mit dem Baby. Vermutlich ist das nämlich etwas, womit deutlich mehr Frauen zu tun haben, als man annehmen würde. Am schlimmsten: den Wenigsten wird geholfen, bzw. die Wenigsten lassen sich helfen. Das liegt sicher auch daran, dass das Thema hier in Deutschland eben so ein Tabu ist und auch daran, dass allgemein wenig darüber bekannt ist. Nicht nur die Frau ist also dann überfordert, sondern auch der Partner, die Familie und Freunde. Etwa 10 bis 15 Prozent aller Frauen fallen nach der Geburt in eine Depression und gut die Hälfte aller Neu-Mamas kennt zumindest den berühmten Baby Blues ein paar Tage nach der Geburt.

Wochenbettdepression?

Eine Wochenbettdepression ist natürlich viel mehr als dieser Baby Blues. Der kommt von der Erschöpfung nach der Geburt, und vor allem von den hormonellen Veränderungen. Genauer gesagt vom rapiden Abfall der Hormone Östrogen und Progesteron nach dem Ende der Schwangerschaft. Ein paar Tage nach der Geburt haben die meisten Neu-Mütter also einen oder zwei „Heultage“ an denen sie tatsächlich viel weinen müssen und so viel Unterstützung wie möglich brauchen. In der Regel handelt es sich aber nur um ein kurzes Stimmungstief.

Wenn es aber nach ein paar Tagen nicht besser wird, wenn Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Selbstvorwürfe und das Gefühl, das eigene Kind nicht lieben zu können, nicht aufhören, dann sollte man sich möglichst schnell Hilfe suchen. Die Wochenbettdepression kann einen auch nicht nur im Wochenbett übermannen, sondern in den ersten sechs Lebensmonaten des Babys. Manche leiden auch unter psychischen Problemen, wenn sie abgestillt haben (im Englischen bekannt unter dem Begriff “Weaning”, entwöhnen).

Wen kann es also treffen?

Im Prinzip jede Frau. Besonders oft trifft es jedoch solche, die einen hohen Anspruch an sich haben und eher perfektionistisch sind. Sie haben dann meist das Gefühl zu versagen, der neuen Situation nicht gewachsen zu sein. Auch trifft es häufiger Frauen, bei denen schon mal Depressionen in der Familie aufgetreten sind, und auch solche, die in ihrer eigenen Kindheit unverarbeitete psychosomatische Erlebnisse hatten. Ghosts of the nursery wird dieses Phänomen genannt: Die Geister aus dem eigenen Kinderzimmer tauchen mit dem eigenen Mutter-Dasein wieder auf.

Im Gegensatz zu Deutschland wird in anderen Ländern recht offen mit dem Thema umgegangen.  In England füllen alle Frauen nach der Geburt, und noch mal nach drei Monaten, einen Fragebogen zur Früherkennung aus. So können Probleme schnell erkannt und behandelt werden. Hierzulande spielen bei der ärztlichen Nachsorge die psychischen Belange aber leider eine sehr untergeordnete Rolle.

Außerdem sprechen Celebrities in anderen Ländern immer wieder offen über das Thema. So zum Beispiel Brooke Shields, Gwyneth Paltrow und Victoria Beckham. Auch die wohl bekannteste Mama-Bloggerin der USA, Joanna Goddard erzählte letztes Jahr auf ihrem Blog, an einer postpartalen Depression gelitten zu haben. Bei ihr kam sie zum Beispiel nicht direkt nach der Geburt, sondern eben nachdem sie abgestillt hatte. Ist ja auch logisch, dass das passieren kann. Schließlich muss der Körper auch dann mit einem ganz schönen Hormonumschwung klarkommen.

Fazit: Es kann wahrscheinlich wirklich fast jedem passieren. Ein Baby ist einfach eine Herausforderung und eine Grenzerfahrung. Nicht nur für Mutter und Vater und deren gesamtes Leben, sondern eben auch für die Psyche. Am Wichtigsten ist es wohl, sich selbst wach zu beobachten, sich nicht unter Druck zu setzten, ehrlich zu sich selbst zu sein und vor allem: im Falle des Falles so schnell wie möglich Hilfe zu suchen.

Wen das Thema interessiert, für den haben wir ein paar Artikel zusammengesucht:

Die Depression tritt nicht zwangsläufig im Wochenbett auf / Sueddeutsche.de

Mutterseelenallein / FAZ

Traurige Mütter / ZEIT Online

Illustration: © Kera Till